Vierergipfel beschließt Wachstumspaket

Mit 130 Milliarden Euro sollen Wachstum und Beschäftigung gefördert und eine Finanztransaktionssteuer eingeführt werden

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Vor dem EU-Gipfel in der kommenden Woche wird angesichts der Euro-Krise, die mit Spanien das viertgrößte Euroland erreicht hat, heftig getagt. Beim Vierergipfel in Rom hat man sich auf eine Wachstumspaket und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer geeinigt, auch wenn nicht alle Länder der Eurozone mitmachen. Keine Einigung gab es bei den strittigen Fragen, wie mit der Bankenkrise in Spanien und den gefährlich steigenden Refinanzierungskosten für Italien und Spanien umgegangen werden soll.

Nach dem Treffen der Finanzminister der Eurozone am Donnerstag kamen am Freitag die EU-Finanzminister in Luxemburg zusammen. Parallel dazu trafen sich die Regierungschefs der vier großen Euroländer zu einem Vierergipfel in Rom. Offiziell wollten sich der italienische Ministerpräsident Mario Monti mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem französischen Präsident François Hollande und dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy vor dem EU-Gipfel in der kommenden Woche nur austauschen. Dabei war klar, dass auf dem Tisch massive Streitfragen lagen. Es tobt ein Kampf darum, wie mit ihnen umgegangen werden soll.

Eigentlich sollten in Rom keine Entscheidungen fallen. Doch offensichtlich hat sich Hollande mit der Forderung nach einem Wachstumspakt durchgesetzt. "Wir wünschen uns ein Paket von Maßnahmen für Wachstum in der Größenordnung von einem Prozent der Wirtschaftsleistung, das sind etwa 130 Milliarden Euro", fasste Monti die Einigung zusammen. Hollande sprach lächelnd von einer "guten Summe" und einer "starken Botschaft des Wachstums". Wer habe noch vor wenigen Wochen damit gerechnet, dass die Wachstumsfrage den kommenden EU-Gipfel bestimmen werde, fügte er auf der gemeinsamen Pressekonferenz im Anschluss an das Treffen an. Es gehe jetzt darum "Arbeitsplätze zu schaffen", erklärte auch die Bundeskanzlerin mit Blick auf die extreme Arbeitslosigkeit in Ländern wie Spanien und Griechenland. "Wir tun alles, um für den Euro zu kämpfen", sagte Merkel. Eine solide Haushaltsführung und Wachstum seien aber zwei Seiten einer Medaille, war für Merkel die wichtigste Botschaft.

Einigung bestand auch darin, endlich eine Finanztransaktionssteuer einzuführen. Auch hier hatte Hollande Druck gemacht. Ohnehin hatten auch die Oppositionsparteien in Deutschland eine Zustimmung zu Merkels Fiskalpakt von einer solchen Abgabe und von einem Wachstumspakt abhängig gemacht. Und die Zustimmung der Sozialdemokraten braucht Merkel für die benötigte Mehrheit in der Frage. Deshalb fiel es ihr in diesen Fragen nicht sonderlich schwer, dem Franzosen entgegen zu kommen. "Ich freue mich auch, dass alle vier heute sagen können, wir unterstützen die Einführung einer Finanztransaktionssteuer", sagte Merkel. Die Menschen hätten den Eindruck, die Finanzmärkte seien noch nicht ausreichend beteiligt an den Kosten der Krise, obwohl sie mit der internationalen Finanzkrise begonnen habe. Nachdem man die Steuer jahrelang vor sich her schiebt, zeigt sich plötzlich, dass sie auch im kleinen Kreis von mindestens neun Ländern eingeführt werden kann. Es müssen also nicht einmal alle Euroländer mitmachen.

Pokerspiel der spanischen Regierung

Spanien hatte vor dem Treffen etwas Druck aus dem Kessel gelassen. Wirtschaftsminister Luis de Guindos kündigte in Luxemburg an, "am Montag" werde der Rettungsantrag in einem Brief mit "zwei Absätzen" gestellt. Zuvor war massiv Druck auf das Land ausgeübt worden, den Antrag nicht länger zu verzögern. Eine Rettungssumme werde nicht genannt, obwohl Prüfer den Kapitalbedarf spanischer Banken mit bis zu 62,6 Milliarden Euro angegeben haben. Glauben schenken nicht einmal die Prüfer dieser Summe, denn sie wurde auf ungeprüften Angaben der Banken errechnet.

Dass nun im Antrag keine Summe genannt wird, macht deutlich, dass Spanien zwei Wochen auf Zeit gespielt hat. Das Land hatte die Verzögerung des Antrags stets damit gerechtfertigt, eine Summe angeben zu wollen. Bis zu 100 Milliarden Euro soll Spanien zur Rekapitalisierung seiner Banken erhalten, war schon vor zwei Wochen beschlossen worden (Spanien stellt Nothilfe-Antrag). Bis zum 9. Juli würden die Bedingungen ausgehandelt, sagte der Wirtschaftsminister.

Spanien wird weiter versuchen, seine Forderungen durchzusetzen. De Guindos hatte vor dem Vierergipfel in Rom einen Streitpunkt auf die Tagesordnung des Treffens gehoben. Er behauptete, es bestehe die Möglichkeit, Banken direkt Geld aus Rettungsfonds zu finanzieren, damit das Geld nicht über den Staat geht, der dafür einstehen müsse. "Diese Option liegt schon auf dem Tisch." Dabei widerspricht dies, wie Spanien mehrfach erklärt wurde, den geltenden Verträgen zum temporären Rettungsfonds (EFSF) und zum dauerhaften Fonds (ESM), der im Juli starten soll.

