Vertrauensverlust in Medien: So streitet die Journalistik darüber
Seite 3: Warum können alternative Medien keine Bereicherung sein?
- Vertrauensverlust in Medien: So streitet die Journalistik darüber
- Üben alternative Medien nur "fundamentale Systemkritik"
- Warum können alternative Medien keine Bereicherung sein?
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Drei Punkte aus meiner Sicht dazu:
1. Erstaunlich, dass Weischenberg kaum auf die Idee zu kommen scheint, die "AMK" im Sinne von Medienvielfalt und Wissenschaftsvielfalt (auch) als Bereicherung, Herausforderung und Ergänzung hinsichtlich etablierter Angebote zu sehen.
2. Ebenso erstaunlich, dass er sich weder bei alternativen Medien noch bei der "AMK" ernsthaft fragen mag, warum diese entstanden und relativ erfolgreich sind – dafür könnte es ja jeweils soziale Bedingungen oder Ursachen geben, im Sinne eines Resonanzbodens, von Reaktionen auf etwaige Defizite etablierter Angebote oder eben – als gesellschaftlich vermittelte Bedürfnisse und Interessen an neuartigen Offerten.
3. Schließlich bemerkenswert, dass er aus seiner (bestenfalls) Reform-Perspektive wenig offen scheint, weitergehende Transformations-Perspektiven zumindest sachlich zur Kenntnis zu nehmen, weder mit Blick auf Medien, auf Wissenschaften noch bezüglich der gesamten Gesellschaft, einschließlich ihrer Wirtschaftsordnung.
Einer der von Siegfried Weischenberg kritisierten Autoren ist Michael Meyen, seit 2002 Professor für Kommunikationswissenschaft in München. Er hat in einem Blog-Beitrag auf manche Vorwürfe reagiert.
Meyens Text beginnt mit dem Satz: "Sprachliche 'Abrüstung' wünscht sich Siegfried Weischenberg (…) von einer Textgattung, die er mit dem Stempel 'Alternative Medienkritik' aus der Wissenschaft verbannen möchte." Wieder gehe es (Weischenberg) aber "eher um Sichtbarkeit und Kontaktschuld als um Inhalte". Weischenberg habe ihn, Meyen, 2019 in einer Festrede als "akademischen Wutbürger" beschimpft.
Meyen schreibt, die Rufe nach Abrüstung kämen "an der Universität genau wie in der großen Politik in der Regel von denen, die bis an die Zähne bewaffnet sind und sich die Welt nur als ewiges Ringen um Vorherrschaft vorstellen" könnten. Was Weischenbergs Vorwurf angeht, Autoren wie Meyen bezögen sich unkritisch auf Noam Chomskys Propaganda-Modell, argumentiert Meyen, er habe in seinem Buch Die Propaganda-Matrix ausführlich gezeigt, warum er Chomskys Modell sogar "nicht für hilfreich" halte: "In Kurzform: deterministisch, zu eng, zu schlicht".
Weischenbergs Etikett "Alternative Medienkritik" bleibe vage, sei jedenfalls kaum ein definierter Begriff. Weischenberg arbeite sich an vier Büchern ab, zwei davon (auch) von Meyen. Weischenberg mache aus dem Buch Das Elend der Medien "einen Beitrag zur AMK" und werfe das Meyen-Buch zur Propaganda-Matrix "gleich mit in das Kröpfchen, ohne sich mit den Inhalten auseinanderzusetzen."
Mit dem Buch Das Elend der Medien hätten Alexis von Mirbach und er, Meyen, wissen wollen, woher die Medienkritik komme, im Sinne eines offenbar gesunkenen und weiter sinkenden Vertrauens in etablierte Medien.
Das wichtigste Ergebnis jenes Buches habe Weischenberg unterschlagen, schreibt Meyen. Jenes Fazit laute: "Der Desinformation-Frame, mit dem Politik, Medienforschung und der Machtpol des journalistischen Feldes das 'Elend der Medien' erklären", zerschellte an der Wirklichkeit. Der im Mainstream vielbeschworene "Desinformation-Frame" sei vor allem Ideologie – "als eine Sicht auf die Welt, die von einer bestimmten Gruppe getragen" werde und diesen privilegierten Gruppen vor allem dazu diene, "die eigenen Pfründe zu verteidigen".
Meyen hält dagegen: Zuerst sei bei Menschen, die etablierten Medien weniger, kaum noch oder gar nicht mehr trauten, die Skepsis da. Erst dann komme "das Internet" (also hier die Nutzung anderer Medien und Plattformen für Information und Meinungsbildung).
Meyens Fazit mit Blick auf Weischenbergs Artikel: Er, Meyen, fühle sich eher als von angeblich aggressiven Alternativ-Medien "von einer Fachkultur bedroht", welche die inhaltliche Auseinandersetzung durch Angriffe auf die Person und durch Zerrbilder ersetze.
Im zweiten Teil geht es unter anderem darum, wie emanzipatorische Kritik an Medien und Journalismus entwickelt werden kann.