Warum das bewölkte Deutschland einen PV-Boom auslösen kann
Photovoltaik - das Flaggschiff der Erneuerbaren Energien (Teil I)
Wer das Wort Solarenergie hört, denkt vermutlich als erstes an Solarzellen, die man immer häufiger auf deutschen Dächern sieht: die Photovoltaik (PV). PV ist zum Hoffnungsträger schlechthin für die Solarenergie geworden; wie MdB und Energie-Experte Hermann Scheer (SPD) gegenüber der Welt sagte: "Die Photovoltaik ist der zukunftsträchtigste Bereich im gesamten Spektrum der erneuerbaren Energien, und zwar weltweit." PV bietet sauberen Strom vor Ort, überall, auch ohne Netzanschluss, in allen Größen - von kleinen Zellen zur Versorgung von Taschenrechnern bis hin zum größten PV-Kraftwerk der Welt (5 Megawatt "peak" Leistung, oder 5 MWp), das zur Zeit von der Geosol GmbH in Sachsen gebaut wird.
Aber ist ein PV-Kraftwerk überhaupt sinnvoll in Sachsen, wo die Sonne kaum hinkommt? Ist das nicht schon wieder eine Verschwendung von Steuergeldern und ein rot-grünes Hirngespinst? Sollte man nicht lieber riesige PV-Kraftwerke in der Sahara oder mindestens in Spanien aufstellen, wo die Sonne häufiger und stärker scheint? Und ist PV nicht ohnehin schon unsäglich teuer?
Solarenergie gibt es in vielen Varianten ohne Elektrizität, z.B. Solarkocher, die die Solarwärme auf einen Topf konzentrieren. Solarenergie verwendet man auch, wenn man seine Wäsche draußen zum Trocknen aufhängt. Und selbst wenn man Elektrizität durch Solarkraft gewinnt, muss dies nicht zwangsläufig mit PV geschehen. Die größte Solarstromanlage der Welt ist ein solarthermisches Kraftwerk in der Wüste bei Kramer Junction in Kalifornien. Dort wird die Solarwärme in sogenannten Parabolrinnenkollektoren konzentriert, um eine herkömmliche Dampfturbine zu treiben (eine ähnliche Anlage in Europa ist die spanische Plataforma Solar de Almería). Kramer Junction besteht aus 5 Anlagen mit jeweils 30 MW, also insgesamt etwa 30 mal mehr Spitzenleistung als beim PV-Kraftwerk in Sachsen.
Und während bei Kramer Junction eine Kilowattstunde für rund 12 Cent produziert werden kann, wird sie laut Gero Hollmann, Geschäftsführer von Geosol, bei Leipzig gut 41 Cent kosten - immerhin rund 10% unter der Vergütung von 45,7 Cent nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG). Das Projekt soll sich also bestens für Privatinvestoren rentieren.
Die Stromgestehungskosten beim Leipziger PV-Kraftwerk liegen deshalb so weit unter der Vergütung, weil die Grundstückspreise so niedrig sind; das Kraftwerk entsteht auf dem Gelände eines ehemaligen Braunkohle-Veredelungswerks. Außerdem ist die Region die sonnigste in den neuen Ländern; die Globalstrahlung entspricht etwa der von Nordbayern.
Eine andere Möglichkeit stellt das neue Projekt in Rostock dar: Auf einer Deponie am Hafen werden freistehende Anlagen installiert, die der Sonne nachgeführt werden. Solche Anlagen sind teurer, aber produzieren gut 35% mehr Strom als unbewegliche Anlagen, deren Neigung und Orientierung zur Sonne meistens suboptimal ist. Eine Besonderheit der nachgeführten PV-Anlagen mit 300 kWp in Rostock: Sie sind helligkeitsgesteuert statt zeitgesteuert, was etwas mehr Ausbeute verspricht.
