Wahlkampf in Österreich: Englisch, Religionsunterricht und Schnaps
Die Neos wollen Englisch als Amtssprache, ein Kandidat von der Pilz-Liste möchte den Religionsunterricht abschaffen - und die ÖVP verspricht, das Recht auf Schnapsbrennen vor der EU zu retten
In Österreich können 7,7 Millionen Wahlberechtigte ab nächster Woche per Briefwahl über ihren neuen Nationalrat abstimmen; an der Urne geht dies dann am 15. Oktober, drei Wochen nach der deutschen Bundestagswahl. Anders als in Deutschland gibt es hier eine ganze Reihe von TV-Debatten. Die erste davon fand bereits am 6. September statt - aber ohne Sensationen (und vor allem ohne den Kanzlerfavoriten Sebastian Kurz, der es vorzog einen Außenministertermin in Estland wahrzunehmen und dem SPÖ-Chef und amtierenden Kanzler Christian Kern und seinem FPÖ-Herausforderer Heinz-Christian Strache das Studio überließ).
Eine Koalition der SPÖ und der FPÖ wäre die nach derzeitigem Umfragestand einzige realistische Möglichkeit, dass Kurz nicht Kanzler wird. Ob sie zustande kommt, ist allerdings insofern fraglich, als die SPÖ ihren (bereits im Juni faktisch durch einen Kriterienkatalog ersetzten) Bundeskoalitionsverbotsbeschluss erst nach Gesprächen mit den Freiheitlichen aufheben will, während FPÖ-Chef Strache auf einer Aufhebung vor dem Beginn solcher Gespräche besteht. Der Burgenländer SPÖ-Landeshauptmann Heinz Niessl, der in seiner Heimat bereits seit 2015 mit der FPÖ koaliert, sieht deshalb die Chancen für eine rot-blaue Zusammenarbeit gesunken.
Englisch als Amtssprache
Aufmerksamkeit erregen im Wahlkampf bislang aber nicht die großen drei, sondern eher die kleineren Parteien: Bei den liberalen Neos legte der Abgeordnete Josef Schellhorn ein Konzeptpapier vor, das unter anderem fordert, Englisch als Amtssprache anzuerkennen, um Unternehmen das Anwerben von Fachkräften aus dem Ausland zu erleichtern. Im deutschen Wahlkampf forderte die FDP aus dem selben Grund, dass das Englische eine größere Rolle spielen soll; als Hauptopponent hat sich hier der CDU-Politiker Jens Spahn positioniert (vgl. Verschiedene Gegenpole in verschiedenen Politikfeldern). Außerdem möchte Schellhorn für Arbeitskräfte aus dem Ausland die Mindesteinkommensgrenze senken, die Pflicht zum Vorabnachweis einer Wohnung abschaffen und Bildungsabschlüsse leichter anerkennen.
Noll will Religionsunterricht abschaffen
Ebenfalls viel Aufsehen erregte eine Forderung des Rechtsanwalts Alfred Noll, der auf Platz 3 der Liste Peter Pilz kandidiert. Diese Liste Pilz ist eine Abspaltung der Grünen (vgl. Personen statt Programme) und liegt in der letzten Market-Umfrage bei fünf Prozent, während die Mutterpartei mit vier Prozent ein Scheitern an der Sperrhürde fürchten muss. Möglicherweise auch wegen dieser Konkurrenz hat der grüne Salzburger Verkehrsstadtrat Johann Padutsch seine umstrittene Pendlermaut vorerst ad acta gelegt.
Noll will den Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen abschaffen und begründet seinen Vorstoß damit, dass "Integration am besten mit Aufklärung und säkularer Erziehung funktioniert". Zweifel daran, dass diese Integration ohne weitere Maßnahmen klappen wird, hatte in den letzten Wochen unter anderem eine mit 1.129 moslemischen Migranten durchgeführte Studie der Donau-Universität Krems geweckt, die viel Medienaufmerksamkeit bekam: In ihr stimmten 37 Prozent der befragten Somalis, 23 Prozent der Syrer, 16 Prozent der Tschetschenen, 15 Prozent der Türken, zwölf Prozent der Afghanen, elf Prozent der Iraker und zwei Prozent der Iraner der Aussage zu, man müsse bereit sein, für den Glauben zu sterben. Etwa ein Drittel der Befragten befürwortet eine "gewaltsame Verteidigung der Familienehre".
"Beim Schnaps hört sich der Spaß auf"
In der ÖVP hat Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter einen Mahnbrief der EU, der auf eine Abschaffung der Ausnahmeregeln für Bauern zielt, die Schnaps brennen, als Steilvorlage für seinen Wahlkampf aufgenommen. "Beim Schnaps", so das elfte Kind einer Bauernfamilie aus Tirol (wo es für Touristen eine Schnapsroute gibt), "hört sich der Spaß auf". Er erinnerte Brüssel öffentlich an die EU-Beitrittsverhandlungen, in denen der Alpenrepublik diese Ausnahme explizit zugestanden und protokolliert wurde. Es sei deshalb eine "eine Unverschämtheit, dass an diesem [jahrhundertealten] Recht gesägt wird."
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Junckers gestern gemachter Vorstoß, den Euro in allen EU-Ländern einzuführen und den Schengenraum auf Rumänien und Bulgarien auszudehnen, stößt sogar bei allen drei großen Parteien in Österreich auf Ablehnung. Sebastian Kurz meinte: "der Euro und die Schengen-Zone […] waren und sind für jeden offen, allerdings nur für jeden, der auch die Kriterien erfüllt." Er erinnerte in diesem Zusammenhang ebenso wie Christian Kern an den Fall Griechenland, der sich nicht wiederholen dürfe. Heinz-Christian Strache hob hervor, dass es auch EU-Länder gibt, die den Euro gar nicht einführen wollen, und kritisierte Juncker als "Zentralisten", der "aus dem ‚Brexit‘ nichts gelernt" hat.