Von Wand zu Wand und aus der hohlen Hand gebeamt

Mechanik feiert in der Bilderzeugung ein Comeback, der Beamer passt in die Hosentasche und auch die SED ersteht wieder auf

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Lange hat man vom Flachbildschirm geträumt, der sich an die Wand hängen lässt. Mit LCD-Fernsehern ist dies heute möglich, mit Plasma-Bildschirmen auch noch, wenn die Dübel und die Hausratversicherung gut sind. Trotzdem macht es niemand. Und nun soll man gar einen Beamer an die Wand hängen?

In der Werbung sind immer alle Räume absolut leer, nur das zu bewerbende Produkt, ob Telefon, Fernseher, Sofa oder Notebook steht einsam in der klaren weißen Leere ("Mach die Glotze endlich platt"). So wächst der Gedanke, einen Beamer anzuschaffen, um die weißen Wände auszunutzen.

Ein Flachbildschirm? Nein, ein Flachbeamer! (Bild: LG Electronics)

In der Praxis sind Wohnzimmer aber spätestens nach einigen Jahren voller Bilder, Regale und Vitrinen. Für den Hausaltar, aus dem abends die Tagesschau oder der Krimi kommt, findet sich gerade noch Platz. Von der großen weißen Wand, an der man einst das Beamerbild sehen wollte, ist jedoch nicht mehr viel übrig. Zudem hat ein Raumteiler das Wohnzimmer verkleinert, um dahinter ein Arbeitszimmer entstehen zu lassen und wo an der Decke einst der Beamer hinsollte, hängt mittlerweile Omas Kronleuchter. Was nun?

Die auf den ersten Blick sehr merkwürdig aussehende Lösung von LG Electronics: Der Beamer mit einem „Knick in der Optik“, einer Umlenkung des Lichtstrahls über ein Prisma, kommt nun nicht mehr an die Decke, sondern an die gegenüberliegende Wand. Dazu wird er auch dementsprechend flach gebaut, wiegt nur 4,5 Kilo und kommt in ein eher flachbildschirmartiges Gehäuse – aus dem aber nur noch ein Glasauge mit dem Objektiv herausguckt, wie eine Überwachungskamera. Nur neun Zentimeter tief erinnert er an gewisse auch an die Wand zu hängende Nobeldesigner-Stereoanlagen und bietet 16:9 und HDTV mit 1280 x 768 Bildpunkten.

So kann man also die hoffentlich ebenso noblen Gäste gleich doppelt veräppeln: Sie werden sich wegen der über dem Sofa hängenden Kamera auch in unbeobachteten Momenten nicht in der Nase bohren und das Bild erscheint nicht dort, wo der neue Fernseher an der Wand hängt, sondern auf der Zimmerseite genau gegenüber. Und da der Hersteller seine Pappenheimer kennt, die das teure Stück ja doch nicht an die Wand hängen – zumal nicht klar ist, wie dann die Kabel verlaufen sollen, ohne die Coolness des Geräts zu zerstören –, gibt es dazu einen schon von normalen Flachbildschirmen bewährten Standfuß.

Ein motorbetriebener Zoom und Fokus sowie das automatische Schließen von Lüftungsschlitz und Linse nach Gebrauch sollen den Filmgenuss komfortabel machen. Und auch wenn LG erst 1958 sein erstes Radio herstellte und inzwischen Weltmarktführer bei Hausklimaanlagen und Staubsaugern ist, soll man letzteres dem Projektor geräuschmäßig nicht anmerken – bei nicht allzu warmen Räumen und halbierter Helligkeit bleibt der Projektorlüfter leise. Das Gerät namens „AN 110“ soll ab September 2005 für 3000 Euro in den Handel kommen und im Betrieb 280 Watt verbrauchen. Zwischen 3,8 und 5,3 Meter Wandabstand wird eine Bildgröße von 100 Zoll (2,5 Meter Diagonale) erreicht; 30 bis 300 Zoll (75 Zentimeter bis 7,5 Meter) sind möglich.

Das bilderzeugende Bauteil: Der DLP-Chip (Bild: Texas Instruments)

Doch wie schaut so ein „Flachbeamer“ denn nun technisch aus? Bildröhren verstecken sich darin heute natürlich nicht mehr, also ein LCD, erweitert mit Lampe und Optik? Mitnichten! Es finden sich darin ein Farbrad mit drei (Rot, Grün, Blau) oder auch sechs Grundfarbtönen („Brilliant Color“ genannt: hier kommen noch Gelb, Magenta und Cyan hinzu) wie beim in den 40er-Jahren gegenüber der RCA-Lochrasterfarbbildröhre gescheiterten Farbfernsehsystem von CBS sowie Unmengen kleiner, mechanisch bewegter Spiegel, die auf einem Halbleiterchip von Texas Instrument sitzen: DLP – Digital Light Processing – nennt sich diese 1987 entwickelte Technik, die doch eher an Kinderspiele mit Spiegeln erinnert. Immerhin: Die Nipkow-Scheibe bleibt im Museum.

