Wann kommen die Gleichstromnetze?
Gleichstromnetze bieten viele Vorteile gegenüber Wechselstromsystemen. Doch ausgerechnet beim Umbau der Netze hinkt Deutschland hinterher.
Wechselstrom oder Drehstrom bot für die Verteilung des in zentralisierten, fossil befeuerten Großkraftwerken erzeugten Stroms den unschlagbaren Vorteil, dass man den Strom über Transformatoren vergleichsweise einfach auf eine höhere Spannungsebene umspannen und ihn so bei reduzierten Verlusten über große Strecken transportieren konnte. Anschließend konnte er wieder auf die verschiedenen Netzebenen heruntergespannt werden.
Jeder Wandel von Gleich- in Wechselstrom und zurück ist mit Verlusten verbunden, die vermeidbar wären, wenn man den Strom nicht mehrfach transformieren und wandeln würde.
Bislang werden sowohl die Netzverluste als auch die Umspannverluste den Strom beziehenden Kunden in Rechnung gestellt, ohne dass diese offen als solche ausgewiesen werden. Inzwischen scheint die Zeit des Wechselstroms jedoch zumindest in der Industrie langsam abzulaufen.
Gleichstrom kommt in Deutschland als Sonderlösung der Stromübertragung bislang nur bei den sogenannten Stromautobahnen aus den Regionen mit Windstromüberschuss im Norden in die Gebiete mit hohem Strombedarf im Süden der Republik zum Einsatz.
Als Technik wird hierbei die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) eingesetzt. In der Umgebung von HGÜ-Leitungen treten dabei statische, elektrische und magnetische Felder auf. Bei den Konvertern gehen von der Gleichstromseite ebenfalls statische elektrische und magnetische Felder aus. Biologische Effekte und damit unmittelbare gesundheitliche Auswirkungen statischer Felder sind bislang nur bei sehr hohen Magnetfeldstärken bekannt.
Bei den niedrigen Magnetfeldstärken in der Umgebung von HGÜ-Leitungen oder Konvertern sollen daher keine gesundheitlich negativen Wirkungen zu erwarten sein. Schwächere Magnetfelder könnten jedoch ein mittelbares Risiko darstellen, weil sie Kräfte auf magnetisierbare Objekte ausüben und auch Implantate beeinflussen könnten. Die gesetzlichen Grenzwerte sind in der Sechsundzwanzigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgelegt.
Gleichstrom nicht nur für eine verlustarme Fernübertragung
Je stärker die Stromversorgung hierzulande dezentralisiert wird und die Bedeutung der lokalen Verteilnetze zunimmt, desto eher steigt das Interesse zuerst von Wissenschaft und Verbänden und anschließend wohl auch der industriellen Anwender an der verlustärmeren und damit auch nachhaltigeren lokalen Gleichstromübertragung.
So hat der ZVEI mit Partnern aus Industrie und Forschung die Open Direct Current Alliance (ODCA) gegründet, deren Ziel ist es, mit der Gleichstromtechnik die Nachhaltigkeit voranzutreiben.
Die ODCA sieht sich als Nachfolgeprojekt der beiden Forschungsprojekte DC-Industrie und DC-Industrie 2, in welchen der ZVEI seit 2016 zusammen mit über 40 Unternehmen und Forschungseinrichtungen die Potenziale der Gleichstromtechnik für industrielle Produktionsanlagen untersucht hat. Mit ODCA setzt man jetzt auf eine enge Zusammenarbeit zwischen Anwendern, Planern, Herstellern, Zulieferern, Forschungseinrichtungen und Verbänden sowie Normungsorganisationen, ohne welche eine internationale Standardisierung nicht gelingen kann.
Ausgehend von den industriellen Anwendungen sollen weitere Anwendungsbereiche für DC-Netze, wie Infrastruktur, Gebäude, Gewerbe oder Wasserstoffwirtschaft in der Allianz zusammenkommen und gemeinsam am Smart Grid der Zukunft arbeiten.
Die etablierten Drehstromnetze bleiben dann den privaten Haushaltskunden vorbehalten, die weiterhin nicht über einen Zugang zu PV-Anlagen verfügen. Wie bei den Gasnetzen verteilen sich dann die Verteilnetzkosten auf immer weniger Kunden. Schon heute sind die privaten Haushaltskunden nur für 25 Prozent des Stromverbrauchs verantwortlich.
Digitalisierung benötigt mehr Gleichstrom
Damit man die in der Transformation befindliche Stromverteilung besser sichern kann, bieten sich Regelungen mithilfe von digitalen Zwillingen an, die deutlich schneller reagieren können als die klassischen rein mechanischen Schalter.
So stellt der ZVEI zum Thema Gleichstromnetze beim Umbau der Elektrizitätsversorgung fest:
Für den dringend benötigten Umbau der Energienetze kann Gleichstrom die richtige Antwort sein, da es mehrere Vorteile für ein modernes, intelligentes industrielles Stromnetz liefert: So können erneuerbare Energien einfach in die Produktion eingebunden werden, die Energieeffizienz wird erhöht und auch ist das Netz stabil gegen Ausfälle. In bereits existierenden Anlagen konnten bis zu zehn Prozent Energieeinsparung und etwa 50 Prozent Kupfereinsparung bei den Leitungen realisiert werden. Für das Ziel einer ressourcenschonenden und CO2-neutralen Welt ist Gleichstrom ein wichtiger Baustein.
Die Nutzung von Gleichstrom für eine nachhaltige Industrie ist schon heute eines der großen Trendthemen. Doch bis jetzt beschränkt sich die DC-Technik in Deutschland im Wesentlichen auf Forschungsprojekte für den industriellen Einsatz. Der große Durchbruch steht bislang noch aus.
Wie bei anderen Zukunftsthemen und nicht nur im Energiebereich ist damit zu rechnen, dass in Deutschland versucht wird, die überkommene Technik mithilfe staatlicher Subventionen in die Zukunft zu retten und schon in Kürze dann gejammert wird, dass die zukunftsorientierte Technik in China schon in die Serie eingeführt wurde.