Wann kommt der Quantencomputer light?
Seite 2: Quantencomputer: Zwei Rechner und eine Feedbackschleife
- Wann kommt der Quantencomputer light?
- Quantencomputer: Zwei Rechner und eine Feedbackschleife
- Auf einer Seite lesen
Die Innsbrucker Forscher haben die beiden Rechner zu einer Feedbackschleife verbunden. Der Quantenrechner startet mit einem beliebigen Testzustand. Dessen Energie wird gemessen und an den klassischen Rechner gemeldet. Dieser schiebt zunächst willkürlich an den Reglern des Zustands, indem er die Laser ansteuert. Der Zyklus wiederholt sich mit dem neuen Zustand. So erkundet der Optimierungsalgorithmus die "Gebirgslandschaft", die die gemessenen Energien bilden. Er erkennt, wie er die Regler verschieben muss, damit er schnell und doch ziemlich sicher das tiefste Tal findet.
"Wir verwenden die besten Eigenschaften beider Technologien", erklärt das Teammitglied Christine Maier. So hole man mehr aus den derzeit verfügbaren Quantenressourcen heraus, ergänzt die Physikerin.
Der Innsbrucker Hybrid-Computer ist nicht schneller als jeder rein klassische Rechner. Doch derzeit basteln die Forscher an einer größeren Version mit 50 Qubits. Diese Zahl gilt grob als die Grenze, ab der Quantenrechner die derzeit größten Supercomputer überflügeln können.
Es liegt eine Ahnung in der Luft, dass NISQ bald den Sprung in die Anwendung schaffen könnte. Das zeigt sich daran, dass auch Unternehmen, die nicht der Computerbranche angehören, ihre Fühler ausstrecken. Der Darmstädter Technologiekonzern Merck etwa hat eigens eine "Quantum Task Force" gegründet, die mit Startups aus der NISQ-Szene kooperiert.
"Die neue Technologie könnte unsere Branche grundlegend verändern", sagt Philipp Harbach von Mercks Quanten-Taskforce. Für Merck sei Quantenmechanik Alltag, sagt der Chemiker. Denn chemische Reaktionen folgen deren Regeln. Die "Quantenchemie" zu simulieren ist eine naheliegende Aufgabe für einen Quantenrechner.
Manchmal genügt eine Verbesserung der klassischen Software
Heute noch Unrentables ließe sich damit vielleicht verwirklichen, sagt Harbach. Er nennt ein Display aus organischen Leuchtdioden (OLED) als Beispiel. Es besteht aus mehreren Schichten organischen Materials. "Um Kosten zu sparen, wollte ein Kunde eine der Lagen dünner entwerfen." Dafür müsse man aber erst eine passende chemische Verbindung finden, die unter anderem einen hohen Brechungsindex hat. Tausende Kandidaten im Labor zu synthetisieren und zu testen würde zu viel Zeit und Geld kosten.
Die Alternative: Im Computer simulieren, wie ein neues Molekül auf elektromagnetische Wellen reagiert. Aus dieser Reaktion lässt sich der Brechungsindex berechnen. "Die gesamte Prozesssimulation ist quantenmechanisch", sagt Harbach. Mit einem NISQ-Gerät könne man aber wohl nur einen Teil davon bearbeiten. "Der Einsatz würde sich lohnen, wenn der Mehrwert des Rechenergebnisses signifikant größer wäre", sagt der Forscher. "Ob das bald möglich sein wird, wissen wir noch nicht", räumt er ein. Tatsächlich steht hinter den berechtigten Hoffnungen auf die baldige Anwendbarkeit kleiner Quantenrechner ein deutliches "Aber".
Trotz vieler Ideen und Experimenten ist es bislang nicht gelungen, eine solche Anwendung zum Laufen zu bringen. Ohne Fehlerkorrektur werden die Chips immer nur wenige Millisekunden haben, um an einer Aufgabe zu arbeiten. Ein klassischer Rechner ausreichender Stärke wird daher nicht sehr lange arbeiten müssen, um den Quantencomputer zu übertrumpfen. Viel Rechenkraft und Speicherplatz sind heute relativ günstig zu haben. Die Nische für Quantenchips und Quantenalgorithmen, die einen echten Vorteil bringen, könnte daher sehr eng werden.
Schließlich löst sich mancher vermutete Quantenvorteil durch eine Verbesserung der klassischen Software in Luft auf. Ironischerweise kann der Fortschritt der konventionellen Methode von dem entsprechenden Quantenalgorithmus inspiriert worden sein, wie folgende Anekdote zeigt.
Im Sommer 2018 sah sich die damals 18-jährige Informatikstudentin Ewin Tang von der University of Texas in Austin einen neuen Algorithmus für Quantencomputer an. Dieser soll Empfehlungssysteme schneller machen, wie sie in Online-Shops Produkte aufspüren, die ein Kunde mögen könnte. Eigentlich sollte Tang mathematisch beweisen, dass keine klassische Software genauso leistungsstark sein kann.
Doch das Mathe-Wunderkind enttäuschte seinen Prof: Inspiriert vom Quantenalgorithmus fand Tang einen klassischen Algorithmus, der genauso schnell Empfehlungen findet. Das Beispiel zeigt, dass die andere Art, mit der Software für Quantencomputer entwickelt wird, sich mitunter auf die klassische Softwareproduktion übertragen lässt. Ähnliches gelang auch schon mit einem Optimierungsalgorithmus.
Ob also die zweite Disziplin des Wettkampfs um den Quantenrechner, der Kurzstreckenlauf zum NISQ, zu einem Erfolg führt, bleibt ungewiss. Weil das Ziel aber greifbar erscheint, wirkt es wie ein Turbo.
Neben den Techgiganten und Startups versuchen auch europäische Forscher, ein NISQ-Gerät zu bauen. Sie arbeiten dafür zusammen. Ihr Projekt heißt OpenSuperQ. Im Keller von Gebäude 04.8 des Forschungszentrums Jülich entsteht ein Quantencomputer, der in wenigen Jahren 50 bis 100 supraleitende Qubits haben soll. Der Physiker Markus Jerger zeigt einen münzgroßen Zylinder, einen Chip mit vorläufig zwei Qubits für OpensuperQ. Der Chip kommt von der Technischen Universität Chalmers im schwedischen Göteborg.Ein weiterer Chip von der ETH Zürich soll bald eingebaut werden.
Einzelne Labors, so die wachsende Überzeugung vieler Quantenphysiker, können das Projekt Quantencomputer nicht stemmen. "Der Bau eines Quantencomputers ist ein Großprojekt", sagt Ferdinand Schmidt-Kaler von der Universität Mainz. In der Szene sagen viele, es brauche eine gewaltige kollektive Anstrengung, ein gesamteuropäisches Unternehmen wie den Airbus oder das Kernforschungszentrum CERN bei Genf. Beide Großprojekte befinden sich auf europäischen Boden.
Da das Rennen um den Quantenrechner noch offen ist und es nicht allein durch Fördermillionen und Enthusiasmus entschieden werden wird, sondern auch durch den Willen zur Kooperation, gibt es noch Hoffnung für den alten Kontinent, der momentan hinter den USA und China herhinkt. Vielleicht wird der Quantenzauber zuerst in Europa gebändigt werden.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.