Vogelgrippe versetzt Regierungen und Medien in Panik

Angeblich soll der H5N1-Virus auch durch Wildvögel über die Kontinente verbreitet werden, Belege gibt es dafür noch nicht, dafür aber eine "Eilverordnung zur Stallpflicht

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Hey Bauer, Dein Huhn hat Fieber... möchte man mit F.K. Waechter sagen, wenn man die derzeitige Medienaufregung rund um das Thema Geflügelgrippe verfolgt. Drei verschiedene Gruppen sind davon betroffen: Zum einen der große Teil der Bevölkerung, der von den vereinten Anstrengungen von Medien und Regierung in Hysterie und Panik versetzt wird. Dann die kleinere Gruppe, die bisher Geflügel artgerecht gehalten hat, nämlich ökologisch wirtschaftende Hersteller von Geflügelprodukten und Hobbyhalter. Die dritte Gruppe schließlich sind die Tiere selbst. Einerseits leiden Haustiere, denen nun ein Leben unter Bedingungen zugemutet wird, das im Gegensatz zum geltenden Tierschutzgesetz steht. Andererseits werden Aggressionen gegen ihre wild lebenden Verwandten geweckt, die bereits zu ersten Vernichtungsaktionen geführt haben.

Current WHO phase of pandemic alert

Die Vogelgrippe ist seit dem 19. Jahrhundert als Tierkrankheit bekannt. In den letzten 8 Jahren gab es in Asien etwa 120 Fälle, in denen die Krankheit auf den Menschen übertragen worden sein soll. Mehr als 60 dieser Fälle sollen tödlich verlaufen sein. Ende Oktober setzte Bundes-Verbraucherminister Trittin nun eine Eilverordnung zur Stallpflicht sowohl für gewerbliche wie auch für Hobby-Geflügelhalter in Kraft, die mit einer "geänderten Gefahrenlage" begründet wurde.

Was war passiert? Der gefährliche H5N1-Virus war auch im europäischen Teil Russlands nachgewiesen worden und von dort finde "direkter Vogelzug" nach Deutschland statt. Die Vogelgrippe habe die Region rund 300 Kilometer südlich von Moskau erreicht und war so weiter Richtung Westen "vorgedrungen". Das Gespenst einer mit jeder Wildvogelbewegung weiter vordringenden Seuche war geboren, die Zugvögel als weltweit vagabundierende Virenschleudern dingfest gemacht.

Freispruch für die Zugvögel?

Nur mit detektivischem Spürsinn konnte man eine Woche später in der Auslandspresse finden, wie die toten Vögel bei Moskau, die für die "geänderte Gefahrenlage" herhalten mussten, wirklich infiziert worden waren. Der Chef-Veterinär am Moskauer Zoo ließ am 27. Oktober in der RIA Novosti verlauten, dass nicht Vogelzug, sondern illegaler Geflügelhandel für den Vogelgrippefall verantwortlich war. Darüber hinaus habe bisher niemand nachweisen können, dass Wildvögel Überträger der Vogelgrippe sind.

Auf den Seiten des NABU war schon im September 2005 zu lesen:

Zahlreiche Organisationen und Wissenschaftler - darunter die internationale Naturschutzorganisation BirdLife und die Welternährungsorganisation (FAO) - bezweifeln, dass das Vogelgrippe-Virus durch Zugvögel verbreitet wird. Vielmehr sei belegt, dass sich das Virus H5N1 bereits in Asien nur über den Weg der Geflügelhaltung und -vermarktung Richtung Westen ausgebreitet haben kann.

Vogelgrippe: Zugvögel sind Opfer, nicht Täter
Erkranktes Küken. Bild: FAO

Zur selben Erkenntnis kommen Vogelkundler in der Zeitschrift "Vogelwarte" ( 43, 2005): Trotz umfangreicher Probennahme war es in keinem einzigen Fall gelungen, in einem klinisch gesunden Wildvogel das gefährliche H5N1-Virus zu isolieren. Alle derartigen Nachweise des Virustyps bezögen sich ausschließlich auf kranke oder tote Vögel, die bis Frühjahr 2005 aus der unmittelbaren Umgebung von befallenen Geflügelhaltungen stammten. An H5N1 erkrankte Wirtsvögel könnten sehr wahrscheinlich keine ausgeprägten Zugbewegungen mehr durchführen. Ein direkter Beweis einer signifikanten Rolle der Wildvögel bei der Übertragung von hoch pathogenen Vogelgrippe-Erregern auf Hausgeflügelbestände ist bislang nicht erbracht worden.