Günter Schmarje von der Firma Küstensolar schätzt, dass es gut 1.200 solche Deponien alleine in Mecklenburg-Vorpommern gibt, die zur Zeit gar nicht verwendet werden. Die Grundstücke werden deshalb praktisch kostenlos zur Verfügung gestellt. Schmarje glaubt auch, dass Gestehungskosten für den Strom aus seinem Projekt rund 10% unter der EEG-Vergütung liegen wird - eine lohnende Sache für Privatinvestoren, wenn das Versprechen eingehalten wird.
Kosten bei der Stromerzeugung
Lohnt sich die PV aber nur, weil er so hoch vergütet wird? Wäre es nicht besser, auf die jetzt schon viel billigere Solarthermie zu setzen? Die Antwort zeigt den besonderen Vorteil der PV auf: Während solarthermische und alle anderen Kraftwerke ihren eigenen Platz brauchen und groß sein müssen (das neue solarthermische Kraftwerk in Arizona gilt als klein mit 1MW), kann eine PV-Anlage in bestehende Strukturen integriert und auf den Bedarf zugeschnitten werden.
So baut in diesem Monaten die Phönix SonnenStrom AG eine PV-Anlage als Lärmschutzwand an der Bahnlinie bei Vaterstetten mit einer Spitzenkapazität von 180 kW. D.h. es wird dort Strom erzeugt, wo er verbraucht wird, und kein zusätzlicher Platz muss bebaut werden. Das spart auch Kosten, weil Leitungs- und Verteilungsverluste so minimiert werden. Hinzu kommt, dass Stromnetze nicht ausgebaut werden müssten, wenn PV auf vielen Dächern zu finden wäre, d.h. die Stromnetze könnten insgesamt entlastet werden. Das spart weitere Kosten, denn alleine die Netznutzung verschlingt 6 Cent pro kWh von den rund 18 Cent, die eine kWh den deutschen Verbraucher kostet.
PV-Anlagen können nicht nur auf Dächern stehen; sie können Dachziegel und Fassaden ersetzen. In solchen Fällen spart man nicht nur die Grundstückskosten für die Anlage und einiges an Leitungskosten, sondern unter Umständen auch einen Teil der Kosten fürs Dach oder die Fassade obendrein. Auf repräsentativen Gebäuden werden zum Teil sehr teuere Materialien zur Fassadenverkleidung verwendet, so z.B. die Fassade aus Bronze für das neue Westminster Bürogebäude für rund 10.000 Euro pro m2. Eine PV-Fassade hätte einen Bruchteil davon gekostet - je nach Ausführung rund 800 Euro pro m2 - und nicht weniger imposant ausgesehen. In solchen Fällen ist der Strom aus der Anlage dann eben nicht teuer, sondern kostenlos.
Im November 2003 hat deshalb die Energieagentur NRW eine Tagung mit dem Titel "Strom statt Marmor" veranstaltet. Der Architekt Ingo B. Hagemann, Autor des Buches Gebäudeintegrierte Photovoltaik, sagte gegenüber Telepolis, dass es kaum möglich sei, allgemeine Kostenersparnisse zu beziffern. Beim Modehaus Zara in Köln etwa habe die Verwendung von PV an der Fassade eine weit dickere Fassade ersetzt, was zu etwas mehr Büroraum - und deshalb höhere Mieteinnahmen - führte. Und wie das Beispiel von Zara zeigt, wirkt gebäude-integrierte PV sehr imposant: "PV ist sexy und besitzt ein einmaliges in der Architekturwelt noch unbekanntes Gestaltbild", erklärt Hagemann. Es müsse jedoch immer von Fall zu Fall untersucht werden, welche Kosten eingespart werden könnten. Trotzdem können die vermiedenen Kosten manchmal die Kosten für PV weitgehend relativieren, wie die folgende Grafik zeigt:
In den meisten Fällen ist eine solche Kalkulation jedoch nicht möglich, denn die Photovoltaik ist immer noch so teuer, dass die meisten ersetzten Baustoffe nur einen winzigen Teil der Kosten für die PV-Anlage ausmachen. Sogenannte "Solardachziegel" beispielsweise kosten gut 10 bis 30 mal mehr als konventionelle Dachziegel, so dass der Eigenheimbesitzer immer noch mit hohen Kosten für seine PV-Anlage auf dem Dach rechnen muss, obwohl die "normalen" Dachziegel entfallen. Wenn man aber etwas Kleingeld über hat, gibt es auch pfiffige Ideen wie solare Fensterläden von der Sunways AG
Allerdings darf man bei der Betrachtung der Kosten nicht übersehen, dass die Photovoltaik am meisten Strom produziert, wenn die Spitzenlasten am höchsten sind, nämlich gegen Mittag. Im Gegensatz etwa zur Windenergie, die vor allem morgens und abends und teilweise sogar nachts zur Verfügung steht, wenn wenig Stromnachfrage besteht, produziert eine PV-Anlage nur tagsüber. Deshalb ließe sich die PV leichter ins Stromnetz integrieren als Wind, denn PV reduziert vor allem die Spitzenlasten.