Die Teilbilder der verschiedenen Farben werden mit dem Durchrotieren des Farbrades jeweils umgeschaltet und die bis zu 1024 Graustufen werden durch entsprechend getimtes Ein- und Ausschalten der Spiegel erreicht, die eigentlich nur digital „an“ oder „aus“ kennen. Auch bei einem Standbild müssen also alle Mini-Spiegel auf dem DLP-Chip bis zu 5000mal pro Sekunde neu ausgerichtet werden. Von wegen „verschleißfreie Elektronik“! Aber Beamer sind ja ohnehin nicht verschleißfrei: Alle paar Tausend Betriebsstunden muss die teure Lampe gewechselt werden.

Das Licht wird vom DLP-Spiegel entweder durch die Linse auf die Leinwand oder auf einen „schwarzen Sack“ im Gerät geleitet (Bild: Texas Instruments)

Tatsächlich droht normalen LCD-Beamern sogar höherer Verschleiß, da das nur briefmarkengroße LCD vom Licht komplett durchströmt wird und sich dabei ziemlich erwärmt. Dies ist nur mit guter Belüftung überhaupt möglich und selbst dann ist die Lebensdauer reduziert. Die Mini-Spiegel des DLP erwärmen sich dagegen nicht, solange nicht – beispielsweise in einem Raucherhaushalt – das Glasfenster des DLP verschmutzt und dadurch Licht schluckt und in Hitze umsetzt. Wohl erwärmt sich allerdings der schwarz gehaltene Teil des Projektors, in den das Licht gespiegelt wird, das nicht die Leinwand erreichen soll. DLP-Chips liefern keine dunklen Streifen im Bild wie Röhren, LCD oder Plasma – das Bildraster wird nicht sichtbar – und mit bis zu 5000:1 ist der Kontrast für Projektoren ungewöhnlich gut.

4000 Betriebsstunden überstehen DLP-Chips ohne Einschränkungen, was gegenüber den 60.000 Stunden eines LCD-Fernsehers ziemlich wenig ist. Andererseits ist in Beamern ohnehin nach typisch 2000 Betriebsstunden ein Lampenwechsel fällig (im AN 110 hält die Lampe nach Herstellerangaben 4000 Stunden); die Folgekosten eines Beamers sind stets nicht unbedeutend und der Betrieb am helllichten Tag zumindest eingeschränkt: Powerpointfolien mag man noch erkennen können, doch für den Krimi muss verdunkelt werden.

“Vorsicht, Monster“: Ein Ameisenbein auf einem DLP-Chip (Bild: Texas Instruments)

Die Spiegelspiele mit dem feinmechanischen Chip finden sich übrigens auch im Profibereich: DLP Cinema ist so zu einem Standard für digitales Kino geworden und wird von großen amerikanischen Regisseuren wie George Lucas oder Bryan Singer unterstützt, DLP Provenue ist die Variante für Events und Großveranstaltungen und beispielsweise in den vergangenen sieben Jahren bei der Oscar -Verleihung für die Kinoprojektion verantwortlich. Die Profiprojektoren benutzen allerdings drei DLP-Chips.

Die sieben großen Hollywood-Studios haben inzwischen mehr als 145 Filme im DLP-Cinema-Format heraus gebracht, so zum Beispiel Star Wars: Episode I-III, Troy, Shrek 2 und The Day after Tomorrow. Diese Filme wurden bereits von 17 Millionen Kinobesuchern in den inzwischen über 250 Digital-Kinos weltweit gesehen. In Deutschland gibt es bis jetzt zehn volldigitale DLP-Cinema-Kinos, unter anderem in Berlin und Köln. Der Verschleiß ist hier kein Problem und geringer als der eines normalen Filmprojektors.

Ansteuer-Elektronik und Spiegel-Mechanik des DLP-Chips (Bild: Texas Instruments)

Der digitale Mikrospiegel-Chip besteht aus einer rechteckigen Anordnung mikroskopisch kleiner, quadratischer Spiegel, von denen jeder einem Pixel im projizierten Bild entspricht. Jeder Spiegel ist auf einem Gelenk angebracht, das den Spiegel elektronisch gesteuert um 12 Grad bewegen kann. Auf einem DLP-Chip befinden sich bis zu 2 Millionen dieser Spiegel, je nachdem, welche Bildauflösung der Chip bieten soll und in welchem Bereich er eingesetzt wird.