Der BBC-Wildlife-Publizist Dr. Martin Williams bringt es auf den Punkt: Tote Enten fliegen nicht! Berichte, Zugvögel würden den Vogelgrippe-Erreger H5N1 verbreiten, seien Humbug. Auf einer Karte verdeutlicht Williams, dass zum Zeitpunkt des letzten Seuchenausbruchs in Korea im Dezember 2003 und in Japan im Januar 2004 die Zugvögel diese Länder bereits verlassen hatten. Und als die Krankheit zuvor im südlicher gelegenen Indonesien erstmals aufgetreten war (Ende August/September 2003), waren diese Zugvögel noch nicht einmal angekommen. Die Ausbreitung der Vogelgrippe und die Wanderbewegungen der Vögel seien demnach weder snychron noch gleichgerichtet verlaufen.

Tausend tote Phantome und andere mediale Merkwürdigkeiten

Jeder gestrandete Wal im fernen Neuseeland schafft es, in bewegten Bildern und nahezu in Echtzeit in unseren Nachrichtensendungen aufzutauchen. Und während des Golfkriegs konnte man immerhin noch einen ölverschmierten Kormoran zeigen, auch wenn der sich im Nachhinein als Ente entpuppte. Von den tausenden, an Vogelgrippe angeblich verendeten Zugvögeln, die es immerhin bis in die öffentlich-rechtlichen TV-Nachrichten schaffen, fehlt bisher jeglicher visuelle Beweis.

Dafür wurden in der Anfangsphase der Medienkampagne zur besten kindgerechten Sendezeit Horrorbilder von Keulungen gezeigt, da wurden Tiere bei lebendigem Leibe begraben oder verbrannt und durften dabei bis zu ihrem letzten Moment anklagend in die Kamera schauen, vom Nachrichtensprecher unkommentiert - der Zuschauer sollte sich anscheinend seine eigene Meinung (sprich: Panik) bilden.

Foto: FAO

Bei der beschriebenen Gemengelage drängt sich natürlich die Frage auf, wer von der derzeitigen Situation profitiert. Die Verdächtigen sind schnell ausfindig gemacht:

  1. die Pharmaindustrie peilt Milliardenumsätze mit Grippemitteln wie z.B. Tamiflu an;
  2. die Massengeflügelhalter ziehen aus dem Aufstallungsgebot den Vorteil, dass ihre Umsätze auf Kosten ökologisch wirtschaftender Betriebe wachsen;
  3. die Wissenschaft freut sich auf sprudelnde (Forschungs-)Geldquellen.

Statt nun Konsequenzen aus den oben genannten Fakten zu ziehen und die Eilverordnung wegen Irrtums oder - vornehmer - wegen erneut "veränderter Gefahrenlage" zu kassieren, hält die Regierung in feiger Bequemlichkeit den Status quo aufrecht und nimmt damit millionenfache Tierquälerei durch Aufstallung und millionenfache vorzeitige Schlachtung von Hausgeflügel wegen fehlender Stallressourcen in Kauf. Die Hobbyhalter werden weiter zum Spießrutenlauf vor misstrauischen Nachbarn gezwungen, die inzwischen die alte deutsche Tugend der Denunziation wiederentdeckt haben und sogar vor dem Gebrauch von Rattengift nicht zurückschrecken.

Inzwischen wird die bisher erlassene Aufstallungsverordnung für Hausgeflügel eifrig nachgebessert, weil sich gezeigt hat, wie praxisfern der erste Entwurf war.

Angeblich soll durch die Aufstallung verhindert werden, dass H5N1 sich mit dem menschlichen Grippevirus kombiniert. Das entbehrt nicht einer gewissen Komik. Bedingt durch die hygienischen Verschlechterungen, die bei Haltung einer großen Menge von Vögeln auf engem Raum zwangsläufig entstehen, und weil der Kontakt zwischen den Haltern und ihren Tieren allein wegen der erforderlichen Stallreinigungen viel intensiver ist als bei "normaler" Haltung, hätte der Virus nun erheblich verbesserte Chancen.

Bei artgerechter Tierhaltung im Freiland benötigt man meist nur eine kleine Stallung, um die Tiere während der Nacht geschützt unterzubringen. Diese Stallungen sind in keiner Weise dazu geeignet, die Vögel dauerhaft unterzubringen. Bei Hühnern mangelt es an Gelegenheiten zum Scharren und Sandbaden, Wassergeflügel muss baden können, um die Gefiederhygiene aufrechtzuerhalten. Dies sind Grundbedürfnisse, die im Tierschutzgesetz niedergelegt sind.

Weil viele Hobbyhalter ihren Tieren eine monatelange Haltung unter nicht tierschutzgerechten Bedingungen nicht zumuten wollen, noch dazu völlig ungeklärt ist, was beim nächsten Vogelzug im Frühjahr passieren soll, füllen sich unterdessen die Gefriertruhen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Und weil gerade die kleinen Haltungen betroffen sind, die sich, im Gegensatz zu den großen Geflügelzüchtern, besonders der seltenen und aussterbenden Rassen angenommen haben, wird wieder einmal Genmaterial von unserem Planeten verschwinden. Die feine Ironie: diesmal verdanken wir dies einem "grünen" Minister.