Von der wundersamen Verwandlung von Autobahnen in Finanzprodukte
- Von der wundersamen Verwandlung von Autobahnen in Finanzprodukte
- Voraussetzung für die Privatisierung der Autobahnen ist die Maut
- Autobahnen als Finanzprodukte in der Hand von Politkrämern
- Auch der Bundestag lässt sich wieder mal austricksen
- Die Wirtschaft und die Lobbyisten haben sich im Staat eingenistet
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Die Bundesregierung will Autobahnen und andere Infrastruktur endgültig an private Investoren verschachern
Im November 2016 zelebrierte die "Süddeutsche Zeitung" einen historischen Wendepunkt: Nach fast zwei Jahrzehnten hartnäckiger Bemühungen gab die Bundesregierung ein- für allemal ihre Pläne auf, die 13.000 Kilometer deutscher Autobahnen zu privatisieren. Alle Beobachter der gespenstischen Szene atmeten erleichtert auf: endlich. Es war geschafft. Bis dahin hatten alle Bundesregierungen von Gerhard Schröder bis Angela Merkel unbeirrbar an ihrem Ziel festgehalten, große Teile der deutschen Infrastruktur, vor allem aber die Autobahnen, zu privatisieren. Das war nun auf ewig vom Tisch.
So kann man sich irren.
Noch während die Privatisierungsgegner ihren "Sieg" feierten, arbeitete das Bundesverkehrsministerium längst an neuen Plänen, die deutschen Autobahnen doch noch privaten Investoren in die Hände zu spielen. Es tat das völlig unbeeindruckt davon, dass um die 80 Prozent der deutschen Bevölkerung, der Bundesrechnungshof und alle 16 Landesrechnungshöfe und so gut wie alle Verkehrsexperten entschieden dagegen sind. Das geht der Bundesregierung völlig am Rücken vorbei.
Für diese Verstocktheit gibt es eine einfache Erklärung. Es sind die Lockungen des auf dem Markt vagabundierenden Kapitals, dem die Politik sich widerstandslos unterwirft. In Banken und Versicherungen hat sich in Zeiten der Nullzinspolitik ungemein viel Kapital angesammelt. Das giert geradezu nach Anlagemöglichkeiten. Rentablen Anlagemöglichkeiten.
Daher ist dies zugleich ein auch für Skeptiker leicht begreifbares Lehrstück in Sachen "Vereinbarkeit von Kapitalismus und Demokratie". Es zeigt nämlich: Wenn Demokratie und Kapitalismus im Widerstreit zusammenprallen, geht die Demokratie baden und das Kapital trägt den Siegt davon; denn die Banken und Versicherungen üben seit Jahren auf die Bundesregierung einen machtvollen Druck aus, die Autobahnen in ihre private Hände zu geben. Und wenn Banken und Versicherungen, also mächtige Geldhäuser, etwas wollen, das die breite Bevölkerung nun einmal partout nicht will, dann zieht die wacker arbeitende Bevölkerung immer den Kürzeren.
Das Volk hat in Fragen des Volkseigentums nichts zu sagen
Das erklärt auch, warum die neuerlichen Pläne, die Autobahnen, die das Volk schon mehrfach bezahlt hat und die ihm längst gehören, so ganz unter völliger Missachtung demokratischer Gepflogenheiten, namentlich unter Missachtung des Parlaments als Vertretung des Volks, verschachert werden sollen. Die Organe des breiten Volkes interessieren in Fragen der Kapitalverwertung keinen Entscheider. Das Volk und seine Vertretung haben in Demokratien beim Thema Volkseigentum nichts zu sagen. Es soll gefälligst die Klappe halten.
Das neue Gesetzeswerk ist nichts als ein ebenso großangelegter wie skrupelloser Taschenspielertrick. Pro forma ist die ursprünglich von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble einst favorisierte "materielle Privatisierung" tatsächlich vom Tisch. Private Investoren dürfen laut Grundgesetz also keine Anteile an der zu gründenden "Infrastrukturgesellschaft Verkehr" erwerben. Doch das ist kein Grund zum Jubeln. Wenn es nicht durch die Vordertür geht, dann eben durch die Hintertüre. Die Konstruktionspläne der Infrastrukturgesellschaft basieren auf nichtöffentlichen Gutachten der Wirtschaftskanzlei Graf von Westphalen.
Nun sollen sich Private grundgesetzlich am Eigenkapital von Tochtergesellschaften beteiligen dürfen. Statt von vorn nun also von hinten. Diese Verwaltungsgesellschaft soll privatrechtlich als GmbH organisiert werden und wird also "formell" privatisiert. Nach vier Jahren soll dann die Bundesregierung diese Rechtsform "evaluieren". Danach kann die Verwaltungsgesellschaft auch in eine Aktiengesellschaft umwandelt werden.
Völlig frei steht es der Bundesregierung, die dritte Form der Privatisierung umzusetzen, also die "funktionale Privatisierung" als Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) oder "Public-Private Partnerships (PPP). Private Unternehmen sollen sich so am Bau und Betrieb von Autobahnen beteiligen können. Zudem soll Fremdkapital zum Einsatz kommen, für das der Bundeshaushalt haftet, etwa wenn eine beteiligte Gesellschaft Konkurs anmeldet.