"Warum glaubst Du, dass Du verlierst, Donald?"

Symboldbild: Luz Fuertes/Unsplash

Die Zwietrachtsäer: Die schärfsten Kritiker von Präsident Trump waren früher seine Bundesgenossen

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Er bettelt, er fleht: "Will You Please Like Me?" - "Könnt ihr mich bitte mögen?" Manchmal erscheint Donald Trump in diesen Tagen als ein Kandidat in offener Verzweiflung. Es klappt einfach nicht. Er findet kein Thema. Er findet kein "Narrativ", keine Erzählung, die seine Wahlkampagne endlich auf ein Gleis bringen und ihr Fahrt geben könnte.

Er kann Joe Biden nicht fassen: Der von ihm "Sleepy Joe" getaufte Kandidat wird zu slicky Joe, dem Glitschigen, der ihm immer wieder aus den Händen gleitet, sich entzieht.

Am Anfang sollte Biden als einer dastehen, der zu senil ist und zu müde, um das Land zu führen. Dann war es der Ineffektive, der in 47 Jahren angeblich nichts hinbekommen hat - dann aber soll er wieder der radikale Kommunist sein. Trump schafft es nicht, eine klare Angriffslinie gegen Joe Biden zu führen. Und er schafft es auch nicht, eine klare Geschichte über sich selbst zu erzählen.

"I saved your damn neighborhood, OK?"

Bei einem seiner jüngsten Wahlkampfauftritte in Johnstown, im "Battleground-State" Pennsylvania, richtete sich Trump direkt an jene Vorstadtfrauen, die er jetzt nicht mehr "Housewives" nennt, die aber gerade mit fliegenden Fahnen ins andere Lager seines Opponenten Joe Biden wechseln.

"Somebody said, I don’t know if the suburban woman likes you ("Jemand sagte: "Ich weiß nicht, ob die Vorstadtfrau Sie mag"), rief Trump in die Menge. "Sie mögen vielleicht nicht, wie Sie reden." "Aber mir geht es um Recht und Ordnung. Mir geht es darum, dass Sie in Sicherheit sind. ... Vorstadtfrauen sollten mich heute Abend mehr als jeden anderen hier mögen, weil ich die Regelung beendet habe, die Ihre Nachbarschaft zerstört hat."

Und wenige Sätze später war er schon wieder der alte Trump:

Vorstadtfrauen, würdet ihr mich bitte mögen? Bitte, bitte, bitte. Ich habe eure verdammte Nachbarschaft gerettet, ok? Die andere Sache ist: ich habe nicht viel Zeit, nett zu sein. Ich kann es tun, aber dann muss ich schnell weiter. Wir haben keine Zeit. Die wollen, dass ich politisch korrekt bin. ... Nein, nein, nein." .

Donald Trump

Trump ist wieder kämpferisch geworden - ob unter Medikamenteneinfluss? Oder weil er erleichtert ist, dass er dem politischen Corona-Tod vorläufig noch von der Schippe gesprungen ist? Jedenfalls steht ein anderer Trump auf der Wahlkampf-Bühne. Ob das reicht, um den Unterstützungsrückstand bis zum 3. November aufzuholen? Man wird sehen.

Gegen den populistischen, isolationistischen, etatistischen Präsidenten

Zu den schärften Gegnern des Amtsinhabers zählen aber zwei andere starke Faktoren: Die Demographie und Trumps eigene republikanische Partei. Zu der war er selbst zwar nie besonders loyal, doch immerhin ist er ihr Kandidat. Jetzt aber drohen die Wahlen auch für die Partei zum Desaster zu werden.

Schon länger verliert Trump die Unterstützung bei den weißen Frauen. Sie lag gegen Hilary Clinton immerhin bei 52 Prozent aller Wählerinnen, also klar über dem Durchschnitt. Bei allen nicht-weißen Frauen bekam Trump nur etwa ein knappes Drittel Stimmanteil. Dass die Schwarzen nicht für Trump stimmen, überrascht kaum. Nun aber verliert er ebenfalls bei den Latinos viele Stimmen.

Die größte Herausforderung für Trump formierte sich seit Anfang des Jahres aber im "Lincoln Project", (Wie zermürbt man einen Präsidenten?) einer Graswurzelbewegung unter Parteigängern der Republikaner, die sich trotz - oder eben wegen - dieser rechtsliberalen politischen Orientierung gegen den populistischen, isolationistischen, etatistischen, anti-elitären, vulgären Präsidenten richten.

Das Lincoln Project, benannt nach Abraham Lincoln (1809-1865), dem 16. US-Präsidenten, dem ersten der Republikanischen Partei, der einen Bürgerkrieg gegen Rassismus, Sklaverei und föderalistischen Partikularismus führte und die Nation nach dem Bürgerkrieg zusammenführte, fährt eine weitaus schärfe Anti-Trump-Kampagne als die vergleichsweise moderat auftretenden Demokraten. Sie schalten härtere Anzeigen und Werbeclips als die Demokraten.

