Von Bangkok bis Berlin: Auswirkungen der thailändischen Hitze
Thailand leidet unter enormen Temperaturen, die damit verbundene Destabilisierung globaler Lieferketten kann auch die europäische Wirtschaft beeinträchtigen.
Die extreme Hitzewelle in Thailand mit Temperaturen von mehr als 40 Grad Celsius im Schatten hält an. Mit "gefühlten 50 Grad" (dpa) wird das Leben unangenehm. Erleichterung wird erst am kommenden Wochenende erwartet.
Auch nachts sinken die Werte kaum unter die 30-Grad-Marke. In Medien wurden Menschen aufgefordert, sich speziell zwischen 11:00 und 15:00 Uhr in gekühlten Innenräumen aufzuhalten, die jedoch auf dem Land nur selten zur Verfügung stehen.
Das Land leidet schon seit Jahren unter den Wetterkapriolen, die meist zumindest zu maßgeblichen Teilen auf den globalen Klimawandel zurückgeführt werden.
Bangkok: Teile während der Regenzeit regelmäßig unter Wasser
Hitze ist nur ein Teil der Bedrohung, Starkregen ist mindestens genauso dramatisch. So war die Hauptursache des Riesenhochwassers im Jahre 2011 der damalige Monsun, der in jenem Jahr früher einsetzte als erwartet und mehr Regen brachte als sonst.
Statt der durchschnittlichen 1.500 Millimeter pro Jahr fielen bis zur Jahresmitte schon 2.000. Dabei muss man berücksichtigen, dass das Jahr in Thailand Mitte April beginnt.
Während Teile von Bangkok während der Regenzeit regelmäßig unter Wasser stehen, weil die Stadt in einem Feuchtgebiet am Golf von Siam steht, das infolge der regen Bautätigkeit und dem damit verbundenen Abpumpen von Grundwasser kontinuierlich absinkt, kamen bei dem verheerenden Hochwasser 2011 noch Fehlentscheidungen der Politik hinzu.
Fehlentscheidungen: Das Meer kommt näher
So wurden im März 2011 die Talsperren im Hinterland nicht rechtzeitig geleert, um die großen Regenmengen aufzunehmen, und lieber viele Industriegebiete geflutet, um Bangkok zu verschonen, was letztlich jedoch erfolglos blieb.
Wenn zusätzlich zu den Fluten aus dem Hinterland dann der Wind aus dem Golf von Siam das Wasser im Chao Phraya am Abfluss hindert, sucht sich das Wasser seinen Weg rechts und links der bestehenden Deiche.
Der durch den Klimawandel hervorgerufene Meeresspiegelanstieg erfolgt ebenso wie der Temperaturanstieg nicht weltweit im gleichen Maße.
In Bangkok, das nur zwischen null und einem Meter über dem traditionellen Meeresspiegel liegt, kommt das Wasser der Siedlungsfläche von der Seeseite immer näher.
Er stieg zuletzt durchschnittlich um 25 Millimeter pro Jahr. Zudem hat sich die Sinkrate der Landfläche seit dem Erdbeben von 2004, das den tödlichen Tsunami ausgelöst hatte, beschleunigt.
Die immer häufiger nicht mehr kalkulierbaren Extremwetterereignisse hatten 2011 zusätzlich zu gravierenden Fehlentscheidung der Dammmanager der Rückhaltestauseen im Westen und Norden des Landes geführt und die Situation verschärft.
Unter dem Eindruck der Dürre, die das Land im Jahr zuvor heimsuchte, hielten sie nun das in den Dämmen rasant steigende Wasser zurück. Erst als die Stauwerke bis zum Bersten gefüllt waren, wurde Wasser abgelassen und in ohnehin bereits überschwemmten Gebiete geleitet.
Kausalketten und die lokale Tradition
Abgerundet wurde die chaotische Lage damals noch durch die politisch unerfahrene, erst seit knapp drei Monaten regierende Premierministerin.
