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Seite 7: Gerichte, Medien und Parlamente werden in Postkrisenzeiten die Entscheidungen nicht wirklich aufarbeiten

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Halten Sie eine sachgerechte juristische Aufarbeitung der Entscheidungen, die die Regierungen getroffen haben, für realistisch?

David Jungbluth: Von den Gerichten mit Sicherheit nicht. Diese sind nicht nur generell überfordert, sondern in meinen Augen auch nicht in der Lage, so etwas zu leisten: weder in ihrer Struktur noch in ihrer tendenziellen überwiegenden Geisteshaltung, vor allem aber auch nicht wegen ihrer Einbettung in die herrschenden Machtstrukturen.

Was bleibt? Die Medien?

David Jungbluth: Davon gehe ich nicht aus. Die Medien, jedenfalls die, die nicht zu den sogenannten Alternativen zählen, haben einen erheblichen Teil zu dieser eskalierenden Situation beigetragen.

Die Parlamente? Auf Landes-, auf Bundesebene?

David Jungbluth: Die Parlamente? Die haben sich, wie ausgeführt, einen nahezu vollständigen Knock-Out verpasst und können ihrer ureigentlichen Aufgabe, nämlich der Kontrolle der Regierung, nicht mehr nachkommen. Von ihnen ist kaum zu erwarten, dass sie die Ereignisse in Postkrisenzeiten, beispielsweise in Form von Untersuchungsausschüssen, sachgerecht aufarbeiten. Damit würden sie schließlich, zu Ende gedacht, die Frage ihrer eigenen Legitimität aufwerfen.

Wenn nicht die Parlamente, die Gerichte, die Medien, wer könnte dann die Aufarbeitung übernehmen?

David Jungbluth: Wir kommen um eine Frage nicht herum: Wie soll die demokratische und (damit) auch die organisatorische Verfasstheit dieses Staates in der Zukunft aussehen?

Ich plädiere für einen vollkommenen demokratischen und auch rechtstaatlichen Neustart unter einer neuen Verfassung, die diesen Namen auch verdient hat, weil sie vom gesamten deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen wird. Diese Forderung steht übrigens auf dem Boden des Grundgesetzes, nämlich auf Art. 146 GG, und ist zutiefst demokratisch.

Geschenkt werden wird uns eine derartige Neuerung, wie auch schon alle bisherigen gesellschaftlichen Fortschritte, sicher nicht. Wir haben dies daher nachhaltig und lautstark einzufordern und dafür im Zweifel, im Geiste des Humanismus und damit friedlich, zu erkämpfen. Auch ein Recht zum Widerstand ist übrigens für Zeiten wie die hiesigen grundgesetzlich verankert, nämlich in Art. 20 Abs. 4 GG. Meine Einordnungen und Forderungen bewegen sich also auf dem - aktuell evident bedrohten - Boden des Grundgesetzes.

"Ich erwarte von der Bundesregierung eine schnellstmögliche Aufklärung" über den Bericht aus dem Innenministerium

Gerade erst hat die Online-Plattform "Frag den Staat" ein internes Papier veröffentlicht, das aus dem Innenministerium stammen soll. Dort ist unter anderem zu lesen, dass Bürger in Angst versetzt werden sollen. So steht darin etwa: "Um die gewünschte Schockwirkung zu erzielen, müssen die konkreten Auswirkungen einer Durchseuchung auf die menschliche Gesellschaft verdeutlicht werden." Und dann werden auch Kinder ins Visier genommen. So heißt es: "Kinder werden sich leicht anstecken, selbst bei Ausgangsbeschränkungen, z.B. bei den Nachbarskindern. Wenn sie dann ihre Eltern anstecken, und einer davon qualvoll zu Hause stirbt und sie das Gefühl haben, Schuld daran zu sein, weil sie z.B. vergessen haben, sich nach dem Spielen die Hände zu waschen, ist es das Schrecklichste, was ein Kind je erleben kann." Wie nehmen Sie als Jurist, aber auch als Bürger diese Stelle wahr?

David Jungbluth: Letzten Endes steht dieses antiaufklärerische und im Ergebnis menschenverachtende Papier in meinen Augen symbolhaft für den Umgang von Politik und Mainstreammedien mit der aktuellen Situation, in der eine "Horrormeldung" nach der nächsten verbreitet wird, oftmals aus dem Kontext gerissen, wenn sich nicht sogar als vollständige Unwahrheit entpuppend, um die Bevölkerung in einem ständigen Angespanntheits- bis Panikmodus zu versetzen und in diesem zu halten.

