Verhandlungen in Doha, Anschläge in Afghanistan

Karte: TP

Während Vertreter der USA und der Taliban in der katarischen Hauptstadt über einen Truppenabzug sprechen hat der Terror im Objekt der Verhandlungen zugenommen

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Wer in der Geschichte über einen Frieden verhandelte, der übte oft gleichzeitig gewaltsam Druck aus, um auf diese Weise zu zeigen, dass er auch andere Optionen hat als den Frieden, wenn ihm die Bedingungen dafür nicht passten. Derzeit scheinen das auch die Taliban so zu handhaben, deren Vertreter in Doha, der Hauptstadt der islamistischen Ölmonarchie Katar, mit Vertretern der USA über einen Abzug der aktuell etwa 9.000 amerikanischen Soldaten in Afghanistan verhandeln (vgl. Taliban: Angriff vor den Friedensverhandlungen).

14 Terroranschläge zum Hundertsten Unabhängigkeitsjubiläum

Gestern, am hundertsten Jahrestag der afghanischen Unabhängigkeit vom britischen Empire, gab es gleich 14 Terroranschläge. Sie geschahen allerdings alle in derselben Stadt: in der nordostafghanischen Metropole Dschalalabad. Ebenfalls ungewöhnlich ist, dass es bei diesen Explosionen von "unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen in verschiedenen Teilen der Stadt" zwar über 120 Verletzte, aber keine Toten gab, obwohl die Anschläge dem Provinzregierungssprecher Attaullah Chogyani nach auf Plätze zielten, an denen das runde Unabhängigkeitsjubiläum öffentlich gefeiert wurde.

Mindestens 63 Tote bei Schiitenhochzeit

Ganz anders verlief ein Anschlag am Samstag, bei dem ein Selbstmordattentäter in der afghanischen Hauptstadt Kabul 63 Besucher einer schiitischen Hochzeit mit etwa 1.200 Gästen umbrachte. Weil es dem afghanischen Innenministeriumssprecher Nasrat Rahimi nach darüber hinaus 182 Verletzte gab, könnten in den nächsten Tagen und Wochen noch einige dazukommen.

Zu dieser Tat bekannten sich jedoch nicht die sunnitischen Taliban (die Ende der 1990er Massaker an schiitischen Hazara verübten), sondern die ebenfalls sunnitische Terrorgruppe Islamischer Staat (IS). Sie lehnt Schiiten mindestens ebenso sehr ab, wie die Taliban das tun, ist aber auch mit letzteren verfeindet (vgl. Afghanistan: Kalifatsterroristen gegen Taliban).

1082 tote Soldaten, Polizisten und Zivilisten bei bislang 46 Anschlägen und Angriffen 2019

Eine an der Straße aufgestellte Sprengfalle, die am selben Tag ein Fahrzeug mit zwölf Menschen auf dem Weg nach Masar-e Scharif vernichtete, war dem Provinzgouverneur von Balkh zufolge aber ein Werk der Taliban.

Sie waren auch für eine Autobombe verantwortlich, die am 7. August vor einer Polizeiwache in Kabul mindestens 14 Menschen tötete und weitere 145 verletzte. In der Bekennerbotschaft dazu hieß es, das Ziel sei ein "Rekrutierungszentrum des Feindes" gewesen - eine in der Nähe der Wache gelegene Militärschule. Insgesamt kamen 2019 bei 46 Anschlägen und Angriffen in Afghanistan 1082 Soldaten, Polizisten und Zivilisten ums Leben. Nur sechs dieser Anschläge und Angriffen verübte sicher oder wahrscheinlich der IS - der Rest geht auf das Konto der Taliban.

Dafür gab es 2019 bislang keinen Anschlag in den USA, der in Afghanistan ausgeheckt oder von dort aus gesteuert wurde. Solche Anschläge waren 2001 der Anlass dafür, dass die USA die Herrschaft der Taliban in Afghanistan beendeten. Die paschtunischen Islamisten hatten nämlich Ende der 1990er und Anfang der Nullerjahre dem Saudi Osama bin Laden Unterschlupf gewährt, als dessen al-Qaida Attacken auf das World Trade Center und das Pentagon plante.

Neue Massaker?

Wird in Doha tatsächlich eine Einigung erzielt, könnte diese so aussehen, dass die Taliban den Amerikanern versprechen, keinen Terroristen mit außerafghanischen Anschlagsambitionen Unterschlupf zu gewähren, wenn die Amerikaner und deren europäische Verbündete ihre Truppen abziehen (vgl. Trump: Afghanistan ist immer noch ein "Harvard für Terroristen"). Allerdings bezweifeln manche US-Akteure, dass sich die Taliban an solche Versprechen halten werden (vgl. Afghanistan: Wie lange bleibt Trump beim Exit-Plan?).

Eine weitere Schwierigkeit bei den Gesprächen ist, dass sich die Taliban weigern, mit der von den Amerikanern anerkannten afghanischen Regierung des Präsidenten Ashraf Ghani zu sprechen. Der ist zwar Paschtune, vertritt aber indirekt auch die Interessen der weniger talibangeneigten persischsprachigen Bevölkerungsgruppen wie der Tadschiken und der schiitischen Hazara, die bei einer erneuten Machtübernahme der paschtunischen Dschihadisten erneute Massaker befürchten (vgl. Afghanistan: Flucht von tausenden Hazara).

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