Wahlkampf im Internet
Hillary Clinton und Rudolph Giuliani rüsten zur Schlacht
"Campaign 2000" ist nicht nur ein Kürzel für den Weg zu den US-Präsidentschaftswahlen am 7. November. Es steht es auch für die zeitgleiche Neubestellung des Kongress in Washington. Neben dem Repräsentantenhaus wetteifern Demokraten und Republikaner auch um Sitze im US-Senat. Große Aufmerksamkeit wird dem Kampf um den freiwerdenden New Yorker Senatorensitz gewidmet werden, um den sich First Lady Hillary Rodham Clinton und der New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani bei den Wählern bewerben.
Schon jetzt wird befürchtet, dass das Rennen zur teuersten, wahrscheinlich aber auch zu einer der schmutzigsten Senatorenschlachten der US-Wahlkampfgeschichte ausarten wird. Denn beiden Kandidaten, der Demokratin Clinton und dem Republikaner Giuliani, eilt nicht zu unrecht der Ruf von hochgradiger Kaltschnäuzigkeit und dem äußerst zähen Willen voraus, den Gegner jeweils bis zum Stillstand niederzuringen. Inhaltlich für Anfänger: beide befürworten beispielsweise die Todesstrafe.
Bislang hat zwar erst Clinton ihre Kandidatur offiziell angekündigt, während Giuliani sein Interesse an den Senatorensitz bislang nur im Konjunktiv bekundet. Die Neu-New-Yorkerin versucht weiterhin, die New Yorker Wählerschaft zu durchschauen und für ihren Stil zu begeistern. Auf www.ivillage.com bemühte sie sich im Januar per Online-Chat um Wählerinnen. Und der "Eingeborene" Giuliani beherrscht weiter, einem misstrauischem Löwen gleich, die City Hall.
Doch längst fixieren sich die Gegner aus den Augenwinkeln heraus, und sie machen nach der Warmlaufphase vom letzten Jahr letzte Lockerungsübungen vor dem großen Showdown. Während Clinton am Montag an der State University of New York in einer bis ins Detail inszenierten Selbstdarstellungsveranstaltung ein Medienecho sondergleichen hervorrief, holte Giuliani zeitgleich indirekt zum Gegenschlag aus und tauchte innerhalb weniger Stunden in fünf New Yorker Studios nationaler Fernsehsender zu Interviews auf, in denen er seine Leistungen als 107. Bürgermeister von New York herausstrich.
Auch im Internet lässt die befürchtete Schlammschlacht noch auf sich warten. Für das entsprechende Clinton-Image sorgt seit ein paar Tagen die New Yorker Profifirma "Kaufman Patricof Enterprises" (KPE), die als "Digitalstudio" Eigenwerbung betreibt und von Clinton angeheuert wurde. Die Firma ist nicht unbekannt, denn ihre Spitze arbeitet in Sachen Mittelbeschaffung für die Demokratische Partei. Mit dem Web-Wahlkampf für Giuliani ist Hockaday Donatelli Campaign Solutions betreut. Mit der Firma arbeitet Giuliani seit 1989 zusammen. Sie wird aus Tradition von US-Republikanern genutzt. Die Tatsache, dass Web-Politik in den USA keine bloße Angelegenheit von politischen Beratern mehr ist, sondern an professionelle Internet-Häuser übergeben wird, macht die Bedeutung klar, die dem "e-campagning" zugewiesen wird. Als Vorreiter auf diesem Feld gilt der erfolgreiche Verleger und - miserable - rechte Präsidentschaftskandidat Steve Forbes.
