Vereint im Hass

Seite 3: Es ging gut los

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Das Ende der DDR ging als "friedliche Revolution" in die deutsche Geschichte ein. Doch ganz so friedlich waren die Revoluzzer nicht, zumindest nicht alle. Laut Harry Waibel gelang es den kampferprobten Rechtsextremen in der DDR sehr schnell, ganz weit vorn in der Bewegung mitzumischen: "Zum Beispiel die Entglasung des Dresdner Bahnhofs, das waren doch keine einfachen Demonstranten, das waren Rechtsextreme, die die 'Revolution' anführten."

Das erklärt, warum viele Menschen im Osten so wenig Berührungsängste mit Stiefelnazis haben und es möglich ist, dass sich normale Bürgerinnen und Bürger mit Rechtsextremen mischen wie zuletzt bei den Protesten in Chemnitz, nachdem ein junger Familienvater mutmaßlich von Asylsuchenden umgebracht wurde.

Der Tod von Daniel H. geriet schnell in Vergessenheit, über die Tatverdächtigen soll am besten gar nicht geredet werden, auf dem Konzert unter dem Motto #wirsindmehr wurde dem Toten sogar als Opfer rechtsextremer Gewalt gedacht. Übrig blieb nur die Legende von Tausenden Nazis, die sich in Chemnitz versammelten und Hetzjagden auf Ausländer veranstalteten.

Der unbekümmerte Umgang vieler Bürgerinnen und Bürger in den östlichen Bundesländern mit den Glatzen beruht auf der Erfahrung, gemeinsam ein unbeliebtes Regime friedlich wegdemonstriert zu haben. Dass es dabei nicht immer und überall so friedlich zuging und die Beweggründe mehr als zweifelshaft waren, wird wiederum in dieser Erzählung ausgeblendet. Dieser Schulterschluss '89 erklärt auch, warum sich die rechten Kräfte - und zwar aus Ost und West - so schnell sammeln konnten.

Ziel der Rechtsextremen in der DDR, die sich maßgeblich an den Protesten gegen das Regime beteiligt hätten, sei ein altes, neues "Großdeutschland" gewesen, so Harry Waibel. Dieses war noch nicht ein Jahr alt, als es in Hoyerswerda zu dem ersten Pogrom kam. Ziel war ein Wohnheim für Menschen aus Vietnam, die in der DDR als "Vertragsarbeiter" gearbeitet hatten.

Am 17. September 1991 begannen die Ausschreitungen, an denen bis zu 500 Menschen beteiligt waren. Am 20. September wurden die bedrohten Menschen unter Polizeischutz evakuiert und fast alle in ihre Herkunftsländer ausgeflogen.

Zwischen dem 22. und 26. August 1992 kam es zu den massiven Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen. Auch hier waren Vertragsarbeiter das Ziel. Sie wurden dem Hass quasi schutzlos überlassen. Die Polizei zog sich zurück und die Arbeit der Feuerwahr wurde behindert. Bis zu 3.000 Schaulustige fanden sich ein, die den Nazis laut applaudierten.

Bei dem Pogrom in Rostock-Lichtenhagen wurde auch das Auto des bekannten westdeutschen Neonazis Christian Worchs gesehen, mit dem US-Faschisten Gary Lauck war dieser schon 1990 auf Ostdeutschland-Tour gegangen, am 20. Oktober 1990 zogen sie mit etwa 500 Neonazis durch Dresden; 1991 reist er zur Maifeier nach Cottbus, am 31.8.1991 nahm er an der Gründung der "Sächsischen Nationalen Liste" teil, am 9. November organisierte er einen Neonazi-Aufmarsch in Halle an der Saale (vgl. dazu Hinter dem antifaschistischen Schutzwall und Sie waren immer unter uns).

Am 3. Oktober 1991 wurde ein Brandsatz auf eine Flüchtlingsunterkunft im westfälischen Hünxe geworfen, die beiden 6 und 8 Jahre alten Schwestern Mokadas und Zainab Saado dabei lebensgefährlich verletzt. Zainab so schwer, dass sie ihr Leben lang unter den Folgen leiden wird.

Am 23. November 1992 lösten Brandsätze Feuer in zwei von türkischen Familien bewohnten Häusern aus. Die 10 und 14jährigen Mädchen Yeliz Arslan und Ayşe Yılmaz sowie ihre 51jährige Großmutter Bahide Arslan kamen in den Flammen um, neun weitere Menschen wurden z. T. schwer verletzt.

Am 29. Mai 1993 zerstörte ein Brandsatz das Leben von fünf Menschen in Solingen: Gürsün İnce, Hattice Genç, Gülüstan Öztürk, Hülya Genç und Saime Genç. 17 weitere Personen erlitten Verletzungen, zum Teil ebenfalls mit lebenslangen Beeinträchtigungen.

In der Nacht zum 18. Januar 1996 kamen bei einem Brandanschlag auf eine Asylbewerberunterkunft in der Lübecker Hafenstraße zehn Menschen, drei Erwachsene, sieben Kinder und Jugendliche, ums Leben, die 29jährige Françoise Makudila, ihre fünf Kinder Christine, Miya, Christelle, Legrand und Jean-Daniel Makudila, der 17jährige Rabia El Omar, der 27-jährige Sylvio Amoussou sowie Monica Bunga und ihre 7jährige Tochter Suzanna. 55 weitere Personen wurden verletzt.