"Früher haben die Experten entschieden und gehandelt. Heute dominieren die Politiker", wurde Chaiyuth Sukhsi, Professor für Wasserwirtschaft an Bangkoks renommierter Chulalongkorn Universität damals zitiert.
Die lokale Tradition tut sich noch immer schwer mit der Berücksichtigung von Kausalketten und der Implementierung von Klimaschutzmaßnahmen. Vielfach wird eine Spende an das lokale Kloster als beste Hilfe gegen die Unbilden des Klimawandels erachtet.
Wetter schadet immer häufiger der Landwirtschaft
Die Landwirtschaft leidet zunehmend unter ungewohnten Wetterkapriolen. Wenn der Reis ausgesät und später vereinzelt werden soll, fehlt oft der Regen, so dass künstlich bewässert werden muss, was den Grundwasserspiegel permanent absenkt.
Wenn sich dann zur Erntezeit, wenn traditionell Trockenheit herrschte, der Regen in Sturzbächen vom Himmel ergießt, können die modernen Harvester der Lohnunternehmen im entstehenden Schlamm oft nicht mehr eingesetzt werden. Zudem ist nass geernteter Reis nicht mehr vermehrungsfähig und für die nächste Saison muss das Saatgut gekauft werden.
Aufgrund konkurrierender Beschäftigungsangebote in den zahlreichen Fabriken, die entlang der Autobahnen aufs Land kriechen und sich auf ehemaligen Reisfeldern breit machen, stehen oft kaum noch Arbeitskräfte für die Landwirtschaft zur Verfügung.
Denguefieber-Fälle steigen
Zuletzt stiegen in Thailand die Dengue-Fälle. Das von Mücken übertragene Virus hat in Thailand der laufenden Saison bereits zu rund 110.810 Infektionen und 107 Todesfällen geführt.
War Dengue, das in Thailand auch als ″kleine Malaria″ bekannt ist "up country" schon lange endemisch, so ist die Infektion inzwischen auch in der Hauptstadt angekommen.
Der in Deutschland produzierte Impfstoff Qdenga des japanischen Herstellers Takeda, der zweimal in einem Abstand von sechs Monaten verimpft werden muss und einen Schutz von 80 Prozent verspricht, erscheint mit einem Preis von über 100 Euro pro Dosis für Thailand zu teuer.
Daher konzentriert sich die Politik auf das Versprühen von Pestiziden, wie man das schon seit Jahren gegen die Anopheles-Mücke, den Überträger von Malaria versucht.
Internationale Auswirkungen des Klimawandels in Thailand
Trifft der Klimawandel in Thailand zuallererst die einheimische Bevölkerung, ist aufgrund der Globalisierung und der stark vernetzten Lieferketten auch in der internationalen Handelslandschaft mit Auswirkungen zu rechnen.
Betroffen waren bei der Flut vor gut zehn Jahren beispielsweise die Fabriken des Optik-Konzerns Nikon, ein Kamerawerk von Sony, eines von weltweit zwei Packagingwerken von Sony Semiconductors sowie zahlreiche im globalen Verbund arbeitende Automobilzulieferer.
Das Land des Lächelns ist heute Nummer 10 bei der weltweiten Automobilproduktion und wird als Standort chinesischer Hersteller zunehmend wichtiger, weil die USA und die EU den Import der inzwischen führenden E-Mobil-Herstellern behindern wollen.
Inzwischen ist die Produktion nach dem verheerenden Hochwasser wieder aufgebaut. Die Fertigung wird aus politischen und aus Kosten-Gründen jedoch immer mehr gebündelt.
Die Festplatten-Produktion: weltweite Abhängigkeiten
So haben die weltweit verbliebenen Festplattenhersteller Seagate, Western Digital und Toshiba ihre Produktion, die zuvor auch in China und Malaysia erfolgte, in Thailand konzentriert.
Damit hängen praktisch alle Serverfarmen weltweit von Festplatten-Lieferungen aus Thailand ab und die nächste Flut wird wieder die Preise treiben.