Vom Narrativ-Kampf in Nahost zum Terror in Deutschland

Seite 3: "Israel verliert den Propaganda-Krieg"

Das Portal UnHerd hat am vergangenen Freitag eine weitere Gegendarstellung der israelischen Seite publiziert, die das in "Occupation" entworfene Bild einer mächtigen Israel-Lobby konterkariert.

"Israel is losing the propaganda war", lautet die überraschende Bilanz des UnHerd-Auslandskorrespondenten David Patrikarakos.

Patrikarakos’ baut sein Argument zum einen auf der fortdauernden Indoktrination bereits kleiner Kinder auf, die sich im Hamas-"Haussender" Al-Aqsa TV und speziell in dessen Format "Die Pioniere von Morgen" gezeigt habe, das von 2007 bis 2009 gesendet wurde.

Dieses adressierte seine Zielgruppe von neun- bis 13-Jährigen damit, dass sie den "Grundstein für eine von Islamisten geführte Welt" legen werden und "alle Länder der Muslime befreien, die von den Mördern überfallen wurden".

Eine "Kinder"-Figur hatte in der Sendung außerdem geschworen, alle Juden zu "fertig zu machen" und anschließend "aufzuessen".

Als weiteren Beleg für die erfolgreiche Propaganda-Strategie der Hamas führt Patrikarakos die Verlagerung der Kommunikationsstrategie auf Social Media an. Seit dem 7. Oktober hätten sich die Qassam-Brigaden, die Miliz der Hamas, der Nachrichten bemächtigt und ihren Fokus dabei speziell auf die Neuen Medien gerichtet.

Zu den von der Hamas verbreiteten propagandistischen Inhalten zählten dabei nicht nur die islamistische Agitation, sondern auch die Selbstinszenierung als "kompetente Regierungsmacht in Gaza", was die Hamas durch Darstellungen humanitärer Bemühungen wie dem Schützen von Säuglingen und Kleinkindern zu erreichen suche.

Im Zusammenhang mit der Hamas-Propaganda stellt Patrikarakos besonders eine Anleitung des Hamas-geführten Innenministeriums heraus, wonach jegliche Opfer von Anschlägen als unschuldige Zivilisten zu beklagen und alle militärischen Aktionen der Hamas als Verteidigung beziehungsweise Befreiungsschlag zu präsentieren sind – gleichsam das Spiegelbild der israelischen Hasbara.

Fest macht Patrikarakos den Erfolg der Hamas-Propaganda – wohl in Ermangelung einschlägiger Statistiken – an den Kommunikations-Signalen der Neuen Medien, Hashtags:

Der Hashtag #freepalestine findet sich in 39 Mal in mehr Facebook-Posts als #standwithisrael. Auf Instagram sind pro-palästinensische Hashtags 26 Mal mehr in Beiträgen zu finden als pro-israelische Hashtags.

Inside the Hamas media operation, Unherd, 15. 12.2023

Narrativ-Check oder eingebetteter Journalismus?

Einschränkend festzuhalten ist allerdings zugleich, dass Patrikarakos unter Kritikern ein gewisser Ruf als "embedded journalist" vorauseilt, der angesichts seiner Publikationen und Verbindungen zur organisierten strategischen Kommunikation mindestens zu diskutieren ist.

So erscheint Patrikarakos etwa als "Network Manager" in einem Dokument des berüchtigten Expose-Netzwerks, das im Zuge der Leaks der sogenannten Integrity Initiative aufgedeckt wurde und dessen Teilnehmer sowohl enge Verbindungen zum britischen Geheimdienst wie auch der Agenda zur Strategischen Kommunikation der Nato aufweisen.

Über das Netzwerk, zu dem auch der Think-Tank Zentrum Liberale Moderne in Verbindung stand, berichtete Telepolis zuletzt in Bezug auf den Nato-"Werkzeugkasten", der erlaubt, selbst faktische Kritik an dem Militärbündnis als Desinformation zu zensieren.

Im Übrigen ist Patrikarakos fellow des Poynter Institutes, das unter anderem aufgrund seiner tendenziösen Faktenchecks im Rahmen des International Fact Checking Networks (IFCN, Mitglieder sind u.a. die dpa und correctiv) sowie seiner Finanzierung durch philanthropische Interessengruppen in die Kritik geraten ist.

Des Weiteren hat sich der Kriegsreporter Patrikarakos, laut dem Magazin Tablet Nachkomme einer mütterlicherseits langen Linie von Rabbinern, mit Veröffentlichungen einen Namen gemacht, die von der nuklearen Bedrohung durch den Iran ("Nuclear Iran: The Birth of an Atomic State", 2012) bis zum (frühen) Vergleich Putins mit Hitler während des ukrainischen Bürgerkriegs reichen.

Patrikarakos größter Erfolg aber ist das Buch "War in 140 Characters: How Social Media Is Reshaping Conflict in the Twenty-First Century" (2017), in dem der Autor den Journalisten Eliot Higgins und dessen Portal Bellingcat als vorbildliche Desinformations-Wächter sowohl in Bezug auf Gaza wie auch auf die Ukraine lobt.

Kritiker, darunter etwa auch der ehemalige britische Botschafter und Aktivist Craig Murray, sehen in Bellingcat dagegen eine neo-konservative Propaganda-Website beziehungsweise ein Vehikel, um Standpunkte der Nationalen Sicherheitsstaates in die Presse unterzubringen.