Doch Rajoy tut in der Heimat so, als handele es sich bei den Rettungsmilliarden nur um einen Bankenkredit, mit dem keine Auflagen für Spanien verbunden wäre. Deshalb will er die bestehenden Verträge brechen. Morgenluft roch er nach der Schützenhilfe vom Internationalen Währungsfonds (IWF). Die IWF-Chefin Christine Lagarde forderte vor dem Treffen in Rom, "die wechselseitige negative Rückkopplung zwischen Banken und Staaten" müsse aufgebrochen werden und das Geld "ohne Umweg über die Staaten" an die Banken fließen. Damit werde die Staatsverschuldung erhöht, im Fall von Spanien um bis zu zehn Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung.

Kreative Geldpolitik

Lagarde hat Schritte einer "kreativen Geldpolitik" gefordert. So solle die Europäische Zentralbank (EZB) den niedrige Leitzins (1%) weiter senken und Staatsanleihen von betroffenen Staaten aufkaufen, um gefährlich hohe Zinsen für Spanien und Italien zu senken, die sie langfristig in den Abgrund treiben. Spanien musste im Laufe der Woche mehrfach Rekordrenditen bieten, um Staatsanleihen loszuschlagen.

Auch einen Vorschlag Montis unterstützt der IWF, den der italienische Ministerpräsident nun abgewandelt hat. Nun sollen nicht mehr die Rettungsfonds direkt Staatsanleihen kaufen, sondern die EZB solle sie in ihrem Auftrag kaufen. Der EFSF oder der ESM würden die Zentralbank vor einem Teil möglicher Verluste schützen, indem sie zum Teil für einen Ausfall garantieren. Dabei besteht längst die Möglichkeit, aus den Rettungsfonds Staatsanleihen am Sekundärmarkt zu kaufen, um die Zinsen zu senken.

Doch das müssen angeschlagene Länder wie Spanien oder Italien konkret beantragen. Damit sind, wie beim Gang unter den Rettungsschirm, Kontrollen und Auflagen verbunden. Doch wie Spanien will sich auch Italien sich denen nicht unterwerfen. Der Umweg über die EZB soll genauso die Kontrollen aushebeln, wie im Fall es bei einem direkten Aufkauf von Staatsanleihen durch Rettungsfonds der Fall wäre oder bei der direkten Bankenfinanzierung aus dem EFSF oder ESM.

Der Bundeskanzlerin hatte die Bundesbank mit auf den Weg nach Rom gegeben, Montis Vorschlag sei ein "Bruch der EU-Verträge". Es handele sich um eine "monetäre Staatsfinanzierung", weil die EZB nicht aus einer unabhängigen Position aus gelpolitischen Gründen diese Anleihen kaufe, sondern aus fiskalpolitischen Gründen, um für günstige Refinanzierung angeschlagener Länder zu sorgen. Entsprechend hatte die Financial Times Deutschland (FTD) Bundesbankkreise zitiert.

Eine Einigung gab es an den Streitfragen in Rom offenbar nicht, denn Merkel hat an diesen Punkten nicht nachgegeben. "Der EFSF oder der ESM sind Mechanismen der Solidarität, jedes Land trägt mit seinen Garantien dazu bei, dass wir einem Land in Schwierigkeiten helfen." Der spanische Staat stehe für die europäischen Steuerzahler in der Haftung, dass die Probleme in den spanischen Banken auch angegangen werden. "Haftung und Kontrolle gehören zusammen", bekräftigte die Bundeskanzlerin. Geltende Verträge müssten eingehalten werden. Damit hat sie einer direkten Finanzierung spanischer Banken aus den Rettungsfonds ebenfalls eine Abfuhr erteilt, wie sie Spanien stets fordert.

Merkel und Bundesbank wollen hart bleiben

Während Merkel in dieser Frage hart bleiben will und damit Spanien an einem Rettungsantrag als Land nicht vorbeikommen wird, kam vor dem Treffen aber auch die EZB in Frankfurt dem Land entgegen. Die Notenbank will die Anforderungen für Sicherheiten deutlich senken, die bei EZB hinterlegt werden müssen. Geplant ist, dass die EZB künftig statt Papiere mit der Durchschnittsnote "A- "nun auch Papiere mit einer Note "BBB-" akzeptiert. Das ist die letzte Stufe vor dem Ramschstatus. Das käme den spanischen Banken entgegen, die sich kaum noch am Geld an den Finanzmärkten besorgen können und von der EZB abhängig sind.

Ihre Nettoausleihungen sind im Mai auf den Rekordstand von fast 288 Milliarden Euro angeschwollen. Die spanische Notenbank beziffert den erneuten Anstieg auf 9,2 Prozent gegenüber dem Vormonat. Fast 83 % der gesamten EZB-Finanzierung in einer Höhe von gut 347 Milliarden ging an spanische Banken. Die Abhängigkeit der spanischen Institute hat sich in einem Jahr mehr als verfünffacht. Werden die Bedingungen weiter gelockert, wird die Abhängigkeit weiter zunehmen und noch stärker Risiken aus dem Immobiliensektor auf die Zentralbank verschoben.

Dass es über diese Frage auch Zoff bei der Entscheidung im EZB-Rat gegeben hatte, war berichtet worden. Inzwischen hat aber die Bundesbank ganz offen ihren Widerstand auch gegen diese Lockerungsübung gezeigt. "Wir sehen das kritisch", sagte Michael Best. Der Sprecher der Bundesbank kündigte an: " Wir werden nichts akzeptieren, was wir nicht akzeptieren müssen."