Das Potenzial für PV-Anlagen ist hoch
Während es also theoretisch eine sinnvolle obere Grenze für den Anteil der Windkraft an der Gesamtstromerzeugung gibt (manche Experten sprechen von 25%, was in Dänemark und manchen Teilnetzen Deutschlands schon erreicht ist), wäre die Obergrenze für die Photovoltaik viel höher, eben weil die Erzeugung und die Nachfrage zeitlich so gut übereinstimmen. Im Moment liegt die Photovoltaik jedoch weit von der theoretischen Obergrenze entfernt, denn sie deckt immer noch weniger als 1% des Strombedarfs in Deutschland.
Wenn man Strom aus PV als Strom für Spitzenlasten begreift, relativiert sich der Preis. Der Preis für eine Kilowattstunde Strom zu Spitzenlastzeiten steigt nicht nur auf dem Spotmarkt in Kalifornien in astronomische Höhen, sondern auch in Europa: auf dem Day-ahead-Markt der Amsterdamer Strombörse APX ist der Preis für eine kWh in den letzten Jahren immer wieder auf 50 Cent gestiegen, mehr sogar als damals für die Einspeisung einer photovoltaisch erzeugten kWh in Deutschland gezahlt wurde.
Die Grundvergütung für eine kWh Photovoltaik liegt seit der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bei 45,7 Cent, aber dies gilt nur für freistehende Anlagen wie die bei Leipzig. Da es aus den obgenannten Gründen sinnvoller ist, PV in bestehende Strukturen zu integrieren, sieht das EEG nun vor, dass Gebäude-integrierte Anlagen (wozu Lärmschutzwände auch zählen) bis zu der Anlagengröße von 30 kW sogar mit 57,4 Cent pro Kilowattstunde vergütet werden. Und wenn diese Anlagen auf Fassaden angebracht werden, kommen zusätzliche 5 Cent dazu. Die Vergütung liegt also je nach Anlagengröße und Aufstellung zwischen 45,7 und 62,4 Cent pro kWh und ist nach wie vor degressiv, d.h. mit den Jahren sinkt die staatliche Unterstützung für neu installierte Anlagen (sie bleibt jedoch konstant über 20 Jahre ab dem Niveau im Jahre der Installation), weil die Preise für die Module aufgrund von Skaleneffekten und Technologiefortschritt auch sinken sollen.
Das EEG dürfte mit die höchste Vergütung für PV auf der Welt bieten. In Luxemburg bekommt man 60 Cent für eine kWh aus einer PV-Anlage, aber der Staat übernimmt auch noch einen Teil der Anschaffungskosten. Zum Vergleich: Man bekommt im französischen Programm "Blaue Gebäude" ("batîments bleus") 14,8 Cent für eine Kilowattstunde aus PV (doppelt so viel wird jedoch in den Übersee-Départements bezahlt), und in den USA verwendet man das Verfahren net metering: Hier läuft der Stromzähler ("meter") rückwärts, wenn mehr Strom produziert als konsumiert wird. Anders gesagt: Man bekommt bestenfalls genauso viel für eine Kilowattstunde, wie man selbst zahlt.
