Verfassungsschutz-Chef Maaßen will den Frieden stören
Wissenschaftlicher Dienst bezeichnet Forderung nach Hackbacks als grundgesetzwidrig. Verstoß gegen Verbot friedensstörender Handlungen
Rückschlag für Verfassungsschutz-Präsident Hans Georg Maaßen: Nach einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags wären Cyberangriffe auf ausländische Server, wie sie vom Chef des deutschen Inlandsgeheimdienstes wiederholt gefordert wurden, nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.
Maaßen hatte zuletzt Mitte Mai gegenüber der ARD die Möglichkeit sogenannter Hackbacks gefordert. Für solche Cyberangriffe solle der Geheimdienst gesetzlich befähigt werden, so die indirekte Forderung des Verfassungsschutz-Chefs. Es könne sogar notwendig sein, ausländische Server über entsprechende Attacken zu beschädigen. Die Bundestagswissenschaftler traten solchen Plänen nun deutlich entgegen.
In einem Gutachten, das von der Linken-Abgeordneten Heike Hänsel in Auftrag gegeben worden war und das Telepolis vorliegt, werden Hackbacks als unvereinbar mit dem in Art. 26 Abs. 1 des Grundgesetzes verankerten Verbot friedensstörender Handlungen bezeichnet. Die Bundesregierung gehe zwar davon aus, dass für Cyberangriffe keine besonderen rechtlichen Regelungen bestünden und sich ihr Einsatz nach den allgemeinen rechtlichen Vorgaben für militärische Einsätze richte, zitiert das Gutachten die Regierungsposition. In der Fachliteratur werde jedoch überwiegend davon ausgegangen, dass auch Cyberangriffe eine Verletzung des völkerrechtlichen Gewaltverbots darstellen könnten, wenn eine bestimmte Erheblichkeitsschwelle überschritten wird. Friedensstörende Handlungen seien festzustellen, wenn es zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Verkehrs komme.
Verboten seien insbesondere Handlungen, die eine erhöhte Gefahr gewaltsamer staatlicher Konflikte mit sich bringen oder eine Bedrohung des Weltfriedens im Sinne von Art. 39 UN-Charta darstellten. "Die Anforderungen an eine gewaltsame Handlung werden im Bereich der Cybermaßnahmen von der Literatur insgesamt niedrig angesetzt", schlussfolgern die Autoren. Grund dafür sei das erhebliche Eskalationspotenzial, das diesen Einsätzen innewohne. Wegen der Unsicherheiten bei der Rückverfolgung von Cyberangriffen könne regelmäßig nicht mit Gewissheit festgestellt werden, ob sich die - gegebenenfalls auch reaktiven - Maßnahmen tatsächlich gegen den Verantwortlichen richte. Dadurch werde die Gefahr von erneuten Gegenmaßnahmen oder einer ungewollten Eskalation erhöht.
Bundeswehr zuständig, aber nicht Geheimdienste
Zudem dürften Kampfhandlungen im Rahmen internationaler Konflikte auch im Bereich der Cybermaßnahmen nur durch Mitglieder der Streitkräfte ausgeführt werden. Folglich sei nur die Bundeswehr zu entsprechenden Cybermaßnahmen befugt, nicht aber die Geheimdienste. Nach derzeitiger Rechtslage hätten die Nachrichtendienste grundsätzlich keine klassischen Eingriffsbefugnisse, ihr Zuständigkeitsbereich beschränke sich auf Aufklärungsmaßnahmen. Diese Beschränkung ist - wie die Trennung zwischen Geheimdienst und Polizei - eine Lehre aus der NS-Diktatur.
Gegenüber der ARD hatte Maaßen Mitte Mai gesetzliche Grundlagen für "Hackbacks" gefordert. Dabei gehe es "nicht nur darum, den Server eines Angreifers im Ausland zu zerstören". Wenn man sehe, dass von deutschen Rechnern Daten abflössen, müsse man diese schon löschen können, bevor sie "beim Gegner" ankommen, zitierte der rbb-Reporter Michael Götschenberg den Verfassungsschutz-Chef. So müssten Daten beispielsweise gelöscht werden, wenn sie auf einem Server in einem Drittstaat liegen. "Das ist für uns ein wichtiges Ziel, das wir erreichen wollen", so Maaßen. Dazu brauche man die Unterstützung des Gesetzgebers und die entsprechende Technik.
Nach Ansicht des Inlandsgeheimdienstchefs bleiben Angriffe im Cyberraum "unterhalb der Schwelle einer kriegerischen Auseinandersetzung". Die Bundestagsjuristen sind dieser Auffassung nun entgegengetreten. Das Gutachten dürfte damit die innerhalb der Bundesregierung erheblichen Zweifel an der Legalität eines eigenen Cyberwars schüren.
Die Vizevorsitzende der Linksfraktion, Heike Hänsel, sagte Telepolis: "Es ist mehr als bedenklich, wenn der Chef des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, Vorschläge macht, die die Verfassung brechen! Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat bestätigt, dass sogenannte Hackbacks ein erhebliches Konfliktpotential bergen und damit nach Art. 26 Abs. 1 des Grundgesetzes geeignet sind, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören. Sie sind somit grundgesetzwidrig. Zudem unterliegen sie ebenfalls dem Gewaltverbot der UN-Charta, die auch für Deutschland bindend ist. Umso verheerender ist der von Maaßen geforderte präventive Einsatz mit dem Ziel der Zerstörung von IT-Infrastruktur. Ich erwarte hier von der Bundesregierung eine klare Zurückweisung solcher Forderung von Seiten der Geheimdienste.”
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