Am anderen Ende der Skala sollen zur Internationalen Funkausstellung von Toshiba Mini-Projektoren vorgestellt werden, die in eine Hand passen, statt der Beamerlampe und des Farbrads drei LEDs in rot, grün und blau verwenden und so als tragbares Zubehör zum Notebook den Filmgenuss im Hotelzimmer erlauben sollen. Ein funktionsloser Prototyp wurde bereits auf der IFA-Preview des HPC gezeigt. Später könnten diese LED-Beamer sogar bereits in Notebooks eingebaut sein – in Japan waren solch vergleichsweise schwach leuchtenden Projektoren trotz der geringen Helligkeit in der Vergangenheit für Spielekonsolen bereits ein Erfolg.

Das Richtige für den technisch völlig unfähigen und am Notebook scheiternden Manager: Die Sekretärin sorgt am Vorabend für gefüllte Speicherkarte und Akku – der Chef muss nur noch das Gerät einstecken und zum Vortrag einschalten. (Bild: Toshiba)

Bis zu zwei Stunden soll der „Projektor der Zukunft“ netzunabhängig im Batteriebetrieb volle Leistung bringen. Noch setzt Toshiba allerdings auf Bewährtes: Neue LCD-Fernseher und „normale“ Projektoren werden das Programm auf der Funkausstellung bestimmen. Doch werfen politische, nein, technologische Umwälzungen bereits ihre Schatten voraus.

Auferstanden aus Ruinen? SED soll besseres Fernsehbild bringen.

Die Vergangenheit bleibt dem Deutschen nämlich auch von den Japanern nicht erspart: Nach DDR-RAM wird es bald auch noch echte SED-Fernseher geben. Die kommen allerdings nicht von RFT oder Robotron, sondern von Toshiba gemeinsam mit Canon, die vollmundig verkünden SED – Eine neue Technologie schreibt Geschichte und damit wohl so manchem einen gehörigen Schreck einjagen werden. Doch SED steht hier für Surface-Conduction-Electron-Emitter-Display (also eigentlich SCEED) und eine Markenrechtsklage der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands ist nicht zu befürchten. Nicht, weil diese in Sachen kapitalistische Schikanen, sprich: Marken- und Wettbewerbsrecht, nicht lernfähig gewesen wäre, sondern weil sie nicht mehr existiert. Mit SPD- oder PDS-Technologie wäre das sicher schwieriger geworden.

Das Image der neuen Technik ist also bereits durch Assoziation mit einer alten Traditionsmarke geklärt. Ihre Aufgabe ist, Flachbildfernsehern ein besseres Bild bei geringerem Stromverbrauch (TV-SUVs: Erhöhter Stromverbrauch im Wohnzimmer) zu verschaffen. Dazu werden Teile der alten Röhren- und der heutigen Plasmabildschirmtechnik neu kombiniert: Elektronen bringen eine in die Glasoberfläche des Bildschirms integrierte fluoreszierende Schicht aus Phosphor beim Auftreffen zum Leuchten und schaffen so die volle HDTV Auflösung von 1.920 x 1.080 Bildpunkten ohne Bewegungsunschärfen: Wie bei Bildröhren werden extrem schnelle Reaktionszeiten von unter einer Millisekunde erreicht.

SED funktioniert ähnlich den Vakuumfluoreszenzdisplays an Videorekordern, kommt aber ohne Hochspannung oder verschleißende Heizdrähte mit 16 Volt Betriebsspannung aus (Bild: Toshiba)

Das Herzstück der SED-Technik ist ein nur wenige Nanometer breiter Spalt, der sogenannte Nano-Slit. Dort werden die Elektronen durch eine Steuerspannung beschleunigt und durch ein Vakuum auf den Bildschirmphosphor geschleudert. SED-TV kommt ohne separate Hintergrundbeleuchtung aus; die Bildqualität ist nicht abhängig vom Blickwinkel und das Bild gleichmäßig ausgeleuchtet. Ein bisher von Flachbildschirmen unerreichtes Kontrastverhältnis von 8600:1 wird versprochen. Dabei soll SED durchschnittlich nur ein Drittel des Stroms eines Plasma-Panels und zwei Drittel eines LCD-Panels gleicher Größe benötigen. Auch für Computerbildschirme soll SED geeignet sein.

Die erste SED-Panel-Pilot-Produktion ist für August 2005 in Hiratsuka (Japan) angesetzt. SED-Endgeräte werden mit einer geplanten monatlichen Kapazität von 3.000 Stück im Laufe des ersten Halbjahres 2006 in Serie gehen. Voraussichtlich im Januar 2007 nimmt eine weitere Anlage in Himeji (Japan) die Massenproduktion von SED-Panels auf. Bei einer anfänglichen monatlichen Produktionskapazität von 15.000 Stück soll die Toshiba-Fabrik bis zum Ende des Jahres 2007 mit 70.000 Stück ihre volle monatliche Kapazität erreichen. Die sozialistische – Verzeihung, technische – Revolution ist also nicht mehr aufzuhalten.