Waffen statt Worte: Nahost-Krise spitzt sich zu

Israelisches Abwehrsystem Iron Dome. Bild: Hamara/ Shutterstock.com

Iran greift Israel an. Die USA verurteilen die Aggression. Spannungen erreichen einen neuen Höhepunkt. Deutsche Diplomaten sehen ein anderes Problem. Ein Bericht.

Inmitten zunehmender Spannungen im Nahen Osten hat sich die Lage durch einen Angriff des Iran auf Israel weiter verschärft. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin verurteilte den Angriff als "ungeheuerliche Aggression" und forderte den Iran auf, "weitere Angriffe, auch durch seine Stellvertreter-Terrorgruppen, einzustellen".

Zugleich zeigte sich Austin zufrieden darüber, dass US-Truppen geholfen hätten, israelisches Leben vor dem iranischen Angriff zu retten und Israels Verteidigung zu unterstützen, um eine Eskalation des Konflikts zu verhindern. Er betonte, dass die US-Streitkräfte bereit seien, US-Truppen und Partner im Nahen Osten zu schützen.

Unterdessen meldete die israelische Zeitung Haaretz, die israelische Luftwaffe habe Hamas-Mitglieder angegriffen, die sich nach Angaben der Armee in einer Schule in Zentral-Gaza versteckt hielten. Kurz darauf heulten in der nordisraelischen Stadt Kiryat Shmona und den umliegenden Gemeinden die Sirenen.

Donald Trump kommentierte die Spannungen zwischen Israel und dem Iran mit dem Vergleich eines "Schulhofstreits zwischen zwei Kindern". Er betonte die Notwendigkeit, den Friedensprozess fortzusetzen und kritisierte die aktuellen Ereignisse als respektlos gegenüber den Vereinigten Staaten.

Der französische Präsident Emmanuel Macron verurteilte ebenfalls die iranischen Angriffe auf Israel und kündigte an, dass Frankreich als Zeichen seines Engagements für die Sicherheit Israels seine militärischen Ressourcen im Nahen Osten mobilisiert habe.

Kritisch äußerten sich die USA über die Gewalt israelischer Siedler. Das Außenministerium in Washington forderte die israelische Regierung auf, gegen die Siedlergewalt gegen palästinensische Zivilisten vorzugehen und betonte die Notwendigkeit, diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, die im Westjordanland gewalttätig geworden sind.

Die Sanktionen betrafen Avichai Swissa, CEO der Organisation "Shomer Yosh", und Eitan Yardeni, der in gewalttätige Vorfälle gegen Palästinenser verwickelt war. Sanktionen wurden auch gegen weitere Strukturen radikaler israelischer Siedler verhängt.

Die Situation war am Dienstagabend weiter eskaliert, als der Iran Israel mit Raketen angegriffen hatte. Knapp 200 Geschosse sollen abgeschossen worden sein. Handyvideos, die im Netz kursierten, zeigten zahlreiche Einschläge. Erst am Abend gab die israelische Armee Entwarnung; die Bürger konnten die Schutzräume verlassen.

Das Pentagon stufte den Angriff als doppelt so stark ein wie im April. Für den Fall einer israelischen Reaktion gegen den Iran droht Teheran mit weiteren Angriffen. Ungeachtet dieser Drohungen warnte eine nicht näher bezeichnete israelische Quelle, der Iran werde einen hohen Preis zahlen, so die israelische Tageszeitung Haaretz.

Die USA haben nach eigenen Angaben ein Dutzend Abfangraketen eingesetzt, während Israel die meisten Geschosse abgefangen hat. Genaue Zahlen wurden nicht genannt.

Im Zuge der Angriffe kam es auch zu einem gewaltsamen Zwischenfall in Jaffa, bei dem nach Polizeiangaben sechs Menschen bei einer Schießerei getötet wurden.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu betonte bei einer Sitzung des Sicherheitskabinetts, dass der Iran einen großen Fehler begangen habe und dafür bezahlen werde. "Wer uns angreift, den werden wir angreifen", so Netanjahu.

Auch US-Präsident Joe Biden äußerte sich zu den Ereignissen und versicherte Israel die volle Unterstützung der USA. Ein Gespräch mit Netanjahu habe bisher nicht stattgefunden, es sei aber geplant. Die Reaktion Israels auf den Iran und mögliche Konsequenzen würden noch diskutiert, so Biden.

Die israelische Armee gab bekannt, dass bei einem Drohnenangriff auf die Hamas mindestens 15 Menschen getötet und 20 verletzt wurden.

Die internationale Gemeinschaft reagierte mit Besorgnis auf die jüngsten Entwicklungen. Der britische Premierminister Keir Starmer und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verurteilten den iranischen Angriff auf Israel.

Starmer betonte, Großbritannien stehe an der Seite Israels und erkenne dessen Recht auf Selbstverteidigung an. Der Iran müsse seine Angriffe einstellen. Die Frage, ob Großbritannien militärisch eingreifen werde, ließ Starmer offen.

Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verurteilte den iranischen Angriff und forderte einen sofortigen Waffenstillstand in der Region, um eine Eskalation zu verhindern. Die EU sei uneingeschränkt bereit, einen regionalen Krieg zu verhindern.

Im Südlibanon entdeckten die israelischen Streitkräfte nach eigenen Angaben Dutzende Waffen, eine Raketenabschussbasis und Gefechtsstände der Hisbollah. Die israelische Luftwaffe griff im Laufe des Abends mehr als 100 Ziele an.

Die Europäische Union wurde von den Ereignissen offenbar überrascht. Dort war man am Montag noch mit den Gefechten zwischen Israel und dem Libanon befasst. Der Generalsekretär des Europäischen Auswärtigen Dienstes, Stefano Sannino, betonte im Namen des Hohen Vertreters die Notwendigkeit einer engen Abstimmung innerhalb der EU-Mitgliedstaaten angesichts der jüngsten Ereignisse im Libanon.

Nach diplomatischen Quellen wies er vor Diplomaten der EU-Mitgliedsstaaten darauf hin, dass wenig Zeit bleibe, in dem es noch möglich erscheine, ein "Worst-Case-Szenario" zu verhindern.

Nach Angaben eines beteiligten Diplomaten sieht sich die EU in einer guten Position, um eine führende Rolle bei der Konfliktlösung zu spielen. In internen Beratungen sei ihre langjährige Partnerschaft mit dem Libanon und ihr Engagement im Rahmen der UNIFIL-Mission sowie Kontakte zu den libanesischen Streitkräften und anderen lokalen Akteuren angeführt worden.

Die EU arbeitet derzeit an einer gemeinsamen Erklärung als Zeichen der Geschlossenheit. Sie soll unmittelbar nach einem Sondertreffen des Rates für Auswärtige Angelegenheiten veröffentlicht werden. Das Auswärtige Amt und die deutsche Bundesregierung habe einen ersten Entwurf als unausgewogen zurückgewiesen.

Für die EU ist die Lage im Libanon noch aus einem anderen Grund brisant. Derzeit befinden sich rund 35 Mitarbeiter der EU-Delegation im Libanon, von denen einige versuchen, das Land mit kommerziellen Flügen zu verlassen. Man hoffe auch auf Unterstützung durch von Deutschland und den Vereinten Nationen organisierte Flüge.

Für den Fall, dass der Flughafen Beirut nicht mehr sicher genutzt werden kann, gebe es bereits Sondierungsgespräche mit Zypern über eine mögliche Evakuierung auf dem Seeweg. Insgesamt halten sich noch rund 42.000 EU-Bürger sowie Bürger aus Norwegen und der Schweiz im Libanon auf.