Vom finalen Aufmerksamkeitsspektakel
Was treibt die meist jugendlichen Selbstmordattentäter an, die wie gerade jetzt wieder Jeff Weise versuchen, mit einer blutigen Inszenierung aus der Welt zu gehen?
Am Montag hatte der 16-jährige Jeff Weise aus dem Indianerreservat von Red Lake in Minnesota 9 Menschen getötet, 7 schwer verletzt und schließlich sich selbst umgebracht. Wie auch immer die Spurensuche nach den Motiven und Ursachen ausgeht und zu überzeugen vermag, so scheint doch auch diese Tat für die These vom Aufmerksamkeitsterrorismus zu sprechen (Aufmerksamkeitsterror). In einer finalen und spektakulären Handlung, die auf Erregung der medialen Aufmerksamkeit angelegt war, realisierte der lebensmüde Jugendliche eine surreale Tat und riss möglichst viele Menschen mit in den Tod. Weise ist wie viele andere, vermutlich auch wie viele muslimische Selbstmordattentäter, die ihren eigenen Tod als blutiges Spektakel inszenieren, ein Angehöriger der neuen nihilistischen No-Future-Generation, die nichts mehr zu verlieren hat, nicht einmal ihr Leben, das sie als letztes Pfand einsetzt.
Mittlerweile werden immer mehr Hinweise ausgegraben, die auf eine solche Tat hätten hinweisen können. Sein Vater tötete sich vor 8 Jahren selbst bei einer Schießerei mit der Polizei, seine Mutter erlitt vor 5 Jahren eine schwere Gehirnverletzung. Weise wuchs dann bei seinem Großvater auf, der früher Polizist war und damals offenbar vergeblich vermitteln wollte, um Weises Vater zu retten. Den Großvater und dessen Freundin erschoss Weise mit dessen Gewehr als erste, nahm dann den Wagen von diesem und fuhr zur Fortsetzung seines Plans schließlich in seine Schule. Weise galt als Außenseiter und war offenbar angezogen von morbiden Todeskulten und gesättigt mit Hass, was auch heißt, dass er wohl unter mangelnder Anerkennung und sozialer Aufmerksamkeit litt. Mit seiner Tat hat er erneut und nachahmungsfähig bewiesen, wie man prominent wird und mediale Aufmerksamkeit erfährt.
"I'm living every mans nightmare and that single fact alone is kicking my ass, I really must be ... worthless," he wrote in a Jan. 27 posting. "This place never changes, it never will.
Jeff Weise im Blog LiveJournal
Wie Dylan Klebold und Eric Harris, die 1999 gemeinsam die Schule von Littleton überfielen und ein Massaker anrichteten, bis sie sich zuletzt selbst erschossen (Medien und Gewalt von Schülern), war auch Weise Teil einer medialen Subkultur. Er spielte Computerspiele, war fasziniert von Zombie- und Horrorfilmen, fand Hitler geil und trug einen schwarzen Trenchcoat und Kampfstiefel. Natürlich benutzte er auch das Internet, trieb sich in Chats herum, hinterließ Nachrichten auf obskuren Webseiten wie AboveTopSecret und suchte irgendwie aufzufallen, aber gleichzeitig ein Gegenüber zu finden. Dazu gehörten martialische Äußerungen, die er etwa auf der Website Nazi.org von der Libertarian National Socialist Green Party hinterließ. Weise mixte sich eine Außenseiterideologie zurecht, die provozieren sollte und mit er vermutlich zunächst nur kokettierte. Er trat als "Todesengel" auf und gab sich später als "NativeNazi" aus, also als indianischer Nationalsozialist, der Rassenmischungen in seinem Volk und dessen Niedergang beklagte. Er trat auch unter "verlassen4_20" auf, wobei er auf den Geburtstag von Hitler anspielte, und gab sich den Spitznamen "Totenkopf".
Er hatte aber auch in seiner Fantasie seine letzte Tat, mit der er seinen Untergang zelebrierte, in Äußerungen, Geschichten oder Filmen vorweggenommen - und dabei natürlich "Vorbilder" aus Medien gehabt, die zeigen, wie man solche Rituale zur Schaffung von Aufmerksamkeit inszeniert, die solche Menschen wählen, die in der Aufmerksamkeitsgesellschaft sonst keine Chance auf Prominenz haben. Und Prominenz, die permanent von den Medien und der Popkultur geschaffen und vorgeführt wird, dürfte zumindest heute wichtiger und existenziell bedeutsamer sein als etwa Reichtum oder andere Werte, zumal Prominenz auch mit Macht und Anerkennung einhergeht.
It takes courage to turn the gun on your ownself, takes courage to face death. Knowing you're going to die and actually following through takes heart, I don't care who you are.
Jeff Weise am 18. 2. 2005
Erschreckend ist sicherlich, wie genau die Vorwegnahme etwa in einem kurzen animierten Film von Weise mit dem bezeichnenden Titel "Target Practice" fantasiert wurde. Vermutlich hat sich die Konkretisierung des Möglichen allmählich in einen Plan umgewandelt, der immer stärker faszinierte, weil er ein Fanal setzen würde. Wichtiger dürfte gewesen sein, dass der ausgeführte Plan den Jugendlichen auch endlich für sich selbst als autonom Handelnden auftreten ließ, der irreversibel die Wirklichkeit verändert und damit den Bildschirm der Medien durchbricht, zugleich aber wieder zum Medienereignis wird. Freiwillig in den Tod zu gehen, einen Selbstmordanschlag auszuführen, ist aber auch ein Beweis dafür, die eigene Angst und die Nichtigkeit überwinden zu können und über die anderen Menschen, die am Leben kleben, zu triumphieren.
Random violence, a suicidal mass-murderer, and people who blame the media afterwards. Yep. must be the 21st Century. God bless America.
Jeff Weise zu "Target Practice"
Den Film hatte er im Oktober des letzten Jahres auf der Webseite Newgrounds.com gepostet. In unterkühlten Szenen zeigt er mit einfachen Bildern, wie einer loszieht, um zufällig Menschen zu töten und das Blut spritzen zu lassen, bis er die Waffe am Schluss gegen sich selbst richtet und der Kopf in einem roten Regen zerbirst. Weise hatte den Film unter den Namen "Regret" gepostet, was durchaus ambivalent ist. Bedauert er vorwegnehmend den eigenen Tod oder die Menschen, die sterben müssen, um das finale Medienereignis zelebrieren zu können. Wie auch immer sonst sein Leben verlaufen sein mag, damit hatte er Erfolg - und das verspricht auch künftig ähnliche Inszenierungen.