Warum die "Zeitbombe" Nahostkonflikt entschärft werden kann – und muss

Eine Palästinenserin mit Palästinenserflagge, umring von zwei Soldaten in Al Ma'sara im besetztes Westjordanland. Bild: Yossi Gurvitz / CC BY-NC-ND 2.0 Deed

Eruption im Nahen Osten wurzelt in Friedensblockade. Die tieferen Ursachen müssen adressiert werden. Warum jeder das weiß, aber nichts getan wird. Gastbeitrag.

Die "Zeitbombe" Nahostkonflikt, mit der ungelösten Palästina-Frage und dem Schicksal des palästinensischen Volkes als Kern, wurde seit 1947 niemals entschärft. Damals beschloss die UNO-Generalversammlung am 29. November in ihrer Resolution 181 (II), dass in allen, zu jener Zeit von noch britischen Mandatstruppen geräumten Gebieten Palästinas, zwei Staaten zu gründen seien – jeweils ein arabischer und ein jüdischer. Jerusalem wurde ein internationaler Status zugesprochen.

Am 14. Mai 1948 wurde der Staat Israel proklamiert. Darauf reagierten Syrien, Transjordanien, Ägypten, Irak und Saudi-Arabien mit militärischer Ablehnung. Es begann der erste Nahostkrieg (1948 bis 1949), in welchem Israel militärisch siegte. Für die arabischen Palästinenser begann die von ihnen sowie der arabischen Welt apostrophierte "Nakba" (Katastrophe): Heimatverlust, Vertreibung. (Laut Schätzungen der Vereinten Nationen wurden ca. 774.000 Palästinenser vertrieben oder zur Flucht gezwungen.)

Bis in die Gegenwart reicht insbesondere staatlich gefördertes Vordrängen israelischer Siedler in die palästinensischen Gebiete, insbesondere im Westjordanland, Ostjerusalem und auf den Golanhöhen. Deren Anteil in den besetzten Gebieten des Westjordanlands (ohne Ostjerusalem) lag 2020 bei 451.700 Bewohnern, in Ostjerusalem sind es 220.000.

2019 lebten im Westjordanland und Ost-Jerusalem zusammen ca. 700.000 jüdische Siedler. Eine von Israel errichtete, 700 km lange Mauer aus Stahlbeton, die Gebiete Palästinas von Israel trennt, verläuft zu 80 Prozent auf palästinensischem Gebiet. "Ohne Verhandlungen wurde ein Teil palästinensischen Gebiets in das Staatsgebiet Israels vereinnahmt." (Udo Steinbach, Tradition und Erneuerung im Ringen um die Zukunft, 2021, S. 378)

Als schier unlösbar stellt sich die palästinensische Flüchtlingsproblematik dar. Das "Auslandsbüro Palästinensische Gebiete" der Konrad-Adenauer-Stiftung schätzt die palästinensische Flüchtlingsproblematik derart ein:

Die Situation palästinensischer Flüchtlinge ist wegen der langanhaltenden Dauer des Problems weltweit einmalig. Zum ersten Januar 2017 zählte die UNRWA rund 5.340.000 registrierte Palästina-Flüchtlinge. Ca. 42 Prozent der Palästinenser trägt den Flüchtlingsstatus. Im Libanon lebten zum Januar 2017 rund 465.000 Palästina-Flüchtlinge …. Nach UNRWA wurden im Sechs-Tage-Krieg von 1967 ca. 300.000 Palästinenser vertrieben.

In einem kurzen, unvollständigen Blick auf palästinensische politische Strukturen stellt sich die Autonomiebehörde auf dem verbliebenen kleinen Landstreifen als maßgebliche Kraft dar. Am 15. November 1988 rief die PLO den "Staat Palästina" aus, welchen 138 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen von 193 anerkannten.

Dieser Status wird vonseiten Israels, den USA und anderer, vornehmlich westlicher Staaten, auch der BRD, nicht anerkannt. Teil der politischen Strukturen ist auch Hamas in Gaza, ein von Israel wirtschaftlich und politisch weitgehend abhängiges Gebiet. (Völkerrechtliche Aspekte des Gaza-Konflikts vom Mai 2021, Deutscher Bundestag, Wissenschaftlicher Dienst, WD 2 – 3000 – 043/21)

Gemeinsames Ziel ist ein selbstbestimmter nationaler Staat Palästina mit eigenem Territorium in den Grenzen von 1967. BRD und EU beziehen laut Auswärtigem Amt folgende Position:

Israelische Siedlungen in den besetzten Gebieten sind aus Sicht der Bundesregierung völkerrechtswidrig, ein Hindernis für den Frieden und eine Gefahr für die Grundlagen der Zwei-Staaten-Lösung.

Weitergehend heißt es bei der EU:

Die Europäische Union erkennt im Einklang mit dem Völkerrecht die Souveränität Israels über die seit Juni 1967 von Israel besetzten Gebiete, nämlich die Golanhöhen, den Gazastreifen und das Westjordanland einschließlich Ostjerusalem, nicht an und betrachtet sie nicht als Teil des israelischen Territoriums, unabhängig von ihrem rechtlichen Status nach innerstaatlichem israelischen Recht. Die Union erklärt unmissverständlich, dass sie keine Änderungen der Grenzen vor 1967 anerkennen wird, mit Ausnahme derjenigen, die von den Parteien des Nahost-Friedensprozesses (MEPP)3 vereinbart wurden.