Wartungsarbeiten an Gas-Pipeline: Ab Montag fließt kein Gas mehr durch Nord Stream 1
Deutschland und Europa blicken mit Spannung auf die Ostsee-Pipeline: Werden die Gaslieferungen nach zehn Tagen wieder aufgenommen? Es gibt Grund zur Zuversicht.
Es herrscht großen Bangen in der Bundesrepublik: Seit Montag, sechs Uhr fließt kein Erdgas mehr durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1. Die nächsten zehn Tage wird die Leitung gewartet – und niemand weiß, ob nach Ende der Arbeiten der Gashahn wieder aufgedreht wird.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte zuletzt Bedenken geäußert, es könne vielleicht nicht nur bei einer vorübergehenden Abschaltung bleiben. Als Grund hatte er dabei angeführt, dass der russische Energiekonzern Gazprom zuvor schon die Liefermenge über Nord Stream 1 gedrosselt hatte.
Die russische Seite hatte dagegen immer betont, ein zuverlässiger Lieferant zu sein und man hatte stets den Vorwurf zurückgewiesen, Gaslieferungen als politisches Druckmittel einzusetzen. Am Freitag erst hatte Kremlsprecher Dmitri Peskow in Aussicht gestellt, dass der Umfang der Gaslieferungen wieder zunehmen könnte. Voraussetzung dafür sei, dass eine Gasturbine wieder nach Russland kommt, die zuvor nach Kanada zur Wartung geschickt wurde.
Aufgrund der gegen Russland gerichteten Sanktionen hing sie dort allerdings fest und durfte nicht nach Russland zurückgesandt werden. Daraufhin waren die Gaslieferungen über Nord Stream 1 aus technischen Gründen auf 40 Prozent des ursprünglich vereinbarten Volumens gedrosselt worden. Die Bundesregierung bezeichnete das als Wirtschaftskrieg gegen Deutschland.
Kanada gibt blockierte Gasturbine frei
Doch gleichzeitig drängte sie in Kanada darauf, dass die Turbine wieder freigegeben wird – und am Samstag gab die kanadische Regierung schließlich grünes Licht dafür. Man erteile eine "zeitlich begrenzte und widerrufliche Genehmigung", heißt es in einer Erklärung, um die Rückgabe von Turbinen von den Sanktionen gegen Russland auszunehmen.
"Ohne die notwendige Versorgung mit Erdgas wird die deutsche Wirtschaft sehr große Schwierigkeiten haben", erklärte der kanadische Minister für natürliche Ressourcen, Jonathan Wilkinson. "Und die Deutschen selbst laufen Gefahr, dass sie ihre Häuser im bevorstehenden Winter nicht heizen können."
Die Rückgabe der Turbine würde die Fähigkeit Europas unterstützen, auf zuverlässige und erschwingliche Energie zuzugreifen, während es sich von russischem Öl und Gas abwendet, fügte Wilkinson hinzu.
Die Turbine wird nun allerdings nicht an Russland ausgeliefert, sondern an Deutschland. Vorgeschlagen hatte die Bundesregierung diesen Weg, damit es die Entscheidung rechtlich vereinfache. Peskow kommentierte das lakonisch: "Die Frage ist nur, warum das nicht von Anfang an so gemacht wurde".
Deutliche Kritik an der kanadischen Entscheidung kam aus der Ukraine. Sowohl das Energie- als auch das Außenministerium erklärten laut Reuters, die Entscheidung laufe darauf hinaus, die gegen Moskau verhängten Sanktionen "an die Launen Russlands" anzupassen. Beide Ministerien forderten demnach, dass die Entscheidung rückgängig gemacht werde.
Welche Folgen das aber für die Bundesrepublik haben würde, wird dabei von der ukrainischen Seite ausgeblendet. Für viele Menschen in Deutschland sind die Folgen aber nicht mehr nur abstrakt, sondern deutlich zu spüren, an den steigenden Gaspreisen zum Beispiel.
Viele Schwimmbäder stehen vor dem Aus
In diesem Jahr werden aber wohl auch viele Kinder keinen Schwimmunterricht haben, weil zahlreiche Bäder schließen müssen. Die kommunalen Betreiber können sich die Energiekosten nicht mehr leisten.
Die Stadt Nürnberg muss zum Beispiel drei ihrer Hallenbäder über den Sommer schließen, weil die Energiekosten zu hoch sind. Aus demselben Grund schließt auch die sächsische Landeshauptstadt Dresden Hallenbäder. Und eine parlamentarische Anfrage in Baden-Württemberg hatte ergeben, dass von den 197 Hallenbädern im Land etwa 45 wohl geschlossen werden müssen.
In Deutschland macht man für diese Entwicklung immer noch die russische Seite verantwortlich. Putins Gasstopp vermiese Urlaubern die Erholung und Kindern den Schwimmunterricht, hieß es kürzlich im Manager Magazin. Doch den westlichen Sanktionen müsste man zumindest auch eine Mitverantwortung für die Entwicklung in Deutschland zuschreiben.
Und mit Blick auf die anstehenden Wartungsarbeiten an der Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 bleibt nur zu sagen: Sie sind rechtlich vorgeschrieben. In welchem Turnus welche Teile von Leitung, Messstation oder Verdichterstation gewartet werden müssen, regelt in der Bundesrepublik der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfachs (DVGW). Nach der Wartung prüfen dann staatlich anerkannte Sachverständige die Ergebnisse.
Überprüft wird dabei, ob alle Dichtungen richtig schließen; dass die Gasleitung keine Leckagen oder Risse hat; und dass mit der Stromversorgung sowie dem Brandschutz alles in Ordnung ist. Auch die Software soll auf den neuesten Stand gebracht werden, heißt es bei der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Zehn Tage sind für die Arbeiten veranschlagt. Und wie die Erfahrung der letzten Jahre zeige, könne die Wartung auch vor Ende der Frist beendet werden, heißt es nun im Handelsblatt (Montagsausgabe). Die restlichen Tage seien ein Puffer, um eventuell Reparaturen vornehmen zu können.