Vorsicht, "Rentner" im Netz

Von der Plage der lästigen Nachbarn

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Hausmeister und „Das Betreten des Rasens ist verboten und führt zur sofortigen Anzeige“-Schilder sind auch im normalen Leben bereits eine deutsche Krankheit. Im Netz findet sie jedoch zur Vollendung. Und die unproduktiven Störenfriede können auch noch regelmäßig betonen, dass sie allein für Recht und Ordnung sorgen und das Gesetz hinter sich haben.

So mancher gute Deutsche interessiert sich auch in jungen Jahren schon mehr dafür, was die Nachbarn den lieben langen Tag so alles machen, als sich um seinen eigenen Kram zu kümmern. Es ist eine verbreitete Unsitte, sich das Leben dadurch einfach zu machen, dass man lieber an anderen herum meckert, statt es selbst besser zu machen. Doch erst, wenn das aktive Arbeitsleben vorbei ist und man nicht mehr Kollegen oder Untergebene schikanieren kann, fällt dieses Verhalten so richtig auf.

Wir alle kennen die Rentner, die sich schon am frühen Morgen ein Kissen ans Fenster legen, um neugierig den ganzen Tag die Nachbarschaft zu beobachten. Seit der Erfindung des Fernsehens gibt es für diese Leute glücklicherweise eine Alternative zum Fensterbrett. Doch nun haben sie auch das Internet entdeckt.

Wer zuvor stets aktiv war, gibt sich nun nämlich nicht brav mit dem passiven TV-Glotzen zufrieden, sondern will weiter voll im Leben stehen. Glück gehabt hat der, in dessen Straße einige Verbotsschilder stehen, besonders wenn diese nicht für jeden sofort ersichtlich sind. Hervorragend geeignet sind zum Beispiel solche Schilder, die im Sommer von im Laufe der Jahre in die Höhe gewachsenen Bäumen verdeckt werden und so nur im Winter sichtbar sind. Damit muss der frisch gebackene Rentner zwar im Winter noch weiterhin auf das Fernsehprogramm zurückgreifen, doch im Sommer bestimmt er nun wieder was läuft.

Hilfssherrifs lauern auf Opfer

Sobald sich nämlich ein junger Bursch von 18 bis 65 Jahren mit seinem Automobil unglücklicherweise in die betreffende Straße verirrt, schlägt der Rentner gnadenlos zu: die Telefonnummer des nächsten Polizeireviers weiß er selbstverständlich auswendig, und auch wenn die Herrschaften dort schon wissen, was sie von ihm zu halten haben, sind sie über das solchermaßen leicht verdiente Ordnungsgeld nicht böse.

Auf diese Weise ergibt sich durch die Unterstützung der zivilen Bevölkerung eine maximale Effizienz der kommunalen Parküberwachung: Schon die neue Freundin mit dem Wagen abzuholen und dabei 5 Minuten vor der Tür zu stehen, kostet den vollen Tarif. Und ja, jeder sonst hätte das gewusst, nur sie hat nicht daran gedacht, dass er heute das erste Mal mit dem Auto kam. Und schon hat das erste Rendezvous einen lästigen Beigeschmack bekommen.

Diesem Problem lässt sich durchaus beikommen: indem man nur noch öffentlich verkehrt, sich eine andere Freundin sucht oder zukünftig in eine andere Straße parkt, in der alle Bewohner noch im arbeitsfähigen Alter sind. Man muss sich dann nur vor gelangweilten Hausfrauen hüten, doch rufen diese üblicherweise nicht gleich die Polizei an.

Vom Hausmeister zum Jäger

In den letzten Jahren wurde jedoch auch ein neues Medium erfunden, das besonders für die geeignet ist, denen Fernsehen einfach zu langweilig ist: Das Internet! Hier hilft es nur nicht, sich nur seine Nachbarschaft und seinen Umgang genau auszusuchen und sich vorher zu überlegen, welche Orte man besucht. Natürlich kann man problematischen und unsicheren Gegenden aus dem Weg gehen. Zwielichtige Spelunken, in denen es regelmäßig zu Schlägereien kommt – wie beispielsweise von Juristen oder solche, die es gerne wären, besuchte Foren –, wird man zweckmäßigerweise meiden oder sich dort zumindest nicht zu erkennen geben.

Doch im Internet reicht es nicht, nur nicht vor einem Rentnerhaus zu parken. Hier muss man nämlich nicht unbedingt selbst zu den Rentnern kommen, die Hausmeister, Rentner und Blockwarte kommen auch zu einem! Sie fahren vor das eigene Haus und kontrollieren, ob die Haustüre korrekt schließt, der Name richtig geschrieben ist, das Telefon zügig beantwortet wird, die Fernsehantenne gerade hängt, Fernseher und Auto ordentlich angemeldet sind, der Rasen nach DIN-Norm gemäht ist und die Gartenzwerge der seit drei Tagen geltenden neuen Vorschrift entsprechen.

Ist am schmucken Eigenheim nichts auszusetzen, so findet sich bestimmt eine andere Möglichkeit der Schikane, wie beispielsweise den Nachbarn schlimme Sachen über ihren Mitbewohner zu erzählen, böse Sprüche in das an der Garagentüre hängende Gästebuch zu schreiben oder gleich Graffitti auf dieselbe zu sprühen. Beliebt ist es auch, Klingelbahn zu machen oder die Telefonnummer beziehungsweise E-Mail-Adresse des Hausbesitzers an den Wänden des örtlichen Bahnhofsklos zu hinterlassen. Nur, weil man für Recht und Ordnung eintritt, muss man sich ja nicht auch selbst entsprechend benehmen, so der Online-Rentner, der in diesem Moment in die Pubertät zurückfällt und zum 16jährigen Gang-Mitglied wird.

Online-Querulant zu sein, wird vom Staat finanziell belohnt

Die Zeiten, in denen Onliner eine verschworene Gemeinschaft waren, sind lange vorbei. Heute gibt es im Netz ebenso Nervensägen, Kriminelle und Terroristen wie im normalen Leben – nein, eigentlich sogar deutlich häufiger. Aber vor allem jede Menge unterbeschäftigte Rentner, die den ganzen lieben Tag nichts besseres zu tun haben, als zu schauen, was die anderen Netz-Mitbewohner wohl so alles falsch gemacht haben könnten.

Das Dumme dabei: Im Gegensatz zum richtigen Leben bekommt der Blockwart hier noch eine Belohnung in bar. Ja, es ist online so finanziell einträglich, ein sozialer Psychopath zu sein, dass deren immer mehr werden.

Es wird Zeit, für eine modernere Neuerfindung des Fernsehens, um die digitalen Rentner wieder von der Straße und dem Datenhighway weg zu bekommen und sie mit irgend etwas zu beschäftigen, wo sie keinen Schaden anrichten können und dem Rest der Menschheit nicht mehr auf die Nerven gehen. Die Heise-Foren sind hierzu jedenfalls entgegen anderer Gerüchte auch an Freitag-Nachmittagen nur sehr bedingt geeignet