Vergesellschaftet Twitter!

Seite 3: Die Lösung

Die Lösung heißt Vergesellschaftung. Die digitale Infrastruktur muss zu einem öffentlichen Dienst werden, kommerziellen Interessen entzogen werden.

Zu diesem Zweck müssen Software und Hardware in öffentliches Eigentum überführt werden (inklusive des sogenannten geistigen Eigentums, mit dem die Plattformen verhindern, dass andere ihre Verfahren und Programme benutzen).

Auf diesem Weg lässt sich ein beachtlicher Teil des Datenhandels austrocknen, einfach weil vergesellschaftete öffentlich finanzierte Plattformen keine Daten sammeln müssen, um sie über personalisierte Werbung zu monetarisieren.

Die Vergesellschaftung von Twitter, Whatsapp, Google und den anderen Plattformen dient aber nicht nur dem individuellen (Daten-)Schutzbedürfnis, sondern dem freiheitlichen und demokratischen Diskurs. Um nur ein Beispiel zu nennen, sie ermöglicht transparente Empfehlungsalgorithmen, die Nutzer nicht in die erwünschte Richtung schubsen und ihre Verweildauer maximieren.

Die notwendigen Aufwendungen, um sie zu programmieren und zu betreiben, sind finanzierbar, das Know-how ist vorhanden. Dann können Plattformen gute Arbeitsverhältnisse für alle bieten, ohne die absurden Gehaltsunterschiede wie bei den privaten Konzernen, wo ein Vorstandsvorsitzender Millionen einstreicht und Content-Moderatoren ganz knapp über dem Mindestlohn bezahlt werden.

Wenn sie und die anderen Plattform-Beschäftigten sich die Forderung nach Vergesellschaftung zu eigen machen, kann diese noch ziemlich abstrakte Idee konkret und wirksam werden.

Vergesellschaftung bedeutet nicht Verstaatlichung

Es ist wahr: Wenn Regierung oder staatlichen Stellen Zugriff auf die digitale Infrastrukturen bekommen, erhalten sie erschreckende Möglichkeiten für Manipulation und Überwachung. Andererseits verhindert das bisherige Privateigentum an den Plattformen sie nicht (nicht einmal im chinesischen Überwachungsstaat: auch Weibo oder Wechat gehören börsennotierten Unternehmen).

Vergesellschaftete Infrastrukturen müssen wirklich staatsfern sein. Auch der etwas subtilerer Einfluss auf Einstellungen oder Finanzierung muss verhindert werden. Das geht, wenn Räte der Beschäftigten und der Nutzer (also: der ganzen Bevölkerung) bei allen technischen und inhaltlichen Fragen mitbestimmen.

Nach vier Jahrzehnten Neoliberalismus mutet die Forderung nach Vergesellschaftung utopisch oder naiv an. Gerade die Digitaltechnik und das Internet waren Sinnbilder für privatwirtschaftliche Initiative, Innovation und Effizienz. In Wirklichkeit wurden die Grundlagen der Digitalisierung von staatlichen Stellen entwickelt und finanziert und dann maßgeblich von Bastlern aus Eigeninitiative weiterentwickelt.

Öffentliche Dienste jeder Art wurden seit den 1980er-Jahren immer schlechter ausgestattet, während die Internetunternehmen von den Finanzmärkten mit Geld überhäuft wurden. So konnten sie ihre Dienstleistungen scheinbar kostenlos anbieten und potenzielle Konkurrenten aufkaufen.

Diese Phase kommt nun an ihr Ende. Allerdings können konkurrenzfähige öffentliche Plattformen nicht von idealistischen Programmierern nach Feierabend betrieben werden. Nötig sind qualifizierte Arbeitskräfte, langfristige Stellen und massive Investitionen für ein Gemeingut, das gleichzeitig dem privaten Kapital Einkünfte entziehen würde. Dass so etwas politisch durchgesetzt werden kann – das ist im eigentlichen und guten Sinn utopisch.