Die Kampagne hat zurzeit drei klare taktische Schwerpunkte. Der erste gilt der Person Trump. Der Präsident sei "nicht fit für sein Amt". "Wir sind keine Ärzte aber wir können hinsehen", heißt es in einem Video: "Irgendwas stimmt nicht mit Donald Trump. Warum gibt es so viele Reporter, die so tun als könnten sie den Verfall von Trump nicht sehen?"

Ein zweiter Kurzfilm zielt direkt darauf Misstrauen und Zwietracht zwischen dem Präsidenten und seinem engsten Umfeld zu säen. Verbreitet auf Facebook wendet sich in dem Film eine weibliche Stimme in konspirativem Flüsterton, aber auch paranoisch verdoppelt an Trump persönlich:

"Warum glauben Sie, Donald, dass Sie verlieren? Weil Sie ein Loyalitäts-Problem haben. Sie sind in Ihrem Wahlkampf; in Ihrem Weißen Haus; in Ihren Kongressen. Sogar in Ihrer eigenen Familie. Sie tuscheln über Sie. Sie lassen etwas durchsickern, intrigieren, lügen. Sie sagen den Medien, dass sie klug sind und dass Sie außer Kontrolle geraten sind - dass Sie sich nicht konzentrieren können, dass Sie geistig und körperlich schwach sind, dass Sie sich in Ihrem Bunker verstecken, verängstigt und zittrig."

Das Video endet mit dem Hinweis: "Auch wenn Trump die Wahl verliert, hoffen viele um ihn herum auf einen letzten Zahltag."

"Eure Töchter hören zu"

Die zweite Stoßrichtung sind Frauen. Dass Trump ein Frauenverächter ist, gilt als gesetzt. Dass er sexistisch ist, Frauen nicht für voll nimmt, dass er sie am liebsten als Hausmütterchen sieht oder gleich als potentielle Sexobjekte steht ebenfalls außerhalb vernünftiger Zweifel. Die Videos zielen auf die Eltern nicht zuletzt Väter von jungen Frauen: "Mädchen im Spiegel" heißt einer der nachhaltigsten Lincoln-Project-Clips. Hier der Text: "Stellt euch ein junges Mädchen vor, dass in den Spiegel blickt. Und Vorbilder sucht, die ihr Hoffnung geben, für das, was sie erreichen kann."

Es sind Mädchen in Erfolgs-Jobs zu sehen, auch als Raumfahrerin. Dann geht der Text weiter: "Stellt euch nun vor, was Mädchen denken, wenn sie sehen, wie Frauen verbal angegriffen werden?" Dazu laufen dann im Film Bilder, in denen Trump einer Journalisten eine "dumme Frage" vorwirft in einer verächtlichen Tonart, oder in denen er Kamala Harris als "Monster" bezeichnet. Und in denen Trump Frauen klein macht oder sie belästigt und verletzt werden.

"Eure Töchter hören zu und saugen solche Botschaften auf. Nun stellt sich eine andere Zukunft für sie vor. Eine Zukunft und einen Präsidenten, der nicht nur die Stimmen von Frauen schätzt, sondern eine von ihnen zu seiner rechten Hand wählt? Eine starke Frau, eine Frau mit Empathie, die keine Angst hat, sich mit einem Belästiger anzulegen."

Man sieht man Bilder von Kamala Harris, zuletzt eines, in dem sie den Vizepräsident Pence in die Schranken weist:

"Eine Frau die nicht nur an den amerikanischen Traum glaubt, sondern ihn verkörpert. Stellt euch dieses junge Mädchen und ihren Blick in den Spiegel vor - denn dieses junge Mädchen ist eure Tochter. Und eure Handlungen am 3. November definieren, was sie sieht. Stimmt für einen Wechsel! Stimmt für Sie!"

"Ein Feigling oder ein Komplize unserer Feinde"

Schließlich die Militärs und Veteranen. Hier sieht man fiese, sinistre reaktionäre Figuren aufmarschieren: Offenbar Sympathieträger für Trump-Wähler.

In einem Clip steht Trump da als ein feiger Drückeberger, der von seinem reichen Vater aus dem Wehrdienst in Vietnam herausgekauft wurde. Er steht auch da als einer, der die Opfer echter Kriegshelden relativiert oder negiert, wie etwa den schwer verwundeten und lange in Vietnam gefangenen Senator John McCain - immerhin Trumps Parteigenosse.

Und er steht da als jemand, der überhaupt von Soldaten eine schlechte Meinung hat. Schließlich als ein Oberbefehlshaber, der nicht in der Lage ist, Amerika in militärischen Konflikten zu führen: "Entweder ein Feigling, oder ein Komplize unserer Feinde."