Wahl in El Salvador: Der "coolste Diktator der Welt" paktiert mit China

Findet sich cool und lässt viele kaltmachen: Bukele. Bild: Gobierno Danilo Medina, CC BY-NC-ND 2.0

Bukele wird Wahlen wohl gewinnen. Diplomatie mit China, Taiwan verliert. Warum die Abstimmung im Zwergstaat in Mittelamerika Bedeutung für die Geopolitik hat.

China spielt eine zunehmend wichtige Rolle in der Geopolitik Mittelamerikas, insbesondere in El Salvador. 2019 reiste der damals frisch gewählte Präsident Nayib Bukele nach China. In der Folge versprach China El Salvador "gigantische, nicht rückzahlbare Zusammenarbeit", vornehmlich für Infrastrukturprojekte, in Höhe von 500 Millionen US-Dollar.

El Salvador und China: Eine Partnerschaft mit Folgen

Darunter fällt auch die Finanzierung einer neuen Bibliothek in der Hauptstadt San Salvador mit 54 Millionen US-Dollar. Diese Zuwendungen sind jedoch nicht ohne Gegenleistung: El Salvador brach daraufhin die diplomatischen Beziehungen zu Taiwan ab, was China dabei hilft, seinen geopolitischen Einfluss in der Region weiter auszubauen.

Die Weltmacht China baut stetig ihren Einfluss aus, mit bilateralen Beziehungen, die 2017 mit Panama, 2021 mit Nicaragua und zuletzt mit Honduras aufgebaut wurden. Das ist nicht die einzige Herausforderung für das kleine Land.

El Salvador am Wahltag: Ein Land im Wandel

Denn zudem stehen an diesem Sonntag Wahlen in El Salvador an. Das mittelamerikanische Land von der Größe Hessens ist seit Jahrzehnten immer wieder in den Schlagzeilen – meist ging es dabei jedoch um neue Rekorde bei den Mordraten. Seit einigen Jahren hat sich das geändert.

Nayib Bukele kam 2019 mit nur 37 Jahren an die Macht. Damit war und ist er der jüngste Präsident, den El Salvador und ganz Lateinamerika je hatten. Alles spricht dafür, dass Bukele die Wahl am Sonntag erneut gewinnt. Verfassungskonform wäre das nicht. Aber das ist nicht relevant – denn der 42-Jährige hat ohnehin alle drei staatlichen Gewalten unter seiner Kontrolle. Zudem bescheinigen ihm Umfragen seit Amtsantritt eine sehr hohe Zustimmung innerhalb der Bevölkerung.

Bukeles Popularität: Ein charismatischer Führungsstil

Bukele, palästinensischer Herkunft, ist der zurzeit beliebteste Staatschef des ganzen Subkontinents. Seine Markenzeichen: nach hinten gegelte Frisur, lässiger Look. Sein Diskurs fokussiert sich zumeist auf die Errungenschaften seiner Regierung, die im "Krieg gegen die Gangs" die Oberhand behalte.

Allein im ersten Jahr seiner Präsidentschaft konnte Bukele die Morde um fast die Hälfte reduzieren – glaubt man den Zahlen der Regierung. Seit seinem Amtsantritt hatte Bukeles Vorgehen noch einen rechtlichen Rahmen. Doch im März 2022 kam es nach langer Ruhe zu tödlichen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Banden.

87 Menschen starben an einem Wochenende. Der Staatschef rief den Notstand aus. Dieser sollte eigentlich auf einen Monat beschränkt sein. Allerdings regiert der Autokrat seit fast zwei Jahren im Quasi-Kriegsrecht durch.

Bukeles autoritäre Herrschaft: Kritik prallt ab

Kritik lässt Bukele an sich abprallen. Mehr noch: Auf X (früher Twitter) nennt er sich zurzeit "Philosopher King". Fast sechs Millionen Menschen folgen ihm auf der Plattform. Aus seiner Verachtung für Menschenrechte macht er keinen Hehl.

Als Retourkutsche auf internationale Anschuldigungen bezeichnete sich Bukele selbst als "coolsten Diktator der Welt" sowie als "Kaiser von El Salvador". Seine hohe Popularität sowie straffe Kontrolle der digitalen Welt machen ihn nahezu unantastbar.

