Warntag: Nicht wirklich gut gelaufen

Text der Probewarnung des Deutschen Bundespräsidenten am bundesweiten Warntag 2022. Bild: IgorCalzone1 / CC BY-SA 4.0

Warnungen gab es nur für Besitzer neuerer Smartphones. Auch Touristen, Durchreisende und Neuankömmlinge müssten im Notfall auf die Hilfe von Nachbarn und anderen Mitmenschen hoffen.

Am gestrigen Donnerstag war Warntag. Um 11 Uhr sollten eigentlich alle Menschen zwischen Rhein und Oder, zwischen Flensburg und Konstanz in der einen oder anderen Weise vor einer fiktiven Katastrophe gewarnt worden sein.

Früher wurde derlei einmal mit Sirenen gemacht, die von hohen Punkten in den Dörfern und Städten aus die Bevölkerung erreichten. Mit verschiedenen Signalen, sodass sie im Alltag vor allem für das Zusammenrufen der freiwilligen Feuerwehren genutzt wurden.

Dann kamen die Pieper und schließlich die Handys, sodass die alten Anlagen ausgedient zu haben schienen und vielerorts demontiert wurden. Nur: Um den Ersatz hatte man sich nicht wirklich Gedanken gemacht, jedenfalls bei weitem nicht überall. Das war spätestens am letzten bundesweiten Warntag, am 10. September 2020, deutlich geworden, als in vielen Teilen des Landes weder Sirenen zu hören waren, noch Warnung auf den Handys rechtzeitig ankamen.

Konsequenzen wurden daraus aber, wenn überhaupt, nur sehr zögerlich gezogen, wie sich zehn Monate später beim Juli-Hochwasser 2021 in Westdeutschland zeigte. Eine Mischung aus politischer Verantwortungslosigkeit, Inkompetenz in den Krisenstäben, mangelnder Vorbereitung und fehlenden Warnmitteln führte dazu, dass die Bevölkerung im rheinland-pfälzischen Ahrtal und in den betroffenen Regionen im angrenzenden Nordrhein-Westfalen nicht rechtzeitig gewarnt wurde. Die Folgen waren viele Dutzend vermeidbare Todesopfer.

Wurde daraus inzwischen gelernt? Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) sprach gestern in einer vorläufigen Auswertung von einem Erfolg. Eigenlob gab es vor allem für das neue Cell-Broadcast-System, das in anderen Ländern schon länger Standard ist. Aber im Land des Dieselbetrugs und des Mautdesasters hat man es mit der Einführung digitaler Technik meist nicht so eilig.

Prinzip Hoffnung beim Katastrophenalarm

Und auch nicht mit unterschiedlichen Sprachen. In anderen EU-Ländern wird oft mehrsprachig gewarnt, wie zum Beispiel in Griechenland. Hierzulande meint man hingegen offenbar – im Einwanderungsland Deutschland, das zudem beliebtes Touristenziel und wichtigstes Transitland des Kontinents ist –, reicht es, auf Deutsch zu warnen. (Übrigens: Es gibt in der Bundesrepublik neben dem Deutschen fünf weitere amtlich anerkannte regionale Verkehrssprachen.)

Das BBK merkt bei allem Eigenlob immerhin an, dass ältere Handys mit dem neuen System nicht erreicht werden und dass außerdem die Mobiltelefone auch empfangsbereit sein müssen. Nicht erreicht wurden also offensichtlich alle Menschen, die kein Smartphone besitzen, nicht ständig Fernseher oder Radio laufen lassen, alleine in ihren Büros oder Wohnungen sitzen oder aus anderen Gründen nicht ständig Kontakt mit anderen Menschen haben, die sie informiert hätten.

Im Notfall müsste man also bei der gegenwärtigen Ausgestaltung der Warnsysteme auf jeden Fall darauf hoffen, dass die Menschen auf ihre Nachbarn achten und sie gegebenenfalls aufmerksam machen. Das BBK hätte gerne von den Bürgerinnen und Bürgern eine Rückmeldung und hat dazu einen Fragebogen ins Netz gestellt.

Die Linkspartei spricht von „gravierenden Lücken im Bevölkerungsschutz“. Immer noch würden nicht alle Menschen bundesweit zuverlässig erreicht, meint der Sprecher der Linksfraktion im Bundestag für Zivil- und Katastrophenschutz, André Hahn.

Auch 2022 sei das Sirenenwarnsystem nur punktuell zum Einsatz gekommen. Aus den noch unter der Vorgängerregierung angekündigten Fördergeldern seien bisher keine einsatzbereiten Warnsysteme geworden. „Das Sirenenneubauprogramm ist bislang nicht wirklich realisiert worden. Insbesondere in den Großstädten gibt es weiter erhebliche Lücke“, so Hahn.

Seine Partei weist außerdem darauf hin, dass die Ampelkoalition in den laufenden Haushaltsverhandlungen die Mittel für den Zivilschutz gekürzt hat. Unter anderem seien im BBK-Etat 25 Prozent gestrichen worden. „Das ist eine Kaputtsparpolitik auf Kosten der Bevölkerungssicherheit. Die zivile Sicherheit wird seit Jahren vernachlässigt“, so Hahns Fraktionskollege Victor Perli.