Von der Simulation zur Realität als Modell

US-Unternehmen plant mittelgroße Geisterstadt mit Vororten zum Testen neuer Techniken

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Normalerweise entstehen Geisterstädte, wenn die Einwohner ihre Häuser verlassen und woandershin ziehen, weil es eine Katastrophe gegeben hat oder sie kein ausreichendes Einkommen erzielen können. Auch in der Folge von Immobilienblasen können Geisterstädte wie in Spanien entstehen, in denen manchmal noch kein Mensch gewohnt hat oder deren Häuser noch nicht fertiggebaut wurden und gleich zu Ruinen werden.

Vor einiger Zeit gab es zahlreiche Berichte über die chinesische Stadt Kangbashi oder New Ordos in der Wüste der Inneren Mongolei. Eine protzige, luxuriöse neue Stadt für bis zu einer Million Menschen mit achtspurigen Straßen, Hochhäusern, Parks, Museen, Luxuswohnungen, Hotels … Die Stadt wurde gebaut, weil man in der Nähe große Gas- und Kohlevorkommen entdeckt und gehofft hatte, dass diese zur Grundlage künftigen Reichtums werden und Menschen zu Hunderttausenden anziehen.

Die nahe gelegene Stadt Ordos ist eine prosperierende Minenstadt, und so dachte man sich, dass man im boomenden China mitten in der Wüste eine attraktive neue Stadt im Dubai-Stil errichten könne, in die dann auch die Behörden und die lokale Regierung umziehen sollen. Die Menschen werden schon nachkommen. Zwar scheinen viele Immobilien verkauft zu sein, die Besitzer und Investoren zieht es aber (noch) nicht nach Kangbashi, das bereits für 300.000 Menschen Platz bieten soll. Angeblich leben in der großen Stadt aber nur ein paar tausend Menschen, in der Regel Wanderarbeiter, die hier vorübergehend ihr Geld verdienen. Für eine Milliarde soll nun bis 2014 eine ganz anders geartete Geisterstadt in der Nähe von Hobbs, New Mexico, gebaut werden. In diesem Fall soll sie auch nicht von Menschen bewohnt werden, sondern das urbane Centre for Innovation, Technology and Testing (Cite) soll dazu dienen, neue Techniken wie erneuerbare Energien, intelligente Verkehrssysteme mit autonomen Fahrzeugen oder neue Funknetzwerke zu erforschen und zu testen. Auch die Sicherheit von Netzwerken oder Risiken für terroristische Angriffe sollen hier zum Gegenstand von Tests in der wirklichen Welt werden. Bauherr ist Pegasus Global Holdings, die damit das "weltgrößte Test- und Evaluationszentrum" für grüne Techniken und Technologien des 21. Jahrhunderts erstellen wollen. Ziel ist es, Forschungsinstitutionen und Unternehmen eine funktionierende, voll ausgestattete, wenn auch leere Stadt zum Testen neuer Techniken anzubieten, um Kosten und mögliche Beschränkungen besser einschätzen zu können.

Plan für Cite. Bild: Pegasus

Wie Pegasus mitteilt wird Cite einer mittelgroßen amerikanischen Stadt auf einer Fläche von bis zu 50 Quadratkilometern gleichen. Sie soll wie die normalen Städte aus neuer und alter Infrastruktur, Gebäuden mit funktionierenden Toiletten und Waschmaschinen, Straßenschluchten, einem verdichteten Zentrum, Vororten, ländlichen Gemeinden und einzelnen abgelegenen Häusern bestehen. Vom Gang in die Simulation kehrt man also wieder in die materielle Wirklichkeit zurück, die zum Modell wird. Die Stadt werde "die einzige Möglichkeit anbieten, die realen Probleme zu replizieren, die beim Upgrade einer vorhandenen Infrastruktur zu der einer Smart City des 21. Jahrhunderts entstehen, die im Rahmen einer grünen Ökonomie operiert".

Angeblich gebe es dafür ein "globales Bedürfnis". Der Bürgermeister von Hobbs, Sam Cobb, freut sich. Es sollen nicht nur direkt 350 Jobs geschaffen werden, sondern weitere 3500, die indirekt durch das Projekt entstehen, werden in Aussicht gestellt. Cobb hofft auf weitere Investitionen, eine bessere Verkehrsanbindung und internationale Aufmerksamkeit. Die Stadt soll mit privatem Geld gebaut und betrieben werden, der Bundesstaat New Mexico unterstützt die für die nächsten Monate geplante Machbarkeitsstudie, Steuergelder sollen aber keine fließen. Vielleicht hätte sich Pegasus aber besser an China und die Immobilienbesitzer in Kangbashi gewandt, um schnell an eine Geisterstadt zu kommen.