Vernetzte Märkte: Die Risiken für das deutsche Gesundheitssystem

Seite 2: Reißende Lieferketten, unattraktives Deutschland

Lieferketten können reißen, wie das Beispiel Indien zeigt. Hier hatte die Regierung den Export bestimmter Grundstoffe für Medikamente untersagt, um den Eigenbedarf zu sichern. Auch die chinesische Coronapolitik, die der Gesundheit der Bürger eine größere Bedeutung beimaß als dem Wirtschaftswachstum, hat zu einem Bruch der Lieferketten geführt.

Das hat dazu beigetragen, dass in Deutschland bestimmte Medikamente nicht mehr erhältlich sind. Aktuell sind etwa 300 Medikamente oder Anwendungen als nicht verfügbar registriert.

Das Problem lässt sich anhand des Schmerzmittels Paracetamol darstellen. Weltweit gibt es nur noch einen Hersteller für dieses Medikament und nur ein Land, in dem es produziert wird: die Volksrepublik China. Die Versorgung Deutschlands mit Paracetamol ist direkt abhängig von der Politik der Regierung in Peking.

Die Bundesrepublik scheidet allerdings als Markt aus, wenn der Absatz von Medikamenten wirtschaftlich nicht mehr darstellbar ist – und das könnte sich in Zukunft häufen. Gründe dafür liegen auch in der Gesundheitspolitik der Bundesregierung.

Um mögliche Preissteigerungen bei Medikamenten zu verhindern und die Finanzen der gesetzlichen Krankenkassen zu sichern, hat die Bundesregierung den Arzneimittel-Herstellerabschlag für 2023 erhöht und das Preismoratorium für Arzneimittel bis Ende 2026 verlängert.

Das könnte allerdings dazu führen, dass die Verkaufspreise in Deutschland für Hersteller nicht mehr attraktiv sind. Patienten müssen deshalb mit Lieferengpässen rechnen, wie im Fall des Brustkrebsmedikaments Tamoxifen.

Die Situation könnte auch an anderer Stelle verschlimmert werden: bei den Apotheken. Die Inflation treibt einmal die Kosten in die Höhe. Diese können sie dann aber wegen des Preismoratoriums nicht an die Kunden weitergeben. Dass sie wohl auf den inflationsbedingten Kostensteigerungen sitzen bleiben, ist eine weitere Folge der deutschen Politik.

Smartphones und Festplatten kommen aus China oder Thailand

Ein weiteres Risiko für das Gesundheitswesen liegt in der Digitalisierung, bei der Deutschland ebenfalls stark vom Weltmarkt abhängig ist.

Für die Digitalisierung benötigt der Anwender etwa ein internetfähiges Smartphone. Die Entwicklung und Produktion dieser Geräte findet inzwischen fast ausschließlich in Fernost statt, wobei praktisch alle in Deutschland vermarkteten Geräte aus China stammen oder in Deutschland aus chinesischen Komponenten endmontiert werden.

Von der Foxconn-Tochter Sharp in Japan produzierte Smartphones sind im Vertrieb auf den dortigen Markt begrenzt. Vergleichbares gilt für die Samsung-Smartphones und den koreanischen Markt.

Ein vom Endverbraucher kaum beachtete Element der Digitalisierung sind die stromfressenden Serverfarmen, die heute schon einen höheren Anteil am Weltenergiebedarf haben als der gesamte Luftverkehr.

Ein unvermeidbarer Bestandteil der Serverfarmen sind Festplatten, die in regelmäßigen Abständen ausgetauscht werden müssen, um die Daten zu erhalten. Neben der japanischen Firma Toshiba, die sich auf 2,5-Zoll-Platten konzentriert, dominieren die beiden aus den USA stammenden Hersteller Seagate und Western Digital inzwischen den Festplattenmarkt.

Die Produktion dieser Festplatten teilen sich heute das Königreich Thailand und die Volksrepublik China. Länder wie Malaysia haben heute kaum noch Anteil an der Endfertigung. Eine Flut wie vor etwa zehn Jahren in Thailand zeigte schon damals, wie verletzlich die Lieferketten sind und wie schnell die Preise für knappe Güter steigen.

Rückverlagerung der Produktion statt Innovation?

Wenn jetzt die Politik fordert, dass die Herstellung wichtiger Produkte wieder zumindest in die EU verlagert werden sollte, müssen diese Forderungen auch durch die dafür benötigten finanziellen Mittel unterstützt werden. Und gleichzeitig sollten jedoch auch für die Entwicklung von Innovationen Mittel bereitgestellt werden.

Da die künftigen Innovationen weniger im aktuellen öffentlichen Interesse stehen als die Inflation und die zeitweise Unterbrechung der Lieferketten, setzt die deutsche Politik derzeit Zeichen, die jetzt die Gemüter beruhigen sollen, dem Wirtschaftsstandort Deutschland jedoch schon mittelfristig auf die Füße fallen werden. So beschloss der Haushaltsausschuss des Bundestags für 2023 weitere Kürzung des Budgets für die industrielle Gemeinschaftsforschung des deutschen Mittelstandes.

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