Verbraucher-Analphabetismus
Zwar muss der moderne Mensch von früh bis spät seine mit Erwerbsarbeit oft mühsam finanzierten "Lebens-Mittel" kaufen - das dafür nötige Verbraucherwissen ist aber bislang nur sehr dürftig entwickelt
Der 15. März ist seit 1962, als der damalige US-Präsident John F. Kennedy vor dem Kongress vier Grundrechte der Verbraucher verkündete, zum Welttag der Verbraucher ausgerufen worden. Die Vereinten Nationen haben übrigens diese vier Grundrechte (das Recht auf Sicherheit (sichere Produkte), das Recht auf objektive Information, das Recht auf freie Auswahl und das Recht, angehört zu werden) Jahre später dann um einige weitere Grundsätze ergänzt: Recht auf Befriedigung der Grundbedürfnisse, Recht auf Entschädigung bei Schäden, Recht auf Verbraucherbildung, Recht auf eine saubere Umwelt und Recht auf entsprechende Interessensvertretung.
Ein Welttag der Konsumenten – kontra Konsumismus
Im EU-Europa steht dieser Welttag der Konsumenten unter dem Thema „Bessere Verbraucherbildung“. Aus einem Grund: Hier schaut es nämlich sehr finster aus und das ist schlecht so. Vor allem die Jugendlichen wissen viel zu wenig Bescheid über die „basics“, also die grundsätzlichen Rechte und Pflichten sowie vernünftige Verhaltensweisen als Verbraucher (die alt Gewordenen haben das mit viel Mühsal und Kosten gelernt).
Das grundsätzliche „Know-how“ fehlt häufig. Die jungen Leute kommen aus den Schulen heraus und sind im modernen Güter- und Dienstleistungskosmos praktisch Analphabeten, die als Anhaltspunkte für ihre Kaufentscheidungen nahezu ausschließlich die Werbung und die Modemeinungen ihrer Peer-Groups haben.
Es gibt ein paar Ergebnisse, die das recht eindrucksvoll belegen. 70 Prozent der (österreichischen) Jugendlichen finden Werbung grundsätzlich positiv, rund die Hälfte meint, ein höherer Preis sei ein guter Anhaltspunkt für Qualität. Zugleich beklagen sich drei Viertel darüber, dass der soziale Druck, Dinge zu kaufen, um nicht aus der Reihe zu fallen, hoch wäre.
Auf der anderen Seite wissen gar nur 6 Prozent, Richtiges mit Gewährleistung und Garantie anzufangen, 15 Prozent wissen, was ein Umtauschrecht ist, so die Ergebnisse einer kleinen österreichischen Pilotstudie. Auch die Ergebnisse einer Schüler-Befragung der Verbraucherzentrale Bundesverband sind alles andere als berauschend. Im Durchschnitt konnten lediglich die Hälfte der siebzehn gestellten Fragen zu Konsumententhemen richtig beantwortet werden.
Schuldige Unschuld...
Auch eine Folge mangelnder Verbraucherbildung, in diesem Fall der Eltern: kontraprodukiver, hoher Kinderkonsum (die Hälfte der 6- bis 14-Jährigen hat etwa einen eigenen Fernseher im Kinderzimmer, wobei die wohlmeinenden Eltern damit die Verdummung ihrer lieben Kleinen fördern, exzessive Handykosten, Kaufsuchtgefährdung gerade bei jungen Leuten, steigende Überschuldung immer jüngerer Verbraucher.
Genau diese Umstände haben dazu geführt, am Welttag der Konsumenten eine Verbraucherbildungsdiskussion (Veranstalter: EU-Wirtschafts- und Sozialausschuss und das österreichische Sozialministerium) zu initiieren und den Welttag in Europa der Verbraucherbildung zu widmen. Außerhalb Europas steht er unter dem Motto „Nachhaltiger Zugang zur Energieversorgung für Alle“ (Consumers International).
Warum Verbraucherbildung? Oder: Wege aus dem Schulversagen?
Wenn die Menschen nicht so recht wissen, was sie selbst wollen, sich leisten können, was ihre Rechte und auch ihre rechtlichen Pflichten sind, ihre Bedürfnisse – oder marktgerecht zurechtformuliert: ihre Bedarfe, müssen sie dahingehend unterrichtet werden. Ohne moralischen Zeigefinger, nüchtern, langsam, kontinuierlich.
Wenn die Menschen nicht so recht wissen, was sie selbst wollen, dann hat die Schule versagt. Und dann ist das eine neue, dringende und allgemeine Bildungsaufgabe des Schulsystems, sie dazu zu befähigen. Bildung hat zuerst und immer „Aufklärungsbildung“ zu sein. Um das gut zu machen, braucht es auch einen eigenen Unterrichtsgegenstand „Verbraucherbildung“ – was zugegeben in Deutschland mit seinem föderal verschlissenen Bildungssystem schwierig ist. Aber, wobei es egal ist, wie so ein Schulfach nun heißt – sein Kernpunkt muss sein, den jungen Menschen ihre Bewegungsfähigkeit in einer von marktwirtschaftlichen Kalkülen und eiskalten Mahlströmen der Geschäftemacherei zurechtgemodelten Realität zurückzugeben. Selbstbestimmung hieß das früher einmal...