Das eine oder andere Schmutzklümpchen haben sich die gegnerischen Parteien bereits wurfbereit zurechtgedreht. Da gab es bis vor kurzem Versuche der Republikaner, eine Clinton-Kandidatur in New York der Lächerlichkeit preiszugeben. Als Flaggschiff sollte eine Parodie-Site dienen, hinter der die Senats-Republikaner in Washington stehen: eine boshaft zwinkernde Hillary nimmt zum Schrecken der New Yorker einem King Kong gleich Manhattan ein. Zeitgleich sendeten die Wahlkampfmanager des Bürgermeisters, die "Friends of Giuliani", mit www.hillaryno.com schon Ende März 1999 ein Warnsignal an die potentielle Gegnerin aus. Die Billig-Graphik war als Hit-and-run-Website für Kurzbesucher und Boulevardpresse gedacht, vor allem aber sollte sie mit einem direkten Spendenaufruf für zusätzliche Einnahmen auf das Konto des Giuliani-Teams sorgen. Die Message lautete: überweist Dollars, damit das korrupte Blondie aus Washington nicht in New York einfällt, von dem sie darüber hinaus keine Ahnung hat.
Der Zeitpunkt des postings, ganz unverfroren auf der offiziellen Giuliani-Wahlkampofwebsite, dürfte kein Zufall sein. Denn genau dann war die Zustimmung zu Giuliani arg talwärts gestürzt. Seine Cops hatten im Stadtteil Bronx den westafrikanischen und unbewaffneten Immigranten Amadou Diallo mit ihren Kugeln geradezu durchsiebt, und Guilianis New York, vor allem die afroamerikanischen Communities, brodelte. Die Anti-Hillary-Seite war offenbar als eines von mehreren Ablenkungsmanövern für skeptisch gewordene Giuliani-Fans gedacht.
Wahre Clinton-Hasser lassen sich technisch professionell auf www.nothillary.com aus, und dahinter steckt die konservative "Coalition for a Better America". Die First Lady sei "der Darling der liberalen Medien" und erhalte von diesen Gratiswerbung, heißt es mit Verweis auf das eigene Spendenkonto. Wer noch zögert, kann sich durch Hillarys Lügen- und Sündenregister arbeiten, in einem Quiz boshafte Antworten auf boshafte Fragen geben oder mit dem "Hair-O-Matic" Hillarys Frisur durcheinanderbringen.
Da der Law-and-order-Politiker Giuliani zu einem der umstrittensten US-Politiker seit Richard Nixon gehört, hat sich die Zahl der Anti-Websites seit Anfang der 90er Jahre vervielfacht. Und sie reichen von fleißig über derb bis politisch fragwürdig. Einen Hit hatte das Agitprop-Team RTMark mit der Lancierung von www.yesrudy.com, einer professionellen Parodie-Site, gelandet. Nachdem das nur vierköpfige Team, das auch George Bush aufs Korn nahm (www.gwbush.com), die Domainlücke noch vor den Giuliani-Wahlkämpfern entdeckt und ausgearbeitet hatte, mussten nur noch die Medien informiert und die Reaktion des als humorlos geltenden New Yorker Bürgermeisters abgewartet werden. Allein, es passierte nichts. Giuliani fiel nicht, wie sein Parteikollege Bush, auf die Falle herein, und die Anti-Site blieb eine von Vielen.
Dazu zählen www.rudyno.com oder www.retirerudy.com mit einer Themenliste, Fallbeispielen und Zitaten von Giulianis Verfehlungen. Jemand zeigt ihm unter der Überschrift "Rudy go away" den ausgestreckten Mittelfinger, und auch der Nazi-Vergleich ("Giuliani uber alles" als Real-Audio-Version, siehe auch die anarchistische Website www.infoshop.org/giulianism.html über den "Mussolini am Hudson") fehlt nicht. Technisch ausgefeilt ist wiederum ein Rudy-Porträt, das man mit der Maus verzerren kann. Es stammt von dem Aktionskünstler Robert Lederman, dem wegen seiner außergewöhnlich ausdauernden Protestformen vermutlich meistverhaftenen New Yorker.
Angesichts der Vielzahl weiterer Internet-Kreationen aus den Werkstätten von Nicht-Profis, die sich über den rechten Bürgermeister elektronisch aufregen, kann sich Clinton bislang zurücklehnen. Doch der relative Waffenstillstand im New Yorker Senatoren-Wahlkampf ist in Wirklichkeit eine Phase von trügerischer Ruhe.