Wald 2022: Grüne Lunge oder Mondlandschaft?

Seite 4: Holz, Holz, Holz

So weit so gut. Jedoch ist die Forstwirtschaft als Rohstoffproduzent auch milliardenschwerer Wirtschaftsfaktor. Für Deutschland insgesamt heißt das: 2019 wurden im gesamten Cluster Forst & Holz Waren und Dienstleistungen in Höhe von 183,4 Mrd. Euro umgesetzt. Es gab 115.158 dem Cluster zugeordnete Unternehmen mit über einer Million Mitarbeitern. Die Wertschöpfung belief sich auf rund 58 Milliarden Euro.

Die Branche ist mittelständisch geprägt, mit vielen Kleinbetrieben. Zum Cluster Forst & Holz gehören nach der Definition der Europäischen Union verschiedene Industrie-/Gerwerbezweige mit einer Verbindung zum Werkstoff: Forstwirtschaft, Holzbearbeitung, Holzverarbeitung, Holz im Baugewerbe, Papiergewerbe, das Verlags- und Druckereigewerbe und Großhandel sowie Holzhandel mit Roh- und Schnittholz.

Es gibt viel Werbung und wohlklingende Worte rund ums Holz. Die unangenehme Wahrheit dürfte sein, dass Politik, Forstbehörden und Betriebsgemeinschaften die Warnungen der Wissenschaft vor dem Klimawandel lange nicht ernst genommen haben. Was galt, war Business as usual.

Eine Fichtenmonokultur nach der anderen wurde angelegt; der heute beklagte "verheerende Zustand" ist also zum großen Teil hausgemacht. Diese Einsicht, wenn es denn eine ist, hat der Katastrophensommer 2018 definitiv zutage gebracht.

"Wald der Zukunft" – nur ein Phantom?

Experten präsentieren sich jetzt als Retter in der Not und wollen den "Wald der Zukunft" pflanzen.

Die verschiedensten Baumarten finden sich in den Vorschlägen, darunter Kandidaten aus südlichen oder fernöstlichen Gefilden. Dabei wird manchmal übersehen, dass Wald kein Baukastensystem ist, sondern ein lebendiges und sensibles Ökosystem, bei dem Klima, Bodenbeschaffenheit, Pilzmyzel, Kleinlebewesen, Mikroorganismen und viele andere Faktoren einen Organismus bilden, der nicht 1:1 transferierbar ist. Hier stößt ein öko-technischer Pragmatismus an seine Grenzen.

Und nun? Wird der "Wald der Zukunft" in einer mitteleuropäischen Dürrezone liegen? Das gerade mal anlaufende Jahrzehnt der 2020er Jahre befördert keine allzu großen Erwartungen. Metertief waren die Waldböden im Herbst 2020 und im Jahr darauf noch staubtrocken.

Anhaltende Dürre im Wald und die dramatischen Folgen des Käferbefalls lassen sich durch wohlmeinende Programme allein nicht aus der Welt schaffen. Forstamtschef Kay Boenig ist daher, wenn überhaupt, nur verhalten optimistisch. Von den mehreren tausend Hektar Kahlflächen in seinem Revier wurden bislang erst auf 300 Hektar neue Pflänzchen gesetzt. Es fehle an Geldmitteln, an Pflanzen und auch an Personal: "Das ist eine Aufgabe, die mindestens zwei Jahrzehnte brauchen wird".

Baum-Alarm, auch in der Stadt

Auch in den Städten sieht man sich mit den Problemen konfrontiert. Die Stadtbäume sind in großem Stil anfälliger geworden für Krankheiten und Pilzbefall. In der Rheinmetropole Köln etwa, so die Auskunft der dortigen Verwaltung, gibt es 1.250.103 Bäume auf städtischem Grund (Stand April 2022; 81.000 gelten als Straßenbäume, Mindestmaß für die Zählung sind sieben Meter Baumhöhe).

Immer mehr von ihnen können die zunehmenden Stressfaktoren kaum mehr kompensieren.

Im urbanen Raum haben Bäume Einfluss auf das Mikroklima, filtern Feinstaub aus der Luft, spenden Schatten und sollen so nützliche Helfer sein im Kampf gegen drohende Überhitzung während der Sommermonate. Köln testet derzeit 22 Arten, die eigentlich fernab des Rheinlands zuhause sind.

Es ist in weiten Teilen ein Experiment. Man hält Ausschau nach Pflanzen aus dem heißen Mittelmeerraum oder aus den trockenen kontinental-asiatischen Gebieten. "Klimatische Bedingungen, wie sie für unseren Raum prognostiziert werden", lautet die trockene Auskunft der Stadt.