Vertrauensverlust in Medien: So streitet die Journalistik darüber
- Vertrauensverlust in Medien: So streitet die Journalistik darüber
- Üben alternative Medien nur "fundamentale Systemkritik"
- Warum können alternative Medien keine Bereicherung sein?
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Debatte über „das Elend der Medien“ und über „alternative Medienkritik“. Können Medienschaffende und -forschende auch anders? (Teil 1)
Die großartige Komödie "Wir können auch anders" von Detlev Buck aus dem Jahr 1993 u.a. mit Sophie Rois und Joachim Krol zeigt markante Umbrüche, in dem Fall im Osten Deutschlands kurz nach der Wende. Umbrüche sind auch das Thema einer aktuellen, sehr scharf geführten Debatte über andere, ja „alternative“ Arten von Kritik gegenüber Medien und Journalismus.
Einer der prominentesten Journalistik-Wissenschaftler hierzulande, Siegfried Weischenberg, hat in der Zeitschrift für Journalismusforschung Journalistik Ende 2021 einen Aufsatz veröffentlicht unter dem Titel "Wie groß ist das 'Elend der Medien'?". Der Titel bezieht sich auf ein Buch ähnlichen Namens der Forscher Michael Meyen und Alexis von Mirbach.
Debatten drehen sich seither darum, was Weischenberg "alternative Medienkritik" oder insbesondere "alternative Journalismus-Kritik" nennt. Mit "alternativen Medien" sind dabei neben Büchern auch aktuelle Medien wie die Nachdenkseiten, Rubikon, Multipolar, Hintergrund und andere gemeint, in denen auch entsprechende "alternative" Kritik zu finden ist – allerdings (was Weischenberg kaum thematisiert) nicht zuletzt sowohl gegenüber etablierten als auch gegenüber anderen Medien.
Er bezieht seinen Text vor allem auf Buchautoren oder -herausgeber wie Jens Wernicke, Marcus Klöckner und Michael Meyen. Ich wiederum, als Autor dieses Textes, weiß mich seit dessen Entstehen ca. im Jahr 2017 dem "Netzwerk Kritische Kommunikationswissenschaft" kollegial verbunden, aus dessen Kreisen einige Rückmeldungen zu Weischenbergs Text erfolgten (siehe unten).
Weischenberg behauptet zu Beginn, "niemals" sei der Journalismus in Deutschland so hart attackiert worden wie in zahlreichen Publikationen einer "alternativen" Medienkritik (er kürzt sie ab mit "AMK"), die in den vergangenen Jahren und nun vor allem im Corona-Kontext an Bedeutung gewonnen habe.
"Niemals" ist hier – als absoluter Ausdruck – schon deshalb fragwürdig, weil Weischenberg wahrscheinlich wissen dürfte, wie "hart" zum Beispiel Karl Marx die Presse in Deutschland seinerzeit kritisiert hat.
Diese erste Kritik an Weischenbergs Aufsatz betrifft kein unwichtiges Detail, weil genau das einer der Kritikpunkte Weischenbergs an der von ihm so genannten "alternativen Medienkritik" scheint: Dass jene zu sehr auf "Zuspitzung" und "Aufmerksamkeit" setze und zu wenig differenziere.
Die AMK-Protagonist:innen entwerfen laut Weischenberg ein "apokalyptisches Manipulationsszenario", welches keinen (sic!) Platz lasse "für Reformen, sondern ein völlig neues Medien- und Kommunikationssystem" favorisiere – "wenn nicht sogar eine ganz andere Gesellschaft".
Erkennbar teilt Weischenberg diese beiden letzteren, von ihm behaupteten Aspekte nicht. Stattdessen fällt ihm mit Blick auf AMK-Akteurinnen und -Akteure nicht nur "eine", sondern sogar "die Nähe zu Protagonisten auf, die der Szene der "Verschwörungstheoretiker" zugerechnet werden" – von wem auch immer.
Zusammengefasst lautet ein Hauptvorwurf Weischenbergs in Richtung der von ihm so genannten "AMK", dass "auch sie im Rudel die Selbstreferenz" pflege. Sie sei "einseitig, eindeutig, kompromisslos und auch aggressiv" (S.200, 207). Weischenberg scheint sich erheblich zu stören am von ihm seitens der "AMK" wahrgenommenen "Generalvorwurf der Propaganda" gegenüber vielen etablierten Medien. Bemerkenswert, dass dieser Aufsatz vor dem Beginn des Ukraine-Krieges und der darauf bezogenen Berichterstattung erschien.