Bukeles Einfluss auf die salvadorianische Gesellschaft

Viele Menschen in El Salvador können nun tatsächlich in Ruhe leben, benachbarte Viertel besuchen, die früher Gang-Territorium waren, ohne dauernde Erpressung im Nacken Handel treiben.

Das ist eine unanfechtbare Tatsache. Dies erklärt auch seine Beliebtheit, je nach Umfrage sind mehr als 90 Prozent der Salvadorianerinnen und Salvadorianer mit ihrem Präsidenten zufrieden.

Die Kehrseite von Bukeles Regierung in El Salvador

Die Aushebelung von Grundrechten in El Salvador durch den verhängten Ausnahmezustand wird schweigend in Kauf genommen. Menschen dürfen in diesem "Notstandsregime" ohne Grund festgenommen werden, die Versammlungsfreiheit wurde eingeschränkt, Telefone dürfen auch ohne konkreten Verdacht überwacht werden.

Die Opposition ist faktisch machtlos. Präsident Nayib Bukele käme nach einer Umfrage der Zentralamerikanischen Universität José Simeón Cañas derzeit auf fast 82 Prozent. Gegenkandidaten wie Manuel Flores von der linken FMLN auf rund vier Prozent, der Oppositionspolitiker der rechten Arena-Partei Joel Sánchez auf etwas über drei Prozent.

Finanzielle Ungleichheit im Wahlkampf El Salvadors

Bei der Wahl am Sonntag wird nicht nur der Präsident gewählt. Auch Abgeordnete für den Kongress werden gewählt. Laut Gesetz steht allen teilnehmenden Parteien dabei eine gewisse Summe Geld für den Wahlkampf zur Verfügung. Tatsächlich hat keine der beiden wichtigen Oppositionsparteien – die rechte Arena-Partei und die linke FMLN – bis vor einem Monat auch nur einen einzigen Cent gesehen.

Ganz im Gegensatz zur Regierungspartei Bukeles, die Propaganda-Events ohne Probleme durchführen konnte und sich ohnehin ständig im Wahlkampf-Modus befindet.

Bukeles umstrittene Justizpolitik

Niemand widerspricht ihm, weder Kongress noch Justiz – denn die hat er mit ihm nahestehenden Personen besetzt. Bereits 2021 kam Kritik aus den USA, nachdem seine Partei Nuevas Ideas (Neue Ideen) fünf Richter des Obersten Gerichtshofs entlassen und deren Posten mit freundlicheren Vertretern besetzt hatte.

Diese Richter beugten kurzerhand Verfassungsrecht und erklärten, dass Bukele eine zweite Amtszeit anstreben könne, indem sie die lange Zeit verbotene Wiederwahl ermöglichten. Das US-Außenministerium setzte die fünf regierungsfreundlichen Richter entzogen ihnen ihre US-Visa und setzte sie auf die Liste "undemokratischer und korrupter Akteure".

Resonanz in der gesamten Region: der "Bukele-Effekt"

Der "Däumling Zentralamerikas", wie der Autor Roque Dalton seine Heimat El Salvador einst nannte, wird seit den 90ern vom Terror der Gangs heimgesucht. Die Mara Salvatrucha-13 (MS-13) und die Barrio 18 sind die beiden relevantesten.

Mitglieder der MS-13. Bild: chuck holton, CC BY-NC-SA 2.0

Die USA spielen bei der Geburt der Gangs eine immens wichtige Rolle. Während der Zeit des Kalten Krieges unterstützten die Vereinigten Staaten stramm rechte Kräfte im Land, wohl wissend, dass diese für Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich waren. Das führte zu vielen Flüchtlingen, die Schutz in den USA suchten.

Dort akzeptierten lokale Straßengangs die salvadorianischen Migranten allerdings nicht – weshalb sie ihre eigenen kriminellen Gruppen formten. In den 90ern deportierten die USA viele dieser gefährlichen Gangmitglieder zurück nach El Salvador; ein Land, das gerade einen Bürgerkrieg hinter sich hatte.

