(Vermummte) Nazis raus!

"Autonome Nationalisten" lieben den Nationalsozialismus und meinen doch auch: "Fuck Authority". Die NPD mag diese "Anarchisten" gar nicht (mehr)

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Seit Herbst 2004 wächst die „Volksfront von rechts“, und NPD-Chef Udo Voigt hat es galant geschafft, die bürgerlich-miefige DVU sowie die radikalen und zur Militanz neigenden „Freien Kameradschaften“ an einen Tisch zu bekommen. Das Lager der „nationalen Sozialisten“ expandierte. Aussagen von NPD-Oberen nahmen an Radikalität zu und manche Rede klang schon so, als übernehme die NPD bald die Macht im „Reichstag“. Doch nun rumort es im Volksfront-Haus, denn die Gruppe der „Autonomen Nationalisten“ gibt sich störrisch. Diese Neonazis stellen die „Systemfrage“ radikal offen und halten von der bürgerlichen Maskerade der NPD wenig. Solche „anarchistische[n] Erscheinungsformen“ will die NPD in ihren Reihen aber nicht mehr dulden.

Auslöser für den rhetorischen Kleinkrieg zwischen „autonomen“ und bürgerlichen Neonazis war ein Aufmarsch am 7. Juli in Frankfurt. Als an jenem Sonnabend rund 700 Neonazis im „Jerusalem am Main“ (Hessens NPD-Chef Marcel Wöll) aufmarschierten, um gegen Kapitalismus und Globalisierung zu demonstrieren, bildeten etwa 200 Teilnehmer des Aufmarsches einen „Black Bloc“. Zwar hatte es zuvor schon solche von den Linksautonomen abgeschauten „Schwarzen Blöcke“ bei rechten Aufmärschen gegeben, doch das geballte Auftreten war in dieser Art neu. Und die oft als elitär geltende und gelegentlich spöttisch von anderen Neonazis in Anlehnung an die SS „Schwarze Garde“ genannte Gruppe wollte auch in Frankfurt ihr Ding durchziehen. Es kam zu Rangeleien mit NPD-Ordnern, als diese versuchten, polizeiliche Auflagen wie das Vermummungsverbot durchzusetzen.

Nach dem Aufmarsch entbrannte zwischen „Autonomen“ und NPD der noch andauernde Streit. Inoffiziell hieß es dazu in Szeneforen, die NPD-Ordner seien „Polizei-Vasallen“ und die Partei fahre eine „pseudo-bürgerliche schmuseschiene“. Den „Autonomen“, die mit ihrem Megaphon gegen den Lautsprecherwagen der NPD anpolterten, wurde vorgeworfen, auf einer NPD-Demonstration „Scheiß NPD“ geschrieen zu haben. Aber auch über offizielle Stellungnahmen trug man den Streit aus. Unter dem Label der „Nationalen Sozialisten – Rhein/Ruhr“ wurde etwa über „wildgewordene [NPD-]Ordner“ geschimpft, die zu „Hilfssheriffs“ und „besonders engagierten Hilfspolizisten“ geworden seien. Und: „Bei Angriffen durch Antifaschisten werden wir auch in Zukunft [...] angemessene Gegenwehr leisten! Rechtswidrigen Anordnungen grün/weißer Systembüttel werden wir keinerlei Folge leisten! Bei Polizeigewalt werden wir von unserem Notwehrrecht Gebrauch machen!“

Nachdem zuvor schon Wöll als Anmelder besagten Aufmarsches eine jene Kritik widerlegende Klarstellung abgegeben hatte, folgte Mitte August die Stellungnahme Unsere Fahnen sind schwarz - unsere Blöcke nicht! von Seiten des NPD-Parteipräsidiums. In dem Text heißt es, dass die NPD keinen „Schwarzen Block“ mehr bei ihren Aufmärschen dulden werde. Man sei von NPD-Seiten nicht bereit, sich „diesem politischen Zeitgeistphänomen anzupassen“, und man spreche sich „in aller Deutlichkeit gegen derartige anarchistische Erscheinungsformen aus“.

Bezeichnend an der Stellungnahme ist indes das, was nur zwischen den Zeilen durchschimmert: Nicht die politische Radikalität und das fast offene Auftreten als Nationalsozialisten kreidet die NPD den „Autonomen“ an, sondern schlicht deren Äußeres. Die NPD wolle ordentlich auftreten um die „Herzen“ der Bürger zu gewinnen, heißt es. Mit „schwarz vermummten Menschen“ in den eigenen Reihen gehe dies nicht. Das „auf außenstehende Betrachter beängstigende und damit abstoßende Äußere ist nach unserer Auffassung kein Ausdruck revolutionären Handelns“, schreibt die NPD weiter und verweist darauf, dass wegen linksautonomer Randale wie in Rostock selbst „Nationalisten“, die vermummt auftreten, von den Bürgern als Gefahr angesehen würden. „Wer eine Demonstration mit einem Faschingsball verwechselt, soll ihr lieber fernbleiben“, stellt das NPD-Präsidium fest.

