Volker Wissing verteidigt umstrittene Pläne zum Autobahnausbau im Bundestag
Im Verkehrsausschuss stellte er sich den Fragen und der Kritik. Warum er am Ausbau des Autobahnnetzes festhält und wie Koalition und Opposition ihn unter Druck setzen.
Es gibt wohl keinen Bundesminister in Deutschland, der innerhalb der Umweltbewegung weniger Sympathien genießt als Volker Wissing (FDP). Trotz aller Kritik verteidigte der Verkehrsminister am Mittwoch sein Ziel, Autobahnen und Straßen schneller ausbauen zu wollen.
Im Verkehrsausschuss des Bundestags stellte er sich den Fragen und der Kritik der Fachpolitiker. Im Handelsblatt heißt es zu dieser Tagung:
Zwei Stunden lang ging es um Klimaschutz, Tempolimit und Verkehrsprognosen – und es ging zu wie in einer verkehrten Welt: Die Opposition lobte den Minister, die Grünen tobten.
Im Zentrum der Debatte stand die Verkehrsprognose, die Wissing Anfang März vorstellte. Demnach soll der Güterverkehr auf der Straße bis zum Jahr 2051 um 54 Prozent zunehmen. Dem Minister wurde seitdem vorgeworfen, er versuche Klimaschutzziele auszuhebeln. Im Verkehrsausschuss sagte Wissing, dieser Vorwurf sein "absurd". Zudem forderte er seine Kritiker auf, zu zeigen, wo in dem Verkehrsgutachten falsch gerechnet wurde.
Die Studie basiert auf einer Reihe von Grundannahmen: ein deutlich gestiegenes Bevölkerungswachstum bis 2051, Veränderungen durch die Energiewende und Folgen des Krieges in der Ukraine. Unter diesen Voraussetzungen soll der Güterverkehr im Vergleich zum Jahr 2019 deutlich wachsen: von 679 auf 990 Milliarden Tonnenkilometer.
Während der Warentransport auf der Schiene in diesem Zeitraum um etwa ein Drittel zulegen soll, wächst demnach der Güterverkehr auf der Straße um 54 Prozent. Die Wasserstraßen werden laut Studie nicht stärker genutzt als bisher.
Ausschlaggebend für die Zunahme des Güterverkehrs auf der Straße soll ein Strukturwandel im Güterverkehr sein. Wissing betonte nun im Ausschuss, dass die Energiewende ein Auslöser dafür sei. Der Transport von Massen- und Energiegütern wie Kohle, Koks, Mineralölprodukte und Erze würde stark zurückgehen. Bislang seien sie vorwiegend auf Schienen und Wasserstraßen transportiert worden.
Gleichzeitig nehme der Versand kleiner Pakete beständig zu, weil die Menschen mehr bei Internethändlern bestellen würden. Die Bürger würden erwarten, dass ihre Bestellungen innerhalb von ein bis zwei Tagen zugestellt werden, betonte Wissing. Und das sei mit der Bahn nicht zu machen. Die Verkehrsprognose geht von einem großen Wachstum dieser Güter aus. Der Transport von Postsendungen legt demnach bis 2051 um rund 200 Prozent zu, Sammelgüter um 91 Prozent und Stückgüter um 29 Prozent.
Diese Mengen könnten gar nicht von der Bahn aufgenommen werden, betonte Wissing jetzt. Ausgehend vom aktuellen Zustand der Bahn und des Schienenstreckennetzes könnten die zusätzlichen Verkehre – trotz aller Ausbaupläne – nicht aufgenommen werden.
Der Lkw-Verkehr bleibe deshalb in Zukunft für den Warentransport bestimmend. Und die Straßeninfrastruktur müsste entsprechend schnell ausgebaut werden. Zudem müsste daran gearbeitet werden, den Güterverkehr auf der Straße schnell klimaneutral zu machen.
In der Regierungskoalition knirscht es aber nicht nur wegen Wissings Verkehrsprognose, sondern auch, weil der Verkehrssektor die gesetzlich vorgegebenen Klimaziele nicht einhält. Die Grünen pochen darauf, dass Wissing ein Sofortprogramm vorlegt, mit dem die Ziele für den Verkehrssektor eingehalten werden können.
Bislang kommt Wissing dieser Aufforderung nicht nach. Im Handelsblatt wird gemutmaßt, dass sich Wissing nicht mehr als das Klimaschutzgesetz gebunden fühlen könnte. Denn die Spitzen von Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen hatten Ende März eine Reform des Gesetzes verabredet, mit denen die Sektorziele im Verkehrsbereich aufgeweicht würden.
In dieser Frage sprangen die Christdemokraten nun den Grünen bei. "Ohne irgendeinen Zweifel hat der Verkehrsminister […] die gesetzliche Pflicht, ein Sofortprogramm vorzulegen", sagte der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Andreas Jung gegenüber dem Handelsblatt.
Der Kanzler könne sich "nicht einfach über geltendes Recht hinwegsetzen und Freibriefe ausstellen", so Jung weiter. Wenn die Bundesregierung das Klimaschutzgesetz tatsächlich aufweichen wolle, dann müsse sie das schon im Bundestag beschließen. Schließlich sei der Koalitionsausschuss "eine Privatveranstaltung der Ampel und kein Verfassungsorgan".
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