Vom Pentagon angekündigter Cyberwar gegen den IS war offenbar ein Papiertiger

Cyberkommando der Army. Bild: DoD

Im Pentagon räumt man Enttäuschung ein, wobei der Verdacht entsteht, dass das US-Cyberkommando mehr vorgibt, als es wirklich leisten kann

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Letztes Jahr hatte das Pentagon einen Cyberwar gegen den Islamischen Staat angekündigt. Erstmals hatte das Verteidigungsministerium von höchster Stelle bekundet, Cyberwaffen einzusetzen, um die geplante Offensive auf Mosul zu unterstützen (Mosul im Visier des Pentagon, Cyberwar inklusive, Führt das US-Cyberkommando einen Cyberwar gegen den Islamischen Staat?.) Seit dem Sommer des letzten Jahres hat man davon kaum mehr gehört. Das dürfte ein Zeichen dafür sein, dass das Pentagon mit seinen Cyberwaffen wenig erfolgreich gewesen sein dürfte (Der vom Pentagon angekündigte Cyberwar gegen den IS dümpelt vor sich hin).

Womöglich wird daran auch deutlich, dass das Cyberkommando gar nicht über wirklich gefährliche Waffen verfügt, sondern ein Papiertiger ist, der nicht einmal in der Lage ist, den Islamischen Staat zu attackieren, geschweige denn in einem Ernstfall Gegner wie Russland, China, Iran oder Nordkorea.

Die New York Times hat sich an die Ankündigungen erinnert und ist dem propagierten Cyberwar nachgegangen. Nach Auskunft von wie immer anonym bleibenden Regierungsmitarbeitern, sei die Geschichte enttäuschend gewesen. Selbst gegenüber dem IS habe das "Arsenal von Cyberwaffen" seine Grenzen gezeigt. Man wollte verhindern, dass der IS weiterhin seine Propaganda verbreiten kann, und die Befehlskette zwischen Kämpfern und Kommandeuren stören oder manipulieren. Es habe Enttäuschungen gegeben, einen größeren Schlag gegen den IS zu landen, so Joshua Geltzer, bis März Direktor für Terrorismusabwehr im Nationalen Sicherheitsrat. "Das ist in der Praxis viel schwieriger, als die Menschen glauben."

Der angebliche Erfolg, eine Terrorgruppe in Syrien aufgedeckt zu haben, die Bomben hergestellt haben, die in Flughäfen von den Maschinen nicht entdeckt werden können, weil sie wie Batterien von Notebooks aussehen, sei zudem vor allem Israelis zu verdanken. Das habe im März zu dem Verbot geführt, aus bestimmten Ländern mit elektronischen Geräten an Bord in die USA zu fliegen. Zu einem Skandal führte dies, weil Trump dies nach dem Verbot dem russischen Außenminister Lawrow gesagt hatte.

Das Problem sei, so die NYT, dass der IS Computersystem oder das Internet nicht nutzt, um Waffensysteme oder wie der Iran Zentrifugen zu entwickeln oder einzusetzen, sondern um zu rekrutieren, Propaganda zu betreiben und Anschläge zu planen. Damit sei der IS nicht an einen Ort gebunden, und er könne zudem Verschlüsselungstechniken nutzen.

Sind die Cyberwaffen Nebelbomben?

Wirkungsvoll war bislang eher, die Medienstrategen des IS mit Bomben auszuschalten. Es habe allerdings eine Operation Glowing Symphony von der NSA und dem Cyberkommando gegeben, ab November 2016 die Propaganda zu sabotieren. Es wurden Passwörter geknackt, um IS-Kämpfer am Zugang zu hindern oder Content zu löschen. Aber die Videos etc. wurden schlicht auf andere Server verlagert und trotzdem publiziert. In dem asymmetrischen Cyberwar hat der IS deswegen einen Vorteil, weil er mobil ist und normale Geräte und Programme nutzt

Die Frustration sei so groß geworden, dass unter Obama versucht wurde, den NSA-Chef Michael Rogers zu ersetzen, der auch vom damaligen Verteidigungsminister Ash Carter unter Druck gesetzt wurde. Der NSA-Direktor ist gleichzeitig auch der Kommandeur des Cyberkommandos. Trump scheint Rogers weiterhin zu akzeptieren oder findet niemanden als Nachfolger. Der IS verbreitet weiterhin, wenn auch durch den Krieg im Irak und in Syrien eingeschränkt, seine Videos, Publikationen, Botschaften und Bilder über das Internet. "Die globale Reichweite des IS ist jetzt weithin intakt", sagte vor kurzem Nicholas Rasmussen, der Direktor des National Counterterrorism Center.

Dagegen steht die Propaganda des Pentagon. So erklärte Generalleutnant Jeffrey L. Harrigian, Kommandeur der Luftwaffe im Irak, man mache "Dinge mit dem Weltraum und Cyber, die wirksam synchronisiert sind, um wichtige Effekte sogar in Mosul und Raqqa zu erreichen". Ähnlich dunkel sagte Generalleutnant Sean MacFarland, bis August 2016 der Kommandeur der US-Truppen im Irak, Spezialisten des Cyberkommandos hätten seinen Soldaten geholfen, "die feindliche Befehlskette während unserer offensiven Operationen zu stören". Nach Aussagen anderer Militärs sei es Routine, IS-Propagandisten von ihren Accounts auszusperren oder die Koordinaten ihrer Handys oder Computer für Drohnenangriffe zu nutzen, was allerdings seit Jahren und schon vor der Einrichtung des Cyberkommandos praktiziert wird.

Harrigian meinte, andere verbündete Staaten würden auch solche "Cyberwaffen" gegen den IS einsetzen, die man selbst nicht verwende. Sie könnten "Cyberaktivitäten ausführen, für die sie eine Genehmigung haben, was wir nicht haben". Um was es sich handelt, sagte er nicht, es gibt auch keine öffentlich gewordenen Hinweise auf neuartige Cyberangriffe, so dass das auch wie mit den eigenen Cyberwaffen und den Fähigkeiten des Cyberkommandos auch nur ein Informationsnebel sein kann, wie er in der Domäne des Cyberwar üblich ist.