Anfangs war jenes Papier offenbar nur für den internen Gebrauch bestimmt. NPD-kritische Webforen und Portale veröffentlichten es jedoch schon am 16. August noch vor der Partei. Rechtsextremismus-Experten und selbst manches rechte Portal veröffentlichten den Text oder Zitate zuerst nur unter dem Vorbehalt, dass die Authentizität noch nicht ganz belegt sei. Dennoch diskutierte man in den Internet-Foren der Braunszene schon wild über die NPD-Stellungnahme. In einem Forum wurde angesichts dessen, dass viele „Freie Kräfte“ unterdessen den „Kameradschaften“ den Rücken kehrten und „Autonome“ geworden seien, schon die Frage gestellt, ob überhaupt noch „Großaufmärsche“ der Braunszene möglich seien, wenn die NPD die „Schwarzen“ ausschließe.

Schließlich bestätigte dann NPD-Generalsekretär Peter Marx am 17. August ausgerechnet dem NPD-kritischen Blog des tagesschau.de-Experten Patrick Gensing die Echtheit des Papiers, das die Partei trotz anderer Datierung erst am 17. August auf ihrer Homepage online stellte. Marx ging aber noch weiter. Bei den „Autonomen Nationalisten“ handele es sich um eine kleine Gruppe, die durch staatliche Institutionen gefördert werde, sagte der NPD-Obere und meinte damit eigentlich zwischen den Zeilen: es seien Agents Provocateurs, die das „nationale Lager“ in Misskredit bringen sollten.

"Autonome Nationalisten" plädieren für "optischen Pluralismus"

Seit Jahren tummeln sich in der rechtsextremen Szene „Autonome Nationalisten“, die zwar für einen „nationalen Sozialismus“ kämpfen wollen, zugleich aber Probleme haben, Autoritäten anzuerkennen. „Revolution now“ oder „Fuck Authority“ ist auf ihren Stickern oder Transparenten zu lesen. Viele „Autonome“ tragen auch Aufnäher oder Sticker mit roten und schwarzen Flaggen, bekannt aus der Antifabewegung. Statt „Antifaschistische Aktion“ ist neben den Fahnen indes „Nationale Sozialisten – Bundesweite Aktion“ zu lesen. „Organisierter Wille braucht keine Partei! Nationaler Sozialismus voran!“ heißt es in ihren Pamphleten.

Die „Autonomen“ sowie deren „Black Blocs“ inmitten von Aufmärschen wirken auf den ersten Blick tatsächlich wie Linksautonome: Kapuzenpullis oder –jacken, Basecaps, Lederhandschuhe, Sonnebrillen, schwarze Kleidung, die nach dem Vorbild der Linksautonomen ein einheitliches und martialisches Bild abgeben. „Autonome“ sind gepierct und mancher von ihnen trägt gar unter seiner Kapuze oder Mütze einen Irokesen-Haarschnitt. Während die „Autonomen“ selbst davon fabulieren, die radikale Sperrspitze der „nationalen Bewegung“ zu sein, nennt sie ein gestandener Rechtsrocker und Neonazi-Glatzkopf in einem Forum schlicht „antifaklons“.

Längst sind die Diskussionen rund um die Vorwürfe der NPD völlig unübersichtlich geworden, manchmal kamen in wenigen Tagen hunderte Postings in Foren-Threads zusammen. Und unterdessen haben sich auch verschiedene Gruppierungen und Vertreter der Braunszene zu Wort gemeldet. Vorreiter waren dabei schon am 17. August die im Netzwerk der Braunszene noch eher unbedeutenden „Freien Nationalisten Neuss“, die etwa entgegen der NPD für einen „optische[n] Pluralismus“ plädierten und daran erinnerten, dass man Jugendliche in Aufmärschen als „Autonome“ oder „Metal-Head oder [...] locker gekleidete[r] Skater“ viel eher anspreche als im bürgerlichen Schick der NPD. „Das solltet Ihr Parteipräsidiumsmitglieder mal raffen!“, moserte das „Autorenkollektiv linker Niederrhein“.

Und auch das „Aktionsbüro Norddeutschland“, eine der wichtigsten Gruppierungen und Organe der „Freien“, schimpfte über die „Tradition [zur Ausgrenzungspolitik] in [den] reaktionären Führungszirkeln der NPD“. Weder besagtes „Aktionsbüro“, noch der unterdessen auch bundesweit immer einflussreicher werdende Düsseldorfer Neonazi-Kader Sven Skoda hielten etwas von dem Vorwurf, man habe beim verhassten „System“ angeheuert. Vielmehr vertrete die NPD wie Jahre zuvor keinen „systemalternativen Politikansatz“ mehr, schimpfte der bekennende „Freie“ in einer Stellungnahme zum „Stimmungsbild parteifreier Kräfte aus dem Westen“. Skoda schimpft gar, die NPD glaube offenbar, vom „System“ etwas „geschenkt“ zu erhalten, wenn sie sich „stets freundlich und devot gebeugt“ zeige. Doch wer das denke sei „bereits soweit in diesem System angekommen, daß er selbst Teil des Problems geworden ist“. Da müsse die NPD sich nicht „wundern“, wenn sie künftig „auch so behandelt“ werde, drohte Skoda gar den „Kameraden“.