Diese Entwicklungen gab es ja durchaus schon vor der "Coronakrise", indem uns beispielsweise die latente Gefahr eines terroristischen Anschlags suggeriert wurde. Wenn dieses Instrumentarium dann dazu genutzt wird, staatlichen Maßnahmen zur "Akzeptanz" zu verhelfen, die sonst auf (erheblichen) Widerstand gestoßen wären, verstößt das gegen die grundgesetzlichen Fundamentalprinzipien der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit, aber auch gegen die Garantie der Menschenwürde, da der Einzelne in diesem Fall in seinem eigentlichen Wille gebrochen und damit gleichsam zum Objekt staatlichen Handelns gemacht wird.

Es ist ja offensichtlich noch unklar, wer genau Urheber dieses Machwerks ist und inwieweit es im Rahmen der aktuellen politischen Öffentlichkeitsarbeit Anwendung gefunden hat. Bemerkenswert ist aber ja in jedem Fall schon mal, dass so ein Papier von wem auch immer überhaupt in Auftrag gegeben wurde. Und fast noch bemerkenswerter erscheint mir, dass es offensichtlich ausschließlich von Ökonomen verfasst wurde? Warum eigentlich? Wenn es wirklich um den Schutz der Bevölkerung und um ein Einwirken auf deren Verhalten gegangen wäre, wären dann nicht Mediziner und/oder Verhaltensforscher oder ähnliche Wissenschaftler daran zu beteiligen gewesen? Daher nochmal meine Frage, die ich ganz deutlich in den Raum stelle: Warum gerade Ökonomen?

Ich erwarte hier jedenfalls von der Bundesregierung eine schnellstmögliche Aufklärung über die genauen Urheber dieses Berichts, vor welchem Hintergrund dieser in Auftrag gegeben worden ist und ob dieser im Rahmen der getroffenen Maßnahmen Berücksichtigung gefunden hat. Die Wahrhaftigkeit einer eventuellen Antwort wird genau zu überprüfen sein.

Des Weiteren sollte sich das Parlament, wenn es denn mal wieder zusammenkommt, schnellstmöglich damit befassen und um eine sofortige Aufklärung bemühen. Aber wie schon angedeutet, steht hier meines Erachtens nicht viel zu erwarten, da das Parlament sich offensichtlich in einer Art Untergangsmodus befindet.

Haben Sie vielleicht ein Mut machendes Schlusswort?

David Jungbluth: Ich kann insofern nur auf meine oben gemachten Ausführungen Bezug nehmen: Wir brauchen nach meiner Einschätzung etwas grundlegend Neues. Sehen wir diese Krise tatsächlich als Chance, nicht nur im Hinblick auf die Frage der Neustrukturierung unseres Gesellschafts- und Wirtschaftssystems, auch das halte ich für lange überfällig, sondern auch und gerade im Hinblick auf unser politisches System. Nur am Rande: Das eine kann ohne das andere gar nicht gedacht werden.

Und zum Schluss möchte ich auch noch eine paar persönliche Worte loswerden: Ich bin mir bewusst, dass ich, wie auch schon viele andere, erheblich angegriffen werden könnte, weil ich mich hier recht deutlich exponiert habe. Ich nehme das in Kauf, weil ich denke, dass es jetzt nicht mehr um die Befindlichkeiten oder auch nur Bequemlichkeiten einzelner, sondern um unser aller Wohl, um die fundamentalen Grundsätze von Demokratie und Rechtstaatlichkeit geht - und für diese können wir uns alle, jeder auf seine Art, einsetzen.

Es besteht jetzt vielleicht wirklich eine große Chance, in der Krise die Dinge nach langer Zeit, jenseits politischer abgenutzter Floskeln, wirklich zu einem Besseren zu bewegen. Und zwar nicht zum Wohle vermeintlicher Repräsentanten des Volkes, sondern um unser alles willen, unabhängig von geografischer und sozialer Herkunft, Geschlecht, Bildungsstand, Religion und Weltanschauung.

Das können wir aber nur, wenn wir einheitlich und solidarisch auftreten. Und wenn wir das sind, braucht auch niemand Angst zu haben, dass er alleine zurückbleibt. Lasst uns also nicht zu eingeschüchterten und verängstigten Untertanen werden. Wir alle sind die Polis.

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