Chronische Einsamkeit erhöht das Risiko eines vorzeitigen Todes stärker als Fettleibigkeit

Bild: David Hodgson/CC BY-2.0

Zunehmend mehr Menschen in den USA würden einsam oder isoliert leben, was deren Mortalität erhöht

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Auch in Zeiten Sozialer Netzwerke grassiert Einsamkeit. Man könnte auch einen Zusammenhang zwischen der Entwicklung Sozialer Netzwerke und einer zunehmend versingelten Lebensweise der Menschen ziehen. Je mehr familiäre und soziale Bindungen, auch durch Telearbeit, schwinden, desto wichtiger werden mediale Netzwerke.

Die Psychologin Julianne Holt-Lunstadt von der Brigham Young University hat mit ihrem Team in einer Metastudie Untersuchungen zur chronischen Einsamkeit und sozialen Isolation in den USA ausgewertet, um die gesundheitlichen Folgen zu eruieren. Sie hält fest, wie sie auf dem Jahrestreffen der American Psychological Association (APA) in Washington sagte, wo sie die Studie vorstellte, dass die Amerikaner sozial zunehmend weniger verbunden seien und mehr Einsamkeit erfahren würden.

Mit Verweis auf die vom Verband American Association of Retired Persons (AAAR) veranlasste landesweite Umfrage über Einsamkeit der Menschen über 45 Jahre (2010) ist Einsamkeit bereits weit verbreitet. Als einsam wurden hier 35 Prozent eingestuft, das wären 43 Millionen. Ältere sind danach weniger einsam als jüngere, Verheiratete sind weniger einsam als Menschen, die niemals verheiratet waren, auch Reichere sind weniger einsam als Ärmere. Nach der Statistikbehörde ist die Hälfte der Amerikaner nicht verheiratet, ein Viertel lebt alleine (Über die Hälfte der US-Amerikaner sind Singles).

"Soziale Isolation und Einzelhaft wurden als Form der Bestrafung eingesetzt"

Nach Holt-Lunstads Auswertung zahlreicher Studien erhöht chronische Einsamkeit die Mortalität. Andersherum gesagt soll das Risiko, vorzeitig zu sterben, um 50 Prozent geringer sein, wenn Menschen stärker sozial verbunden sind. Mit anderen verbunden zu sein, sei ein "fundamentales menschlichen Bedürfnis". Babys in Pflegeheimen, die in extremer Isolation leben, entwickeln sich nicht oder sterben früh: "Soziale Isolation und Einzelhaft wurden als Form der Bestrafung eingesetzt", so Holt-Lunstad. "Ein wachsender Anteil der US-Bevölkerung erfährt nun regelmäßig Isolation."

Die Auswertung weiterer 70 Studien, in die 3,4 Millionen Menschen meist aus Nordamerika einbezogen waren, zeigte, dass Einsamkeit, soziale Isolation und Alleinleben auch gesundheitlich Risikofaktoren darstellen und die Wahrscheinlichkeit eines frühzeitigen Tods signifikant erhöhen. Das Risiko sei höher als bei viele andere gesundheitlichen Risikofaktoren. So sei ein frühzeitiger Tod als Folge von Einsamkeit beispielsweise wahrscheinlicher als bei Fettleibigkeit: "Mit einer weiter alternden Gesellschaft muss man davon ausgehen, dass die gesundheitlichen Folgen zunehmen werden. Manche sagen, dass wir mit einer 'Epidemie der Einsamkeit' konfrontiert werden."

Nun werden die USA also nicht nur von einer Epidemie der Fettleibigkeit oder einer des Opioid-Missbrauchs, sondern auch angeblich von eine massenhaften Vereinsamung heimgesucht. Das hatte schon genau vor einem Jahr eine Psychologin auf dem damaligen APA-Jahrestreffen zu einem Lob des Single-Daseins motiviert. Viele Singles würden keineswegs darunter leiden, nicht in einer festen Partnerschaft zu leben. Sie würden sogar, wenn sie die Falle der Ehe meiden, eher die Erfahrung machen, kontinuierlich psychologisch zu wachsen und sich zu entwickeln als verheiratete Menschen, die sich in der Zwangsgemeinschaft gewissermaßen gehen lassen. Es herrsche nur das Stereotyp vor, dass Singles einsam und traurig seien, bzw. die Ideologie, dass Verheiratete glücklicher leben würden. Daher würden Verheiratete gepriesen, während man Singles stigmatisiere, diskriminiere und marginalisiere.