In der Praxis sieht alles noch schlimmer aus, denn viele US-Versorgungsunternehmen zahlen für "überschüssigen" Strom (wenn man mehr im Jahr einspeist, als man selbst verbraucht) nicht einmal den vollen Preis, sondern ziehen Netzkosten und ähnliches ab - wenn der überschüssige Strom überhaupt vergütet wird. Kein Wunder, dass die EU (# 2 mit 24% des Weltmarkts) und Japan (#1 mit 44%), das ein ähnliches Förderprogramm für PV hatte, führend in der Photovoltaikindustrie sind, während die USA (heute nur noch 22%, aber vor wenigen Jahren noch #1) immer weiter zurückfallen. In den letzten zehn Jahren ist die PV-Branche in der EU um rund 30% pro Jahr gewachsen, und die Kommission möchte die Japaner noch überholen - mit Deutschland als treibender Kraft.
Unter den Wolken?
Aber ist es überhaupt sinnvoll, dass das bewölkte Deutschland solche Ambitionen in der Sonnenenergie hat? Hier muss die Antwort Ja lauten, denn man darf eines nicht übersehen: Der Sonnenschein ist kostenlos, die PV-Anlagen nicht. Spanien mag Sonne haben, aber wenn Deutschland den Vorsprung wagt und die besten Anlagen herstellt, wird die hiesige PV-Industrie zu einem Exportschlager. Dann produziert Spanien vielleicht mehr Solarstrom, aber Deutschland mehr Solaranlagen. Außerdem hat Deutschland eh keine Wahl, denn das Land hat nicht nur wenig Sonne, sondern auch relativ wenig Wind (im Unterschied beispielsweise zu Großbritannien), noch weniger Erdöl und keine konkurrenzfähige Kohle.
Oft wird dabei übersehen, dass PV-Anlagen meistens bei 25°C optimal laufen. Die Ausbeute bei einer Modultemperatur von 25° ist also beispielsweise doppelt so hoch in Mexiko City als in Stuttgart wegen der stärkeren Sonneneinstrahlung, aber ein Modul kann sich in Mexiko locker auf weit über 70°C in der sommerlichen Sonne erhitzen. Laut Klaus Kiefer vom Fraunhofer ISE beträgt der Leistungsabfall rund 0,4 % pro Grad Kelvin bei polykristallinem und monokristallinem Silizium ab 25°C. Die kühleren Temperaturen in Deutschland kompensieren die schwächere Einstrahlung einigermaßen, so dass die Ausbeute in Mexiko in der Praxis eben nicht doppelt so hoch ist. Insgesamt schätzt das Fraunhofer ISE, dass die Gestehungskosten für Strom aus PV-Anlagen am Äquator nicht viel mehr als 10% billiger ist als in Deutschland, wenn andere Systemkomponenten wie Wechselrichter und Batterien (für netzferne Anwendungen) mit eingerechnet werden.
Es würde außerdem keinen Sinn machen, riesige Anlagen in Spanien oder gar in der Sahara aufzustellen, um Strom nach Deutschland zu leiten, nur um diese Prozentpunkte abzuschöpfen. Im Moment ist kein Supraleiter für solche Entfernungen in Sicht, d.h. die Netzverluste wären zu hoch, aber selbst wenn einer in zehn Jahren zur Verfügung steht, wäre es fatal, die Energie-Autonomie aus der Hand zu geben. Stellen Sie sich vor, bei einer politischen Krise könnte eine solche Leitung gekappt oder sabotiert werden, und schon würde das Stromnetz in Deutschland zusammenbrechen. Wenn aber jedes Haus PV auf dem Dach und an der Fassade hätte, würden viele Strommasten überflüssig, und es wäre beinahe unmöglich, das Stromnetz durch das Ausschalten oder gar die Zerstörung einiger großer Kraftwerke zu destabilisieren (Stichwort: dezentrale Stromversorgung). Wenn Deutschland also jetzt in die PV investiert, sieht die Zukunft schon sonnig aus.
Craig Morris übersetzt im Bereich Energie, Technik, und Finanzen bei Petite Planète.