Verteilung rechter Gratis-CD bundesweit strafbar
Amtsgericht Halle ermöglicht bundesweit Beschlagnahmungen der CD "Anpassung ist Feigheit - Lieder aus dem Untergrund"
Falls Neonazis tatsächlich noch mit dem "Projekt Schulhof" an die Öffentlichkeit gehen und Schüler und Jugendliche mit Gratis-Rechtsrock-CDs ködern wollen, könnten sie strafrechtlich belangt werden. Die "Mitteldeutsche Zeitung" berichtet, dass das Amtsgericht Halle (Saale) am Donnerstag festgestellt habe, Inhalte der CD "Anpassung ist Feigheit - Lieder aus dem Untergrund" seien "offenkundig schwer jugendgefährdend". Aus diesem Grund sei ein bundesweit gültiger Beschlagnahmebeschluss erlassen worden. Handel oder Gratisabgabe könne nun mit Haftstrafen von bis zu einem Jahr geahndet werden.
Dass gerade das sachsen-anhaltinische Gericht nach vielfachen Warnungen verschiedener Innenminister (vgl. Rechtsrock-Propaganda im Umfeld von Schulen?) nun rasch einen Beschluss getroffen hat, könnte daran liegen, dass in Sachsen-Anhalt bald die Sommerferien enden. Die Behörden rechnen Anfang des neuen Schuljahres mit der Verteilaktion, denn Ermittlern des Magdeburger Landeskriminalamts sind Medienberichten zufolge bei einer Razzia "exakt quittierte Lieferscheine" in die Hände gefallen. Sie belegten, dass 50.000 CDs an Verteiler in Sachsen-Anhalt geliefert worden seien. Aufgefunden wurden die CDs bislang noch nicht, zudem sind noch keine Fälle öffentlich geworden, dass bisher überhaupt CDs verteilt worden sind.
Bei der wahlweise "Projekt Schulhof" oder "Aktion Schulhof" genannten Propagandaaktion will ein Bündnis aus rechten Kameradschaften und Firmen Jugendliche vor Schulen und Jugendtreffs ködern. Dazu wollen Rechtsextremisten gratis die CD "Anpassung ist Feigheit - Lieder aus dem Untergrund" mit Kontaktadressen zur Szene, Multimediaelementen und Songs bekannter Rechtsrock-Bands verteilen. Gerade rechte Rockmusik dient der Szene als effektivste Anwerbemöglichkeit und "spannende Erlebniswelt" für Jugendliche. Behörden und Jugendforscher warnen daher seit langem, diese Musik sei für Kinder und Jugendliche quasi die "Einstiegsdroge" in die Szene.
Unterschiedlich bewerteten die Landesinnenministerien bisher die Inhalte der CD. Bislang wurde davon ausgegangen, das sie dank vorheriger Überprüfung durch Anwälte aus der Naziszene keinen Anlass für das Einschreiten der Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden bietet. Erst kürzlich titelte daher die in Nordrhein-Westfalen erscheinende Neue Westfälische Nazi-CD darf an Schüler verteilt werden. Dem Bericht zufolge hatten Staatsanwälte in Dortmund, Köln und Düsseldorf die CD geprüft und festgestellt, die Texte auf der CD seien strafrechtlich nicht zu beanstanden. Nun aber, kommentiert die "Mitteldeutsche Zeitung" lokalpatriotisch, stelle sich Sachsen-Anhalt und das Amtgericht Halle mit dem Beschlagnahmebeschluss "bundesweit an die Spitze derer, die eine starke Gefährdung junger Menschen nicht länger hinnehmen wollen."
Die Medienberichte der letzten Wochen über die PR-Aktion hat derweil auch unter Rechtextremen zu kontroversen Diskussionen geführt. In manchem Internetforum und auf einzelnen Homepages bekennen sich Neonazis dazu, das Projekt zu unterstützen oder es gut zu heißen. Die NPD teilte sogar am 20. Juli vollmundig mit, derzeit "werden (schon) zehntausende kostenlose Exemplare (der CD; mk) verteilt". Den Behörden, die das verhindern wollen, warf die rechtsextreme Partei selbst "Verletzung diverser Gesetze" im Kampf gegen die Verteilaktion vor. Andere Gesetzesverstöße witterte mancher, nämlich Betrugsdelikte unter "Kameraden". Zur Produktion der CD seien Spenden geflossen, erschienen sei bislang aber nichts, wurde daher auf Homepages angemerkt.
Und auch Verschwörungstheorien waren zu finden - etwa jene, dass Verfassungsschützer und Bildungsträger eine Medienkampagne über eine nicht existierende CD losgetreten hätten, um ihre Aufklärungskampagnen gegen Rechtsrock einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen.