Vorweihnachtliche Beisetzung der Queen

Westminster Hall, 18. September 2022. Foto: Katie Chan/CC BY-SA 4.0

Mit dem Großereignis der Grablegung enden nicht nur das Kapitel ihrer langen Regentschaft, sondern auch die teils kuriosen Trauermaßnahmen. Das Vereinigte Königreich ist am absteigenden Ast.

Hunderte von Staatschefs, gekrönte Häupter aus aller Welt, Kirchenvertreter und sonstige Prominente haben sich gestern im festlich geschmückten London eingefunden, um Queen Elizabeth II die letzte Ehre zu erweisen.

Es wurde alles an Fähnchen, Prachtunformen und kunstvoll verzierten Teetassen ausgepackt, was das Königreich noch zu bieten hat. Die verschiedenen Risse im Staatsgefüge und zahlreichen Sprünge in der Schüssel lassen sich aber kaum mehr überdecken.

Sind Briten sonderlich?

Richtig trauern will gelernt sein. Zahlreiche spleenige Verrücktheiten waren vor der Grablegung der Queen bekannt geworden. Der Sportverband British Cycling meinte, aus Respekt vor der Queen solle man nicht mehr Fahrradfahren und die Gemeinde Norwich ließ sogar Fahrradständer aus Respekt vor der Queen sperren.

Hier zeigt sich ein eigentümliches Verhalten sowohl zur Trauer, als auch zum Fahrradfahren, das anscheinend als reine Freizeit-Tollheit gesehen wird. Schließlich plante niemand aus Respekt vor der Queen Autobahnen zu sperren. Zugegeben, der Flugplan von Heathrow wurde umgestellt, damit die Grablegung nicht vom Fluglärm gestört wird.

Boris Johnson hatte vor vielen Jahren, bereits in seiner schwer nachahmbaren Art, zu den damaligen Trauerfeierlichkeiten von Lady Di gemeint, seine Landleute erschienen ihm wie "südamerikanische Bauern", die von einem Wahn der Heiligenverehrung ergriffen sind.

Dabei übersieht Johnson, der gerade (ziemlich unzufrieden mit sich und der Welt) in der zweiten Reihe "trauern" muss, dass kollektive Handlungen immer mehrdimensional sind. Die Menschen, die sich in London und Edinburgh in Schlagen stellen, stehen dort nämlich aus ganz unterschiedlichen Motiven.

Sicherlich, viele wollen der Queen einen letzten Respekt zollen, durchaus auch aus Verbundenheit zur Monarchie. Andere kommen eher wegen der individuellen Person von Queen Elizabeth, die sie als integrere Persönlichkeit sahen oder eben auch sehen wollten.

Schließlich ist ein Mensch, der konstitutionell dazu verurteilt ist, nichts zu sagen, in seinem Nichtsagen ein ideales weißes Blatt Papier. Dem kann die jeweils gewünschte Haltung und Meinung zugeschrieben werden, à la "Die Queen würde sicherlich x, y und z".

Viele andere kamen schlicht, weil sie ein kollektives, großes Ereignis sahen, dessen Teil sie sein wollten. Die Lust am Erlebnis der Gruppenidentität "Britishness" bedeutet noch lange nicht, dass alle Anwesenden jeden einzelnen der Paragraphen eines geziemenden, britischen Nationalgefühls unterschreiben würden.

Nicht zuletzt kamen einige auch aus blanker Ironie, um im Pub später erzählen zu können, sie seien bei "der alten Schachtel" gewesen. Beim Warten in der kilometerlangen Schlange, konnte man schließlich die vernebelten Tölpel aus nächster Nähe beobachten, um sich jedes Vorurteil über Monarchisten nochmals selbst und mit eigenen Augen und Ohren zu bestätigen.

Angefangen bei dem Vermögen, das für Blumen und Kränze ausgegeben wurde, bis hin zu den belegten Marmeladen-Broten, die der Queen für die Reise ins Jenseits mitgegeben wurden, schließlich hatte sie im Film zu ihrem letzten Thronjubiläum Paddington Bär versichert, dass sie stets eine geschmierte Stulle bei sich tragen würde.

