Virus aus 5.000 künstlichen Basenpaaren in nur 14 Tagen hergestellt
Craig Venter kann mit seinem Institute for Biological Energy Alternatives wieder einen Erfolg verkünden und verspricht, in Zukunft auch weitaus komplexere Organismen bauen zu können
Wissenschaftler hatten letztes Jahr erstmals geschafft, einen Virus aus Genstücken herzustellen. Verwendet hatten sie dazu nur öffentlich zugängliche Informationen, die Genstränge bestellten sie bei einer Versandfirma. Allerdings benötigten sie für den Zusammenbau zwei Jahre. Der künstliche hergestellte Poliovirus war reproduktionsfähig und fast so gefährlich wie der natürlich vorkommende (Der erste künstlich zusammengebaute Virus). Jetzt haben amerikanische Wissenschaftler eine Methode gefunden, die künstliche Herstellung weitaus schneller auszuführen.
Künstlich hergestellte Viren sind der erste Schritt auf dem Weg, Organismen auf dem Reißbrett mit gewünschten Eigenschaften zu entwerfen. Da Viren die einfachsten Organismen sind, ist es auch am erfolgreichsten, bei diesen anzusetzen. Das von Craig Venter, der mit seiner früheren Firma Celera erfolgreich ins Wettrennen um die Entzifferung des menschlichen Genoms eingetreten war, gegründete Institute für Genomic Research (TIGR) versucht bereits seit Jahren, künstliche Organismen herzustellen (Das Minimal Genome Project).
Die Idee ist dabei durchaus cartesianisch. Das "Minimal Genome Project" soll nämlich herausfinden, welche Gene unbedingt zum Leben etwa eines Virus notwendig sind. Hätte man einen solchen genetischen Grundbauset, so könnte man womöglich mit existierendem genetischem Material beliebige Viren zusammen bauen. Gelänge es zudem noch, künstliche Gene mit neuen Eigenschaften in das Genom einzubauen, so würden sich für die Biotechnologie gewaltige Möglichkeiten eröffnen. Wie bei allen biotechnologisch produzierten Organismen wäre allerdings die Freilassung solcher Organismen mit Risiken verbunden. Auch Militärs und Terroristen hätten mit der Technik zur Herstellung von künstlichen Organismen ein gefährliches Mittel zur Hand, was auch die erfolgreiche "Montage" des Poliovirus oder die laufende Forschung an der Wiederherstellung des ausgestorbenen Virus der Spanischen Grippe deutlich vor Augen führen (US-Militärlabor forscht mit Genen des gefährlichsten Grippevirus).
Begonnen hatte Craig Venter zunächst damit, beim Einzeller Mycoplasma genitalium, einem der einfachsten Bakterien, ein Gen nach dem anderen auszuschalten, um so alles abzuspecken, was nicht lebensnotwendig ist. Weil dieses Verfahren aber keine eindeutigen Ergebnisse bietet, setzte Venter im Institute for Biological Energy Alternatives (IBEA), gefördert vom Energieministerium im Rahmen des Genomes to Life-Programms auf den umgekehrten Weg, Organismen von Grund auf aus genetischem Material zusammen zu bauen (Das kleinste Genom der Welt). Organismen mit künstlichen Genomen, nicht nur genmanipulierten, sollen beispielsweise dazu dienen, Kohlenstoffdioxid abzubauen, giftigen Abfall umzuwandeln oder Energie in Form von Wasserstoff herzustellen.
Große Möglichkeiten für die Zukunft werden beschworen
Gestern berichteten Venter und seine Kollegen, dass sie einen künstliches Virus in nur zwei Wochen aus seinen Komponenten zusammen gebaut hätten. Dabei handelt es sich um den Bacteriophagen PhiX174, dessen kreisförmiges Genom in einer Proteinhülle aus 5.368 Basenpaaren besteht. Die Wissenschaftler setzen das künstliche Genom aus kurzen, künstlich hergestellten Oligonucleotiden zusammen, die sich an ihren Enden überlappten. Mit einer neuen Methode der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) konnten sie das vollständige Chromosom in Rekordzeit herstellen. Das künstlich hergestellte Virus war in der Lage, sich fast genau so wie seine natürlichen Verwandten in das Genom von Bakterien einzubauen, sich darüber zu reproduzieren und die Wirte zu töten. Für alle anderen Organismen würden Bakteriophagen keine Gefahr darstellen, weswegen die Arbeit an diesem keine gesundheitlichen oder ethischen Probleme mit sich bringe. Allerdings greift PhiX174 das Bakterium Escherichia coli an, das im Menschen lebt.
Venter äußerte auf der Pressekonferenz im Energieministerium die Hoffnung, dass mit der entwickelten Methode auch bald sehr viel größere Genome hergestellt werden könnten. So werde man versuchen, mehrere Genomstücke aus 5.000 Basenpaaren zusammen zu bauen. Das vorläufige Ziel ist, nicht nur Viren, sondern auch ein Bakterium künstlich zu produzieren. Doch der Schritt von einem Virus zu einer Bakterie ist groß, denn dabei muss das künstlich hergestellte Genom auch in eine Zelle eingefügt werden. Viren hingegen sind einfach DNA mit einer Proteinhülle, dei nur dann zu "leben" beginnen, wenn die DNA in ein Wirtsgenom eingeschleust werden kann.
Für den Energieminister Spencer Abraham handelt sich der Erfolg um "einen spannenden wissenschaftlichen Fortschritt, der die Möglichkeiten für uns beschleunigen wird, biologisch basierte Lösungen für einige unserer größten Energie- und Umweltprobleme zu entwickeln". Abraham setzt dabei ganz auf biologisch, was grün und daher gut ist, betont allerdings auch sicherheitshalber, dass Bakteriophagen für den Menschen nicht gefährlich sind. Die von Abraham verkündete biotechnologische Vision ist letztlich, dass alles so weiter gehen kann, weil man die umweltbelastenden Auswirkungen dann durch künstliche Organismen beseitigen wird:
Mit diesem Erfolg kann man sich leichter vorstellen, dass in einer nicht weit entfernten Zukunft eine Kolonie von Mikroben, die auf bestimmte Weise hergestellt wurden, in dem Emissions-Kontrollsystem eines Kohlekraftwerks leben und die Abgase und das Kohlendioxid aufnehmen, oder dass Mikroben eingesetzt werden, um radikal die Wasserverschmutzung oder die toxischen Wirkungen radioaktiven Abfalls zu reduzieren.
Anstatt auch die Gefahren zu benennen, setzte Abrahams natürlich lieber auf die Vorteile der künstlichen Erzeugung von Mikroorganismen. Mit dieser Methode könne man etwa besser Erreger bekämpfen, die gegen Antibiotika immun seien, oder schneller Biowaffen entdecken und unschädlich machen. Genauso gut hätte man freilich sagen können, dass sich damit gefährlichere Erreger herstellen ließen. Und kaum vorstellbar ist, dass die Verwendung von künstlich zusammen gebauten reproduktionsfähigen Mikroorganismen keine Nebenfolgen auf die Umwelt und die in ihr lebenden Organismen haben wird.