Burgenland: Neuauflage der Chianti-Koalition [Update]
Der sozialdemokratische Landeshauptmann Hans Niessl will mit der FPÖ zusammenarbeiten
Letzten Sonntag wurde in den zwei österreichischen Bundesländern gewählt: In der Steiermark und im Burgenland, das in der K.u.K.-Zeit zum ungarischen Teil des Habsburgerreichs gehörte. In beiden Bundesländern verloren die etablierten sozial- und christdemokratischen Parteien massiv. In der Steiermark wollen sie trotzdem in einer großen Koalition zusammenarbeiten. Im Burgenland verhandelt der sozialdemokratische Landeshauptmann Hans Niessl dagegen mit der FPÖ (die ihr Ergebnis von 8,98 auf 15,04 Prozent steigerte) über eine Koalition.
Niessl lobte gestern Abend die "konstruktiven" und "von gegenseitigem Respekt" und "Vertrauen" gekennzeichneten Gespräche" mit den Freiheitlichen. Er erwartet deshalb, dass die Koalitionsverhandlungen noch an diesem Wochenende abgeschlossen werden. In "sehr vielen Punkten" habe man bereits einen "Konsens gefunden" und es seien keine Barrieren [in Sicht], die nicht zu überwinden sind". Auf mögliche Uneinigkeiten angesprochen meinte der Sozialdemokrat, es gebe "bis jetzt ausschließlich Konsenspunkte und die Bereitschaft, den Konsens zu suchen und zu finden". Hinsichtlich der angesprochenen Themen gab Niessl lediglich die Auskunft, dass diese "sehr wichtig" gewesen seinen, wollte aber keine konkreten Punkte nennen.
Auch der burgenländische FPÖ-Obmann Johann Tschürtz lobte die Verhandlungen mit Niessl als "sehr lösungsorientiert" und ohne "Unstimmigkeiten oder Streitereien". Deshalb, so Tschürtz, sei auch er "sehr zuversichtlich". Was die von ihm angekündigte "blaue Handschrift" im Koalitionsvertrag konkret sein wird, verriet er noch nicht.
Als Grund für die Wahl der FPÖ als Koalitionspartner nannte Niessl das Wahlergebnis, dass er "verstanden" habe: Die SPÖ sei trotz ihres Sechs-Punkte-Verlusts mit 42 Prozent klar die stärkste Partei im Burgenland. Die FPÖ wiederum sei die Gruppierung, die am stärksten zugelegt habe. Aus demokratiepolitischer Sicht hält er eine Zusammenarbeit dieser beiden Kräfte - der stärksten und derjenigen, die am meisten dazugewonnen hat - für die beste Abbildung des Wählerwillens. Inhaltlich wolle er mit der neuen Koalition "besser, schneller und effizienter" werden und "neue Wege beschreiten".
Obwohl die österreichischen Grünen von einem "Tabubruch" sprechen, ist die Koalition von Rot und Blau im Burgenland nicht die erste auf Regionalebene: Bereits 2004 beschlossen der damalige FPÖ-Chef Jörg Haider und der Kärntner SPÖ-Politiker Peter Ambrozy bei einem Glas Chianti eine Zusammenarbeit in Kärnten. Aus der blau-roten Koalition Chianti-Koalition wurde dann allerdings eine orange-rote, weil sich die FPÖ spaltete und die SPÖ mit Haiders BZÖ weitermachte.
Bei der christdemokratischen ÖVP fährt man - anders als bei den Grünen - zweigleisig: Auch dort verurteilt man das Bündnis, das Niessl bereits im November angedeutet hatte - aber man selbst möchte auch keine Koalition mit der FPÖ ausschließen - zum Beispiel in Öberösterreich, wo am 27. September gewählt wird. Ein Tabubruch ist auch das nicht: Schließlich koalierte die ÖVP mit der FPÖ zwischen 2000 und 2005 sogar auf Bundesebene.
Ein solches Bündnis auf Bundesebene, das es (vor der Ära Haider) zwischen 1983 und 1987 schon einmal gab, hat die SPÖ aktuell ausgeschlossen. Ob das so bleibt, hängt auch vom Personal ab: Verliert die SPÖ weiterhin stark, dann könnte der Burgenländer Niessl an Bedeutung gewinnen. Aber auch der bisherige Bundeskanzler Werner Faymann ist flexibler, als seine harschen Worte gegen die Rhetorik der von Heinz-Christian Strache geführten Bundes-FPÖ vermuten lassen: 2008 schaffte er mit den Freiheitlichen im Nationalrat die Studiengebühren ab (ohne dafür allerdings ein formelles Bündnis einzugehen).
Update:: Es ging noch schneller als angekündigt: Bereits am Freitagnachmittag verkündeten Niessl und Tschürtz, dass die Koalition steht. Diskutiert wird sie freilich immer noch intensiv: So erklärte beispielsweise der Kottan-Darsteller Lukas Resitarits, der Niessl vorher öffentlich unterstützt hatte, wenn er seine Unterstützung jetzt noch zurückziehen könnte, dann würde er das tun.
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