Darf man das auch falsch finden?

Und dann war da noch der Protest. Jener äußerst jung aussehenden Mann beispielsweise, der in Schottland dem hinter dem Sarg herlaufenden Sohn der Queen zurief: "Prinz Andrew, Sie sind ein kranker, alter Mann." Der Satz beinhaltet eine durchaus zu diskutierende Hypothese, für deren Untermauerung zahlreiche Beispiele angeführt werden könnten.

Die Polizei sah es anders und führte den Protestierenden äußerst unsanft ab. Der wiederum schrie: "Ich habe nichts Falsches getan." Auch ein Satz, der vermeintlich richtig ist. Während das Land aber gerade keine Lust hat über Polizeigewalt zu diskutieren, zeigte sich, dass es im selbsterklärten Mutterland der freien Meinungsäußerung sehr wohl verboten ist, die Royals öffentlich zu kritisieren.

Ein Barrister (bei Gericht zugelassener Anwalt) machte in London die Probe aufs Exempel. Er hielt den anwesenden Polizeibeamten ein leeres Plakat unter die Nasen und fragte, wenn er auf den Zettel schreiben würde: "Ich habe Charles III. nicht gewählt" oder "Das ist nicht mein König", ob er dann festgenommen würde. Die Beamten bestätigten ihm dies.

Welche Bedeutung hat das Königreich?

Die Welt stand nicht still beim Tod der Queen. Die russische Führung fand es "blasphemisch für die Erinnerung an die Queen" nicht eingeladen worden zu sein und bombte weiter. In Österreich verwehrten sich Gemeinden, Trauer zu flaggen wegen einer Monarchin, die für die Republik keine Bedeutung hat. Um zwei willkürliche Beispiele zu geben.

Viele Staatschefs waren allerdings gekommen, vielleicht auch weil sie spürten, an diesem Tag wurde mehr als die Queen zu Grabe getragen. Das Vereinigte Königreich ist am absteigenden Ast. Der neue König versucht bereits im vorauseilenden Gehorsam zu sparen und entließ zahlreiche seiner eigenen Angestellten, was ihm wiederum nur schlechte Presse brachte. Unbedingt im Internet nachlesen, lieber Charles: "Wie wirkt eine Kündigung weniger unmenschlich?"

Diese Sparmaßnahmen werden dem derweil sehr übellaunig agierenden Charles wenig nützen. In einem Land, in dem diesen Winter vielleicht gefroren werden muss, wird das Leben im Palast immer obszöner. Nun ist Obrigkeitshörigkeit durchaus auch ein britisches Phänomen, aber es wird doch von vielen Bürgern zwischen angeblicher Leistung (Milliardäre) und alimentierten "Nichtsnutzen" unterschieden.

Das gerne angeführte Argument, die Queen habe das Land "zusammengeführt", verlachen viele. Elizabeth nahm ihren Tee mit Personen ein, denen halb Kensington gehört, während Menschen in zwei Jobs schuften müssen, um sich einen fensterlosen Raum in Lewisham leisten zu können.

Wie hat die Queen diese Menschen zusammengeführt, während sie vom Elend letzterer vielleicht nicht einmal von Hörensagen wusste und sie selbst fleißig Immobilienbesitzvermehrung betrieb?

Einen tieferen Sinn hat die Verabschiedungszeremonie eher nicht. Den Kindern und Enkeln der Queen, die sicherlich persönlich betroffen sind, verunmöglicht das ganze Brimborium echte Trauerarbeit.

Die Öffentlichkeit kann im Schaulaufen der Schwarztragenden zumindest die jeweiligen Ehepartner der Staatsspitzen begaffen. Einzig die Labourvertreter Blair, Brown und der aktuelle Vorsitzende Starmer kamen zunächst nur solo zum Gottesdienst.

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