Bukeles umstrittene Strategien: Gangs und Kartelle

Perspektivlosigkeit und viel kriminelle Energie ließen diese Jugendbanden Strukturen schaffen, um das Land komplett zu dominieren. Nayib Bukele inszeniert sich jetzt als Retter, als Messias des Friedens seiner Nation. Dabei wurde bereits Ende 2021 bekannt, dass er zur Reduzierung der Mordraten mit den Gangs kooperierte.

Freilassungen und bevorzugte Behandlung in den Gefängnissen bot seine Regierung im Gegenzug an. Vor rund einer Woche wurde bekannt, dass Staatschef Bukele über einen Mittelsmann Kontakt zum mächtigen mexikanischen Kartell Jalisco Neue Generation (CJNG) aufgenommen hatte. Das CJNG zählt zusammen mit dem Sinaloa-Kartell zu den einflussreichsten kriminellen Organisationen der ganzen Region.

Es sind keine amateurhaften Jugendbanden, sondern professionelle transnationale Netzwerke. Bukele bot dem mexikanischen CJNG eine Million Dollar dafür an, Élmer Canales Rivera, alias "Crook" zu fassen. "Crook" ist ein wichtiger Bandenchef der Mara Salvatrucha-13 (MS-13). Erst zwei Jahre zuvor, im November 2021, hatte die Bukele-Regierung ihn im Rahmen heimlichen Paktierens mit den Gangs, denen er den Krieg erklärt hat, freigelassen.

Das Investigativmedium "El Faro", Hassobjekt von Präsident Bukele, recherchierte den Fall ausgiebig. In den Verhandlungen habe die Regierung Bukeles gefordert, dass der illegal freigelassene Bandenchef noch vor den Wahlen im Februar entführt und "vorzugsweise lebend" an "einen geheimen Ort" gebracht werden sollte.

Nachahmer von Bukeles Politik in Lateinamerika

Die Erfolge der Bukele-Regierung im Kampf gegen die Gangs inspirieren viele Politikerinnen und Politiker in Zentral- und Südamerika. Ob links oder rechts stehend, das spielt dabei keine Rolle. Im vergangenen Jahr lobte die Kandidatin Zury Ríos bei den Präsidentschaftswahlen in Guatemala Bukeles eiserne Faust gegen die Gangs, reiste sogar selbst nach El Salvador.

Recherche von "El Faro" – Bukele gefällt das nicht.

Sie ist Politikerin und Tochter des verurteilten Massenmörders Efraín Ríos Montt. Aber auch Nachbarland Honduras mit seiner linken Präsidentin Xiomara Castro kopierte die Blaupause der "harten Hand": Ein Ausnahmezustand wurde verhängt, Castro kopierte die imponierenden Bilder nackter tätowierter Oberkörper, die zusammengepfercht auf dem Boden knien.

El Salvadors neues Mega-Gefängnis: Symbol der harten Hand

In El Salvador ist das in unter einem Jahr fertiggestellte CECOT das laut Aussage der Regierung größte Gefängnis Lateinamerikas. Es soll bis zu 40.000 Häftlinge beherbergen können. Baukosten, Details zum Ausschreibungsverfahren: All diese Informationen hält die Bukele-Regierung unter Verschluss.

Der Trend zu Mega-Gefängnissen in Südamerika

Auch Ecuador, noch vor wenigen Jahren ein relativ ruhiges Land in Südamerika, hat nun massive Probleme mit eskalierender Gewalt krimineller Gruppen. Der kürzlich gewählte Präsident Daniel Noboa sieht die Banden als Terroristen an, hat den Ausnahmezustand verhängt und baut im Sinne der Bukele-Blaupause jetzt auch ein Mega-Gefängnis.

2024 wird das Super-Wahljahr auf dem amerikanischen Kontinent. Von Norden bis Süden wird um das Präsidentenamt gekämpft: Die USA, Mexiko, Panama, die Dominikanische Republik, Venezuela und Uruguay wählen.

El Salvador macht den Anfang am kommenden 4. Februar. Das Jahr sorgt für einen historischen Rekord. Nie wurden so viele Wählerinnen und Wähler zum Urnengang aufgerufen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.