Warten auf die Agrarwende
Seite 2: Tierwohlabgabe – im Sande verlaufen
Wir wollen die Lebensmittelverschwendung in der gesamten Wertschöpfungskette vom Feld bis zum Handel reduzieren, erklärte Cem Özdemir Ende 2021. Es reiche nicht aus, auf freiwillige Vereinbarungen zu setzen. Er wolle sich für eine stärkere finanzielle Unterstützung der Landwirte bei der Umstellung auf eine klima- und artgerechte Produktionsweise einsetzen.
So sei eine finanzielle Beteiligung der Verbraucher etwa über eine Tierwohlabgabe möglich. Eine Tierwohlabgabe war bereits von der alten Bundesregierung diskutiert, jedoch nie umgesetzt worden. Einer von der Regierung in Auftrag gegebenen Studie vom Mai zufolge kostet es drei bis vier Milliarden Euro pro Jahr, um die Haltungsbedingungen für Kühe, Schweine und Hühner deutlich zu verbessern. Angedacht war eine erhöhte Mehrwertsteuer auf Fleisch.
Im Juni stellte der Agrarminister nun ein fünfstufiges staatliches Label zur Tierwohlkennzeichnung vor. Das Label soll 2023 für mehr Transparenz, Tierwohl und Nachhaltigkeit zunächst in der Schweinhaltung sorgen. Mit den Haltungsstufen "Stall", "Stall und Platz", "Frischluftstall", "Auslauf/Freiland" und "Bio" als Extra-Kategorie.
Im Etat des Landwirtschaftsministeriums sei eine Milliarde Euro für diese Legislaturperiode vorgesehen, erklärt Özdemir. Weniger Tiere, mehr Platz, staatliches Siegel, Umbau der Ställe – ein höheres Tierwohl – all das gebe es nicht zum Nulltarif. Für den Umbau der Tierhaltung hin mehr Tierwohl und mehr Klimaschutz braucht es eine langfristige Finanzierung – etwa über eine Mehrwertsteuer, Erhöhung der Mittel des Haushalts oder eben die Tierwohlabgabe. Auch wenn das in Zeiten allgemeiner Preissteigerungen bei Lebensmitteln sehr ungünstig erscheint. Später sollen auch andere Tierarten davon profitieren.
Zwar sei der Gesetzentwurf zur Tierhaltungskennzeichnung ein guter Anfang, räumt Anne Hamester vom Nutztierschutzverband Provieh ein. In etlichen Punkten müsse jedoch deutlich nachgebessert werden, wie etwa in punkto regelmäßige Kontrollen. In dieser Form ergeben sich völlig falsche Anreize für den Umbau der Tierhaltung. Zudem werden Verbraucher durch die Kennzeichnung sogar getäuscht.
Seit Monaten fordern die Tierschutz-, Verbraucherschutz sowie Agrar- und Ernährungsverbände grundsätzliche Änderungen am Gesetzentwurf. Es sei nicht akzeptabel, dass die Bundesregierung den aktuellen Gesetzentwurf durchpeitschen will und alle Änderungsforderungen ignoriert, heißt es in einem gemeinsamen Brief.