Warum wir die Natur nicht retten wollen

Seite 2: Nicht Natur retten, sondern Naturverhältnis bestimmen

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Dort wird auch noch mal klargestellt, dass die Menschen die Natur gar nicht retten können. Was sie aber sehr wohl bestimmen können, ist, das Naturverhältnis zu verändern:

Die Natur kann demnach gar nicht vom Menschen gerettet oder zerstört werden. Dazu müsste es ja eben eine vom Menschen unberührte Natur geben - quasi als Urzustand. Dabei ist das, was wir im Kopf haben, wenn wir "Natur" sagen, ja schon durch Menschen selbst gemacht. Indem wir beispielsweise darüber nachdenken und mit anderen sprechen, ob noch ein Waldstück im Amazonas gerodet werden soll oder nicht, sagen wir ja schon einiges darüber, was für uns "Natur" ist. Was die Menschen also sehr wohl anders gestalten könnten, ist ihr Verhältnis zur Natur!

Aus: Straßen aus Zucker

Wenn wir wieder über das Naturverhältnis reden, dann als Teil der Zivilisation. Und dann müssen wir wieder über den Kapitalismus reden. Nur ist das längst nicht in allen Teilen der Klimabewegung Konsens. Noch exakter müssten wir dann auch über unterschiedlichen kapitalistischen Akkumulationsregimes reden.

Das ist schon deshalb wichtig, weil es kein Zufall ist, dass die großen Techkonzerne sich als Vorreiter des Klimaschutzes gerieren. Natürlich ist da viel Ideologie dabei. Doch tatsächlich will der so viel zitierte postfossile Kapitalismus den fordistischen Kapitalismus verschrotten. Da kommt ihnen die Klimabewegung gerade recht, weil sie sich auch mit Versatzstücken von deren Ideologie bedienen können. Gerade deshalb ist es umso notwendiger, über die ideologischen Prämissen der Klimabewegung zu diskutieren.

Texte, wie der erwähnte von "Straßen aus Zucker" sind daher für diese Bewegung eine größere Unterstützung, wenn man einfach nur in einer großen Bewegung mitschwimmt. Das zeigte sich kürzlich auf einer Veranstaltung der ideologiekritischen Gruppe translib zur Klimadebatte in Berlin.

Der Text der Leipziger Gruppe Workers for Future verspricht ebenso interessante Diskussion wie die kritische Intervention der gleichen Gruppe in den Degrowth-Kongress. Ihre 16 Thesen, in der sie die Prämissen der Schrumpfökonomie hinterfragten, können genauso als Unterstützung bezeichnet werden wie Pohrts Kritik an den Prämissen der deutschen Friedensbewegung.

Unterstützt werden in beiden Fällen die Kräfte, die Interesse an einer emanzipatorischen Perspektive haben. Doch ein Großteil des Publikums hatte wenig Interesse an einer ideologiekritischen Diskussion über die Prämissen der Klimabewegung. Da wurde ganz realpolitisch sogar in einer seit Jahren staatsnahen Nichtregierungsorganisation wie dem BUND unterstellt, schon auf den richtigen Weg zu sein.

Dieser Hang zum unkritischen Mittun wird natürlich verstärkt, weil die Klimabewegung für junge Akademiker nach Abschluss ihres Studiums Jobs bietet und da muss die kritische Analyse schon mal zurückstehen. Das muss man auch niemandem vorwerfen.

Vom Unwort "Klimawandelleugner" oder wie Roger Hallam doch noch Recht gegeben wird

Was man aber sehr wohl kritisieren sollte, sind Begriffe wie "Klimawandelleugner", die dann schnell gegen Kritiker des Ökologismus in Anschlag gebracht wird. Nun handelt es sich um eine "Hallamisierung" der Klimabewegung.

Der Mitbegründer von Extinction Rebellion, Roger Hallam, hatte viel berechtigte Kritik erfahren, als er den Holocaust in die allgemeine Verfolgungsgeschichte aufgehen ließ. Warum aber wird dann mit dem Begriff Klimawandelleugner operiert, der schließlich bewusst an den Begriff Holocaustleugnung anschließt?

Damit wird aber suggeriert, dass die Leugnung des Klimawandels mit der Leugnung des Holocausts vergleichbar ist. So gibt man aber Hallam Recht, der den Klimawandel als schlimmer als den Holocaust bezeichnet hat. Es gibt Linke, die die Ausbeutung der Lohnabhängigen in Abrede stellen, andere wollen nichts von Rassismus und Patriarchat wissen.

Für sie hat sich berechtigterweise aber nicht der Begriff Patriarchats- oder Kapitalismusleugner herausgebildet. So sollte allerdings auch der Begriff "Klimawandelleugner" sich verbieten. Vielmehr sollte eine Linke, die heute sowieso kaum Einfluss hat, ihre Waffen der Ideologiekritik nicht vorzeitig strecken, sondern sie vielmehr schärfen.

Auch und gerade, um einer linken zivilisatorischen Praxis zum Durchbruch zu verhelfen, die das kapitalistische Natur-Mensch-Verhältnis in Frage stellt. Denn es geht darum, nicht die Natur, sondern die Zivilisation zu retten, nicht nur gegen C02 sondern auch gegen eine Naturromantik, die in den menschlichen Fußspuren nur ein großes Übel sieht.