Warum nicht 18 Penisse?
Eine australische Studentenzeitung veröffentlichte auf einem Cover 18 Vulvae von Studentinnen und wurde zensiert, dafür aber bekannt
Mehr als die Hälfte der australischen Bevölkerung hat eine Vulva. "Honi Soit", die Studentenzeitung der Universität von Sidney, hielt das für normal und zeigenswert. Auf der Titelseite einer ihrer August-Ausgaben platzierte sie 18 Vulvae von Studentinnen.
Es geschah, was zu erwarten war: Die Studentenvertretung Sydney Students' Representative Council zensierte die Ausgabe. Nachdem die schwarzen Balken das, was nicht gezeigt werden durfte, auch nicht genügend verdeckten, veranlasste die Stundentenvertretung sogar, dass die schon ausgelieferten 4000 Ausgaben wieder eingesammelt wurden. Damit wurde die älteste Studentenzeitschrift des Landes weltberühmt. Auf Twitter ging es unter dem Hashtag #vaginasoit heftig zu Sache.
Das Motiv der "Honi Soit" (der Titel spielt auf die Redensart "Honi soit qui mal y pense" an) kann man durchaus feministisch nennen:
We are tired of society giving us a myriad of things to feel about our own bodies. We are tired of having to attach anxiety to our vaginas. We are tired of vaginas being either artificially sexualised (see: porn) or stigmatised (see: censorship and airbrushing). We are tired of being pressured to be sexual, and then being shamed for being sexual.
Die Hausgeberin Hannah Ryan sagt in einem Interview, die "Honi Soit" habe etwas zugunsten von Frauen tun wollen. Im britischen Guardian schreiben die Studentinnen: "Wir wollen uns normal fühlen; wir wollen keine Furcht vor der ersten sexuellen Begegnung mit einem Partner haben, der uns wegen unserer Vaginas beurteilt."
In der Tat ist es seltsam, dass der Anblick der weiblichen Geschlechtsteile sogar im 21. Jahrhundert noch aufregen kann. Was im angelsächsischen Sprachraum als "offensive" gilt, also "anstößig", unterscheidet sich zwar etwas von der Situation in Deutschland, man kann aber vermuten, dass große Illustrierten hierzulande sich auch nicht trauen würden, Genitalien offen abzubilden.
Warum eigentlich nicht? Bree Fuller (29), eine Journalistin des Illawarra Mercury und zweifache Mutter, schreibt auf ihrem Blog "By the Seat of my Panties", die Vulva sei seit dem Titelblatt der "Honi Soit" Top-Thema in Frauenzirkeln und Muttergruppen. Und etwas spöttisch auf die Frage, warum die Zeitschrift nicht 18 Penisse gezeigt habe: Männern brauchten gewöhnlich keinen besonderen Anlass, um ihr Geschlechtsteil herzuzeigen, an diesem Körperteil sei ohnehin nichts Geheimnisvolles. Männer rennten auch nicht zum plastischen Chirurgen, falls eine Frau ihnen verkündete, der Penis sei nicht so, wie er sein sollte. Die "Honi Soit" hatte auch veröffentlicht, dass sich in Australien immerhin 1.200 Frauen jährlich einer Schamlippenkorrektur unterziehen.
Auf Jezebel.com ("Home of Shiny Happy Ladies") wird darüber diskutiert, ob auch Brüste diese aufregende Wirkung gezeigt hätten. Der Tenor der Diskussionen bestätigt das Argument von "Honi Soit": Der Anblick der Vulva ohne ein pornografisches Ambiente sei immer noch provokativer als Vulvae in einem Pornofilm, auch Fotos "hässlicher" weiblicher Brüste würde aufregen, weil die so vom männlichen Mainstream nicht verlangt werden. Das könnte ein Beweis dafür sein, dass auch jenseits protestantischer Prüderie noch eine Kontroverse nötig ist, wer die Deutungshoheit über den nackten menschlichen Körper hat.