WWF-Report: Lebensmittelimporte zerstören den Planeten
Seite 2: Auf fast zwei Dritteln der EU-Ackerflächen wächst Tierfutter
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- Auf fast zwei Dritteln der EU-Ackerflächen wächst Tierfutter
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Die Agrarsubventionen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zielen darauf ab, die Produktion bei Getreide, Fleisch und Milchprodukten immer weiter zu steigern. Dabei essen europäische Konsumenten längst viel mehr Fleisch, als für eine gesunde Ernährung erforderlich wäre und dem Planeten gut tut. So könnte die Zahl der vorzeitigen Todesfälle um etwa 20 Prozent gesenkt werden, würde der Fleischkonsum reduziert, glauben Ernährungsexperten.
Mindestens die Hälfte der EU-eigenen Getreideproduktion wird zu Futtermittel verarbeitet. So wurden von den 65 Millionen Tonnen, die in der EU während der letzten beiden Jahre erzeugt wurden, 50 Millionen Tonnen an Nutztiere verfüttert. Hülsenfrüchte, Ölsaaten, Sonnenblumen und Raps hingegen werden sowohl zu Futtermittel als auch zu Öl (Biokraftstoffe) verarbeitet.
Deutschland importiert außer tierischer Produkte, Genussmittel und verarbeiteter Lebensmittel auch Getreide, Ölfrüchten und vor allem Düngemittel. So werden drei Viertel der landwirtschaftlichen Flächen – also 134 Millionen von 179 Millionen Hektar – mit Mineraldünger gedüngt. Der größte Teil der Düngemittel, darunter 85 Prozent des benötigten Kaliums und 68 Prozent des Phosphats, wird normalerweise aus der Westsahara, Weißrussland und Russland eingeführt.
Zwar werden 70 Prozent des hier verbrauchten Stickstoffs in der EU produziert, doch hängt die Produktion von einem weiteren wichtigen Importgut ab: Erdgas. Wegen Preissteigerungen und Engpässen bei Gas und Mineraldünger sind diese Ressourcen zum knappen Gut geworden. Dazu kommt: Die eingeführten Futtermittel enthalten die Nährstoffe, die bei deren Anbau gedüngt wurden. Die Stoffe reichern sich in jenen Regionen an, in denen sich Betriebe mit intensiver Tiermast häufen. Dort vergiften überschüssiger Stickstoff, Phosphor aus Gülle und Jauche die Böden, Flüsse und das Grundwasser.
Wegen Klimawandel und Überfischung brechen Bestände zusammen
Weltweit ist die EU der wertmäßig größte Markt für Fisch. So liegt der durchschnittliche Pro-Kopf-Konsum bei 24 Kilo pro Jahr. Der Selbstversorgungsgrad der EU aus Fischerei- und Aquakultur liegt bei etwa 40 Prozent, mit sinkender Tendenz. Das ist einerseits auf einen Rückgang der Produktion, andererseits auf einen Anstieg der Importe zurückzuführen.
Mehr als ein Drittel der weltweiten Fischbestände zu stark befischt, darunter die meisten Meeresregionen innerhalb der EU. In Nord-, Nordwest- und Westafrika werden mehr als 50 Prozent der Fischbestände größtenteils von ausländischen Flotten überfischt. Damit verbunden sind oft Zwangsarbeit und Menschenhandel.
Das bedroht nicht nur die marinen Ökosysteme und die schwindenden Wirbeltierpopulationen, sondern auch Millionen Menschen, die von der Fischerei und Aquakultur leben. Mit dem Klimawandel werden sich die Erträge vermindern. Das Fangpotenzial wird besonders in tropischen Ländern abnehmen, die in hohem Maße von Fischproteinen abhängig sind. Dies wird die Konflikte um Ressourcen weiter verschärfen. Mit der Erwärmung der Ozeane verlagern sich die marinen Arten zudem in höhere Breiten und tiefere Gewässer. In Europa betriffdas zum Beispiel den norwegischen Heringsbestand.
In der EU werden immer mehr Fisch und Meeresfrüchte, Lachs, Muscheln, Garnelen, aber auch Süßwasserfische wie Forellen konsumiert. Fast ein Viertel des verzehrten Fischs stammt aus Aquakulturen. 2019 erreichte die weltweite Produktion von Fisch und Meeresfrüchten einen neuen Höchststand von 214 Millionen Tonnen. 120 Millionen Tonnen davon kamen aus der Fischzucht.
