Vorauseilender Gehorsam beim Jugendschutz

Sony: Wir müssen uns an die Spielregeln halten

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Das Branchenmagazin MCV-Online berichtet, dass Sony freiwillig auf den Deutschlandstart des PS2-Spieles Vampire Night zum 14. Juni verzichten wird. Doch Sony würde sogar noch einen Schritt weitergehen und kann sich vorstellen, dass die USK schon während einer Spielentwicklung das Storyboard begutachtet.

Nach Erfurt betreiben viele Politiker mit der angeblichen Gewaltverherrlichung in Computerspielen ein makaberes Spiel. Dabei wurden nicht nur Verbote von bestimmten Computerspielen gefordert, sondern schon die Herstellung von Gewaltspielen sollte nach Stoibers Ansicht verboten sein. Dieser Forderung scheint nun Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin durch eine Verschärfung des Strafrechtes nachkommen zu wollen, wie der Spiegel berichtet. So soll es härtere Strafen für die Herstellung und Verbreitung gewaltverherrlichender Bildträger oder Datenspeicher geben.

Gemeint ist der § 131, der schon heute im Strafrecht vorhanden ist. Jedoch hat es bislang kaum ein Staatsanwalt gewagt, diesen Paragrafen überhaupt konsequent auszulegen. Nur sehr wenige Spiele wurden wegen des § 131 aus dem Verkehr gezogen. Der § 131 soll in Zukunft bereits bei "Gewalttätigkeiten von einiger Erheblichkeit" greifen und auch gelten, wenn sich die Gewalt gegen "menschenähnliche Wesen" richtet. Dabei soll beachtet werden, dass die Gewaltdarstellung nicht in verherrlichender, verharmlosender oder sonst die Menschenwürde verletzender Weise geschieht. Die Höchststrafe soll bis zu fünf Jahren betragen.

Im neuen Jugendschutzgesetz ist bereits vorgesehen, dass "Trägermedien, die den Krieg verherrlichen, die Menschen in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellen oder Jugendliche in geschlechtsbetonter Körperhaltung zeigen, schon ohne Indizierung durch die Bundesprüfstelle mit weitreichenden Abgabe-, Vertriebs- und Werbeverboten belegt werden".

Sony zieht inzwischen die ersten Konsequenzen aus der aktuellen Diskussion und wird das PS2-Spiel "Vampire Night" nicht wie geplant am 14. Juni veröffentlichen. Das Spiel ist ein so genannter Arcade-Shooter, der mit einer Light Gun gespielt werden kann. In der Rolle eines Vampirjägers ist das einziges Spielziel, das Böse zu vernichten - "Blood Violence" wird als Einstufung angegeben. "Vampire Night" bietet sieben unterschiedliche und große Level, die jeweils mit einem Endgegner abgeschlossen werden müssen. Wegen des hohen Gewaltanteils wird Sony mit dieser Version nicht den deutschen Markt beliefern. Offizielle Stellungnahme gegenüber MCV: "Wir haben die Veröffentlichung auf unbestimmte Zeit verschoben."

Deutschland dürfte wohl die Ausnahme bleiben, denn anderswo wird die Version verkauft. Sony-Geschäftsführer Manfred Gerdes will mit seiner Aktion einlenken, aber nicht klein beigeben: "Die Politik darf sich in ihrem Handeln nicht bestätigt fühlen und unsere Branche darf sich in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung nicht überschätzen." Man könne nicht einerseits politische Gespräche führen und andererseits doch solche Produkte auf den Markt bringen. Man will sich an die Spielregeln halten und kann sich sogar vorstellen, dass man der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) schon Storyboards zur Begutachtung vorlegt. Im Endstadium der Produktion wäre sogar eine Vorprüfung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPjS) denkbar. Doch die wird sich bedanken, wenn sie - quasi kostenlos - eine jugendschutzrelevante Abschätzung für die Industrie abzugeben hätte. Denn bei allen politischen Forderungen hat man bislang von keinem Politiker gehört, dass man das Personal der BPjS aufstocken will.

Mit diesem vorauseilenden Gehorsam will der Sony-Geschäftführer einen möglichen Imageschaden vom Unternehmen abwenden und dadurch mögliche finanzielle Einbußen in Grenzen halten. Implizit scheint er zu denken, dass die Regierung dann, wenn die Anbieter nicht die Gewalt in den Spiel beschränken, noch strengere Gesetze machen könnte, in denen dann nicht gar nicht mehr gekämpft werden kann - und die Folge wären dann offenbar langweilige sowie unverkäufliche Spiele: "Das Horrorszenario wäre, wenn nicht einmal mehr Comic-Figuren geschlagen werden dürfen." Da sei die Selbstbeschränkung vor. Doch warum stellt Sony dann nicht einen Jugendschutzexperten ein, der bereits bei der Planung und Entwicklung der Spielsoftware dabei ist?