Viele alte Menschen sind chronisch einsam
Eine britische Organisation spricht von einer "Einsamkeitsepidemie", die mit der älter werdenden Gesellschaft schnell zunehme
Im Alter verbreitet sich Einsamkeit besonders stark. Das ist bedingt durch die Lebensweise, etwa durch den Zerfall der Familien und das Leben als Single. In Großbritannien ist die 2011 gegründete Campaign to End Loneliness angetreten, um auf die Entwicklung hinzuweisen. Im Land sollen bereits 1,2 Millionen Rentner chronisch einsam sein. Eine halbe Million älterer Menschen soll mindestens 5-6 Tage in der Woche verbringen, ohne einen anderen Menschen zu sehen oder zu sprechen. 51 Prozent der Menschen über 75 Jahre leben allein. Zwei Fünftel der älteren Menschen (3,9 Millionen) sagen, der Fernseher sei ihre wichtigste Gesellschaft.
Nach einer Umfrage ist den Briten dieses Schicksal für das Alter auch bewusst, dass mit dem Herausfallen aus der Arbeitswelt die Einsamkeit wächst. 89 Prozent gehen davon aus, dass Einsamkeit im höheren Alter immer wahrscheinlicher wird, bei den Über-65-Jährigen sagen dies 93 Prozent.
In einer Gesellschaft einsam zu sein, in der Kommunikation und soziale Netzwerke alles zu sein scheinen, ist schwer. 76 Prozent der von der Kampagne befragten Rentner sagen, ihnen würde es schwer fallen zuzugeben, einsam zu sein, weil sie niemanden zur Last fallen wollen. Für 56 Prozent aller Befragten ist klar, dass es schwierig ist, sich als einsamer Mensch zu erkennen zu geben. Das Stigma Einsamkeit würde Millionen von älteren Menschen isolieren, so die Organisation, die von einer "Einsamkeitsepidemie" spricht.
Allerdings betrifft die Erfahrung von Einsamkeit natürlich nicht nur alte Menschen, bei denen sie schnell chronisch werden kann. 63 Prozent aller erwachsenen Briten sagten in der Umfrage, sie hätten unter Einsamkeit gelitten, davon ein Viertel für Monate oder länger. Und ein Viertel der Befragten über 45 Jahre ist pessimistisch oder realistisch und geht davon aus, dass Einsamkeit ein unvermeidbarer Aspekt des Älterwerdens sei.
Laura Alcock-Ferguson, die Geschäftsführerin von Campaign to End Loneliness, versucht die Befunde natürlich möglichst dramatisch darzustellen: "Mit unserer alternden Bevölkerung wächst die Epidemie der Einsamkeit schnell. Die Tatsache, dass über drei Viertel der alten Menschen nicht zugeben wollen, sich einsam zu fühlen, ist sehr beunruhigend. Die gesundheitlichen Folgen der Einsamkeit sind schwerwiegend. Sie sind schlimmer als Fettleibigkeit und so schlecht für jeden, als würde man täglich 15 Zigaretten rauchen." (Siehe auch: Chronische Einsamkeit erhöht das Risiko eines vorzeitigen Todes stärker als Fettleibigkeit)
Da es mittlerweile zum Usus gehört, stets auf die ökonomischen Folgen hinzuweisen und mit Kostenersparnissen für Veränderungen zu werben, fehlt dies auch hier nicht. Die Organisation hat eine Studie bei Wissenschaftler der London School of Economics (LSE) in Auftrag gegeben, nach der sich die Investition in die Bekämpfung der Einsamkeit rentieren würde.
Für jedes Pfund, das man in wirksame Maßnahmen zur Reduzierung oder Prävention von Einsamkeit investiert, würden 3 Pfund gespart. Pro Person im Alter von über 65 Jahren, die sehr einsam ist, würden die gesellschaftlichen und medizinischen Kosten in zehn Jahren 6000 Pfund betragen. Die Menschen suchen beispielsweise häufig einen Arzt auf, nur um mit jemanden sprechen zu können. Die Studie untersucht im wesentlichen die ökonomischen Faktoren unterschiedlicher Maßnahmen.