Zwar hat die EU nur einen Anteil von etwas mehr als einem Prozent an der weltweiten Aquakulturproduktion, dieser allerdings wächst enorm. Problematisch ist auch das Fischfutter, das neben Fischmehl und Fischöl aus der Fangfischerei zunehmend importiertes Sojamehl enthält. Neben wachsendem Futtermittelbedarf und hohem Energieverbrauch sind zunehmend Krankheiten problematische Begleiterscheingen der Aquakultur.
Lebensmittelverschwendung: Nahrung, die niemanden ernährt
Bis zu 40 Prozent aller weltweit produzierten Lebensmittel werden nie verzehrt. Glaubt man dem Food Waste Index des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), landen weltweit jährlich 931 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Der Lebensmittelabfall ist für acht bis zehn Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. So werden innerhalb der EU schätzungsweise 88 Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet – durchschnittlich 173 Kilo pro Person und Jahr.
Allein in der Landwirtschaft gehen jährlich geschätzte 1,2 Milliarden Tonnen Lebensmittel während oder kurz nach der Ernte verloren. Das entspricht rund 15 Prozent der gesamten Produktion. Die Ursachen dafür sind unterschiedlich: Extremwetter wie Dürre oder Überflutung, aber auch landwirtschaftliche Überproduktion, Nachfrageschwankungen und Gemüse, das nicht der Norm entspricht. Oft fehlt das Kapital für Investitionen in moderne Lagertechniken.
So werden Bestellungen storniert, oder die Nachfrage bricht ein, so dass es wirtschaftlicher ist, die Ernten zu vernichten, so wie im Fall der deutschen Erdbeer- und Spargelernten von Mai und Juni dieses Jahres.
Tonnenweise Meerestiere müssen umsonst sterben, als unerwünschter Beifang: weil sie zu klein sind, einen geringen Marktwert haben oder nicht unter die Quoten fallen. Weltweit werden jedes Jahr rund neun Millionen Tonnen Fisch ins Meer zurückgeworfen. Zurück im Meer, sind die Überlebenschancen der Tiere gering.
Nötig ist ein Paradigmenwechsel
Die Autoren kommen zu folgendem Schluss:
• Weltweit werden genug Lebensmittel produziert, um alle Menschen zu ernähren - auch im Jahre 2050, wenn schätzungsweise 9,7 Milliarden Menschen die Erde bevölkern.
• Die EU muss ihren Agrarsektor und ihre Rolle ökologisch nachhaltig ausrichten. Anstatt intensiver Tierhaltung mit Importfutter braucht es Weidehaltung, kombiniert mit dem Anbau von Leguminosen. So werden Lebensmittelabfälle reduziert und Nahrungskreisläufe geschlossen.
• Um Übernutzung und Umweltbelastungen zu vermeiden, muss die Zahl der Nutztiere den verfügbaren Flächen angepasst werden.
• Die EU muss Verantwortung gegenüber den Meeresökosystemen übernehmen. Neben einem besseren Management beim Fischfang braucht es eine nachhaltige Aquakultur.
• Lebensmittelverluste müssen halbiert werden.
Dies sind nur einige Stellschrauben, über die sich der landwirtschaftliche Fußabdruck Europas im In- und Ausland verringern lässt. Ziel muss ein regeneratives, naturverträgliches Modell der Lebensmittelproduktion sein, das alle Menschen satt macht.
Die Motivation der Verbraucher ist vorhanden: Immer mehr Europäer wollen sich nachhaltig bzw. ökologisch ernähren. So wünschten sich bei einer Befragung durch Eat4Change von mehr als 11.000 Erwachsenen in neun europäischen Ländern etwa drei Viertel der Befragten beim Einkauf nachhaltige Produkte, deren Herstellung nicht auf Kosten der biologischen Vielfalt geht. Darüber hinaus wünschen sich die Befragten, dass sich die EU stärker für den Schutz der Wälder und anderer Ökosysteme einsetzt und eigene Kriterien für Lebensmittelimporte festlegt.
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