Waffenexporte und Grenzen des parlamentarischen Informationsrechts
Das Bundesverfassungsgericht entscheidet, dass die Bundesregierung Abgeordnete nicht vorab über ihre Rüstungsexportbeschlüsse informieren muss
Wie riskant die Lieferung von Rüstungsgütern in Krisengebiete ist, weil davon die falschen Kräfte Nutzen ziehen können, wird vom Islamischen Staat vorgeführt, dessen Milizen sich von Munition über Panzer bis hin zu Flugzeugen aneignen, was nicht für sie bestimmt war. Der Kampf gegen den IS führt auch ein anderes Dilemma vor Augen: Dass nämlich die Frage der Lieferungen nicht immer einfach zu beantworten ist, wie die Hilferufe der bedrohten Kurden und Jesiden und die öffentliche Reaktion darauf zeigen. Zuletzt kommt, wie etwa im Fall von Waffenlieferungen an reiche Staaten wie Saudi-Arabien, Katar oder die Vereinigten arabischen Emirate, ein weiterer Aspekt hinzu: Es ist ganz und gar nicht ausgeschlossen, dass die Sicherheitskräfte dieser Länder im Namen des "Kampfes gegen Terrorismus" mit gepanzerten Fahrzeugen und Waffen gegen innenpolitische Gegner vorgehen, die fordern, was der Westen als politische Fundamente propagiert: mehr Demokratie, mehr Mitbestimmung, mehr Bürgerrechte, weniger Machtmissbrauch
Um mehr demokratische Rechte ging es auch den drei Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele, Claudia Roth und Katja Keul bei ihrer Organklage vor dem Bundesverfassungsgericht zum Thema Waffenlieferungen. Sie forderten mehr Transparenz der Regierung bei den Rüstungsgeschäften, anders ausgedrückt: sie pochten auf ein Informationsrecht, das ihrer Auffassung nach den Parlamentariern zusteht, von der Regierung aber verweigert wird.
Anlass waren Medienberichte im Jahr 2011 über einen sich anbahnenden Panzer-Deal der Bundesregierung mit Saudi-Arabien. Die Parlamentarier hatten diesbezüglich Anfragen an die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung gestellt und keine Antwort bekommen. Die Bundesregierung verweigerte dies, mit Hinweis auf den jährlichen Rüstungsexportbericht und die Praxis der Geheimhaltung.
Die Entscheidung, die das Bundesverfassungsgericht hierzu traf und die heute veröffentlicht wurde, wird als Grenzziehung gewertet zwischen dem Bereich, wo der Informationsanspruch der Parlamentarier sein Recht hat und demjenige, wo dem "Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung" (Bundesverfassungsgericht) der Vorrang eingeräumt wird.
Info-Pflicht nur bei "abgeschlossenen Entscheidungen"
Um es auf einen kurzen Punkt zu bringen: Nach dem aktuellen Urteil aus Karlsruhe ist die Bundesregierung zwar dazu verpflichtet, den Bundestag und der einzelne Abgeordneten über abgeschlossene Entscheidungen zu informieren - sie kann sich nicht weiter hinter dem Rüstungsexportbericht verschanzen und muss Anfragen beantworten.
Aber, solange der Bundessicherheitsrat, der geheim tagt, noch keinen Beschluss zum Waffenexportgeschäft gefasst hat, werden dem Informationsanspruch Grenzen gezogen - durch das "Gewaltenteilungsprinzip, das Staatswohl und die Grundrechte Dritter". Mit dem Gewaltenteilungsprinzip wird die "Entscheidungszone" der Regierungstätigkeit angesprochen:
Die Beratung und Beschlussfassung im Bundessicherheitsrat unterfallen dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Die Bundesregierung ist daher nur verpflichtet, Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf entsprechende Anfragen hin mitzuteilen, dass der Bundessicherheitsrat ein bestimmtes, das heißt hinsichtlich des Rüstungsguts, des Auftragsvolumens und des Empfängerlandes konkretisiertes Kriegswaffenexportgeschäft genehmigt hat oder dass eine Genehmigung für ein wie in der Anfrage beschriebenes Geschäft nicht erteilt worden ist. Darüber hinaus gehende Angaben sind verfassungsrechtlich nicht geboten
Aus dem Urteil
Mit Grundrechten Dritter werden die Nachteile angesprochen, die den Geschäftspartner daraus entstehen könnten, dass Informationen über den Export vorab bekannt werden; weswegen der Informationsanspruch der Parlamentarier hier eingegrenzt wird:
Der mit einer Offenlegung von Informationen zu beabsichtigten Rüstungsexportgeschäften verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit der Unternehmen der deutschen Rüstungsindustrie ist generell insoweit gerechtfertigt, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort Auskunft darüber gibt, dass der Bundessicherheitsrat die Genehmigung für ein konkretes Kriegswaffenausfuhrgeschäft erteilt hat und in diesem Rahmen Angaben über Art und Anzahl der Kriegswaffen, über das Empfängerland, über die beteiligten deutschen Unternehmen und über das Gesamtvolumen des Geschäfts macht. Darüber hinaus gehende Angaben würden grundsätzlich in unverhältnismäßiger Weise in die Berufsfreiheit der Unternehmen eingreifen.
Aus dem Urteil
Staatswohl und Wohl der Rsütungsindustrie
Am interessantesten ist die Grenzmarkierung "Staatswohl".
Die Antwort auf Fragen zu noch nicht beschiedenen Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen kann die Bundesregierung ebenso wie die Auskunft über Voranfragen von Rüstungsunternehmen auch aus Gründen des Staatswohls verweigern. Entsprechendes gilt für die Tatsache, dass ein Genehmigungsantrag abgelehnt wurde. Auch bei durch den Bundessicherheitsrat bereits gebilligten Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung kann die Verweigerung der Antwort aus diesen Gründen gerechtfertigt sein.
Aus dem Urteil
"Wer entscheidet, wann das Staatswohl gefährdet ist", fragt etwa der juristische Fachkommentar des Rechtswissenschaftlers Sebastian Roßner. Nach seinen Ausführungen stärkt das Bundesverfassungsgericht die Position der Bundesregierung gegenüber der Kontrollfunktion des Parlaments.
Konkret ist es im Fall Waffenexporte der Bundessicherheitsrat, der entscheidet. Dem kann man aus den Erfahrungen der letzten Jahre eine gewisse Nähe des Bundessicherheitsrat zum Wohl der Rüstungsindustrie unterstellen. Auch Verfassungsjuristen halten seine Rolle für problematisch. Schade, dass sich das Bundesverfassungsgericht auf diese Problematik nicht eingelassen hat.