Wahrheitsliebe in Zeiten der Cholera: Jemen-Berichterstattung mangelhaft

Seite 3: ARD auf Linie mit NYT

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Auch die ARD praktiziert seit 2016 das wortreiche Verschweigen bzw. Abwiegeln der Verwicklung von USA und Großbritannien in den Jemenkrieg. Betont wird eine Konfrontation von Saudi-Arabien und Iran, dem vorgeworfen wird, dass es die Huthis unterstützt.

Dabei besteht augenscheinlich eine Tendenz abnehmenden Wahrheitsgehalts, wenn es um die Rolle der britischen und amerikanischen Nato-Verbündeten der Regierung Merkel geht.

Am 31.Oktober 2016 sprach die ARD immerhin noch - wie heute die NYT - von einer "von Saudi-Arabien angeführte (n) Koalition" und ließ in einem Zitat die Erwähnung von Briten und Amerikanern zu. Dabei wurden diese jedoch als lediglich "Einfluss auf die Saudis ausübend" gekennzeichnet, Iran aber als "angebliche" Kriegspartei hingestellt. Dass Briten und USA faktisch Teil der "von Saudi-Arabien angeführten (n) Koalition" sind, wurde von der ARD ausgeblendet. Von militärischer Unterstützung und Beratung war die nur dann die Rede, wenn es um Iran ging, im Hinblick auf die Huthis:

Der UN-Nothilfekoordinator Steven O'Brien appelliert an alle: an die mit Einfluss auf die Saudis, an die Amerikaner und die Briten, die den amtierenden Präsidenten im Jemen, Abed Rabbo Mansur Hadi, unterstützen und auch an den Iran, der die Huthi-Rebellen angeblich militärisch berät und unterstützt.

Georg Schwarte, ARD

Drei Monate später, am 3. Februar 2017 und am 22.April 2017 bezeichnet die ARD den Krieg im Jemen als "ignorierte Katastrophe" und redet von "der Armee" (des Jemen), die von den Saudis und den Huthis, die vom Iran unterstützt würden.

Von einer "von den Saudis geführten Koalition" ist nicht mehr die Rede, von USA und Briten ebenfalls nicht. Die ARD-Version der Ereignisse ist damit weiter von den Beschreibungen der beiden kritischen Chronisten Daniele Ganser und Michael Lüders entfernt als die NYT und präsentiert uns eine noch mehr zu Gunsten der Briten und der USA geschönte Story. Wurzelt der galoppierende Glaubwürdigkeitsverlust unserer Leitmedien wirklich primär in rüden Netzkommentaren und "Lügenpresse" skandierenden Pegida-Demonstranten? Auf diese beiden Phänomene konzentriert sich bekanntlich bislang die Aufarbeitung der Vertrauenskrise durch die Leitmedien selbst.

Literatur
Daniele Ganser: Illegale Kriege: Wie die NATO-Länder die UNO sabotieren, Füssli Verlag 2016.
Michael Lüders, Die den Sturm ernten, C.H.Beck Verlag 2017