Warum wir einen Neustart im Dialog mit der Ukraine brauchen

Seite 2: Warum wir mehr Dialog und echte Kontroversen über den Ukraine-Krieg und Russland brauchen

Das Unvermögen zu einem offen und in Folge ehrlichen Dialog zwischen Deutschen und Ukrainern ist in diesen Kriegszeiten offensichtlich. Die Schimpftiraden des auch deswegen inzwischen wohl abberufenen ukrainischen Botschafters Andrej Melnyk waren ein Beleg dafür.

Sender und Empfänger stehen in der bilateralen Debatte über die politische und militärische Einschätzung des russischen Krieges gegen die Ukraine, notwendige Solidarität und erforderliche Kompromissbereitschaft oft isoliert da. Positionen werden vorgesetzt, nicht verhandelt.

Jüngstes Beispiel ist ein Radio-1-Gespräch, das der Herausgeber der Wochenzeitschrift Freitag Mitte dieses Monats im Literaturhaus Berlin mit der ukrainischen Schriftstellerin Tanja Maljartschuk führte.

Die politische Frontstellung war von Beginn an hörbar; man fühlt Spannung beinahe körperlich, wenn Maljartschuk schon in der Begrüßung klarmacht, "mehr als zehn Leute" hätten ihr – offenbar aufgrund der Positionierung des Journalisten Augsteins, was sie aber nicht dazusagt – zur Absage geraten. Sie habe sich sogar "enorm" vor dem Gespräch "gefürchtet".

Es folgen gut 50 Minuten Sprach- und Verständnislosigkeit in einem schwer erträglichen Austausch, der sich dennoch anzuhören lohnt, weil er grundlegende Defizite offenbart. Etwa, wenn die anfängliche politische Frontstellung einer hörbaren persönlichen Antipathie weicht.

Es spielen andere Faktoren hinein: Dass Maljartschuk ihre zehn Augstein-Kritiker offenbar nach Charlottenburg mitgebracht hat, damit sie sie einem Fußballturnier gleich anfeuern und bei Augstein-Fragen höhnisch lachen.

Dass der 55-jährige Deutsche der 39-jährigen Ukrainerin zunehmend ins Wort fällt.

Dass Maljartschuk am Ende sagt: "Sie mich nicht überrascht. (…) Ich habe mehr von Ihnen erwartet."

Dass Augstein antwortet, was er sage "ist bei Ihnen offenbar gar nicht angekommen".

Der Druck und die Spannung dieses Gespräch stehen stellvertretend für die Ukraine-Debatte. In der Politik wie in den Medien. Das ändert nichts daran, dass die Position zum Ukraine-Krieg – zum Opferstaat Ukraine und zum Täterstaat Russland – verhandelt werden müssen.

Es wäre besser für alle Seiten, wenn dies im Dialog geschehe. An der Front in der Ukraine und auf den Straßen europäischer Staaten wird das sonst auch ohne Dialog Fakten geschaffen – und Positionen erzwungen.

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