Vierte spanische Neuwahlen und wieder entscheidet Katalonien

Seite 3: "Vertrauen gibt es nicht gratis" - Gewalt und Aussichten

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Sind es erneut Opfer von Gummigeschossen oder auch von Foam?

Roger Español: Ich glaube allein von Gummigeschossen. Ich habe Kopfverletzungen von solchen Foam-Geschossen gesehen, was auch scharf zu kritisieren ist. Aber es scheint keine verlorenen Augen dadurch zu geben. Letztlich ist unser katalanischer Innenminister für alle diese Vorgänge verantwortlich, weshalb ich seinen Rücktritt fordere.

Alle Verletzten hat er zu verantworten und Miquel Buch muss durchsetzen, dass sich die Nationalpolizei und Guardia Civil hier an die Gesetze halten. Er ist der Koordinator der Einsätze. Gummigeschosse sind hier verboten und das muss er durchsetzen. Kann er das nicht, muss er zurücktreten.

Er kann kein Vertrauen in die katalanische Polizei fordern. Die gibt es nicht gratis. Sie entsteht, wenn vor allem die Sondereinsatztruppe Brimo kontrolliert und deren Übergriffe bestraft werden, da sie sich auch nicht an die Protokolle halten. Ich halte die Brimo, die für viele Verletzte verantwortlich ist, für völlig außer Kontrolle.

Es waren unsere Mossos d'Esquadra, die sich am Tag der Urteilsverkündung am Flughafen aufgeführt haben wie die spanischen Sicherheitskräfte am Referendum. Am ersten Tag gingen die Leute noch wegen der harten Urteile auf die Straße und danach auch wegen der Polizeibrutalität. Und da war die katalanische Polizei massiv am Flughafen beteiligt.

Wenn die Polizei weiter prügelt, dann werden die Proteste sich immer stärker gegen die Polizeibrutalität richten und immer weniger mit den Urteilen zu tun haben. Es sind vor allem junge Leute, die schwer genervt sind. Sie haben gesehen, wie ihre Eltern beim Referendum verprügelt wurden, nur damals von der Guardia Civil und der Nationalpolizei. Jetzt sagen einige Politiker hier: "Verurteilen wir die Gewalt, von wo auch immer sie kommt."

Dazu sage ich Nein! Man darf das Narrativ des spanischen Staates nicht einfach so kaufen. Die jungen Leute auf den Barrikaden wissen, dass nicht nur eingeschleuste Provokateure dabei sind, sondern auch welche von anderen Parteien. Doch sie wollen nicht mehr einfach der Prügelei zuschauen und sich prügeln lassen.

Besetzte Straße in Barcelona. Foto: Ralf Streck

Markieren die Vorgänge nun einen großen Unterschied zum Vorgehen der Bewegung in den letzten 10 Jahren? Mir scheint aber, dass hier von Seiten der Sicherheitskräfte alles getan wurde, um Gewaltbilder zu bekommen, wenn ich sehe, wie uniformierte Polizisten Barrikaden bauen oder Müllcontainer anzünden.

Roger Español: Für mich ist das vor allem Selbstverteidigung, wenn mit Gummigeschossen auf einen geschossen wird oder 50 Polizisten auf am Boden sitzende Menschen einprügeln, dann gibt es Leute, die Barrikaden bauen und die anzünden, um sich davor zu schützen.

Allerdings wurde das jetzt gestoppt. Es wird, auch vom katalanischen Innenminister, von einer nie dagewesenen Gewalt gesprochen. Das ist Unsinn, es gab immer wieder in Barcelona und anderen Städten heftige Straßenschlachten. Historisch gab es hier immer wieder heftige Krawalle bei Räumungen von Häusern, etc. So heftig oder heftiger als die, die wir gerade gesehen haben.

Die Mobilisierung der Massen über etliche Tage wie die Friedensmärsche zum Generalstreiktag, wo Hunderttausende nach drei Tagen nach Barcelona eingezogen sind und über Tage die Hauptverkehrsadern blockiert waren, haben nach Ansicht vieler eine neue Stufe des Widerstands markiert und weniger die brennenden Barrikaden, oder?

Roger Español: Ganz sicher. Ohnehin, ich wiederhole mich, wurde die Gewalt von der anderen Seite provoziert. Allerdings ist ihnen dann offensichtlich das ganze aus dem Ruder gelaufen, weil sie mit der Stärke der Katalanen einmal mehr nicht gerechnet haben. Wichtig ist für mich, dass diese Kraft auf der Straße nun auch in Institutionen gezeigt wird. Denn politisch ist sie bisher dort nicht abgebildet. Deshalb habe ich Bock auf diese neue Etappe.

Ich glaube, was wir als Unabhängige in JxCat machen, ist das in die Parlamentskammern zu tragen. Das ist meine Aufgabe. Geschieht das nicht, wird die Distanz zu den politischen Vertretern noch größer. Diese Trennung ist ein großer Fehler.

Wenn wir nach dem 1. Oktober gesagt haben: "Wir machen es wieder", dann geht es genau darum, uns zu vereinen und unsere Sachen umzusetzen. Und eines ist klar, die Parteien sind nun wieder etwas zusammengerückt, weil die Leute sie sonst wegspülen. Das wir wieder deutlich stärker gemeinsam an einem Strang ziehen, begrüße ich sehr.