"Ukraine-Konflikt beilegen" ist gleich "Kreml-Framing"?

Wie wichtige Medien durchaus regierungskritisch sein können – wenn es um Diskreditierung von vorsichtigen Entspannungsvorschlägen geht. Was das Echo auf eine Rede von Katrin Lange (SPD) über die Machtverhältnisse hierzulande aussagt.

Im Kontext des Buches "Die vierte Gewalt" von Precht/Welzer (siehe: Die gefallenen Engel des grün-schwarzen Mainstreams) wird diskutiert, inwieweit wichtige Medien die Regierungs-Politik hierzulande dominierten ("Mediokratie") oder aber Sprachrohr eben dieser herrschenden Politik seien.

In der Tat sind Formulierungen dazu im Buch nicht besonders präzise, wirken hier und dort auf schlichte Weise widersprüchlich, was den Autoren manch billige Schelte einbringt. Allerdings lässt sich das Verhältnis zwischen beiden Feldern der Gesellschaft auch anders als im "Entweder-Oder"-Modell beschreiben: Beide Bereiche beeinflussen einander wechselwirkend - strukturell, organisatorisch und personell, also auf sozialer Makro-, Meso- und Mikroebene.

Sie be- und verstärken einander, wenn es zum Beispiel um Etablierung und Fortschreibung herrschender Narrative geht, im Sinne der Durchsetzung besonderer innen- oder geopolitischer bzw. auch von Konzern-Interessen.

Etablierte Medien entfalten aber gelegentlich sogar gegenüber Regierungs-Vertretern Distanz – zum Beispiel als deutlich einseitige, ja polemische und persönlich angreifende Kritik, wenn diese in Einzelfragen oder mit einzelnen Auftritten den bestimmenden, tendenziell enger werdenden Themen- und Meinungskorridor zu verlassen scheinen.

Illustrieren lässt sich dieses Wechselspiel in den Machtverhältnissen zwischen Regierungs-Politik und Leitmedien anhand vieler Reaktionen auf eine gut 17-minütige Rede, die Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange (SPD) am 12.10.2022 im Brandenburger Landtag (Anm. d. Red: im Fenster bis zur Rede Langes scrollen) hielt.

"Gereiztes soziales Klima, Krisenfaktor Krieg"

Diese lässt sich relativ sachlich so zusammenfassen: Frau Lange sagte in ihrer Rede zum Landeshaushalt, die Lage in Deutschland habe sich "deutlich weiter eingetrübt". Das soziale Klima werde "in den nächsten Wochen und Monaten noch sehr viel gereizter werden, und dazu gibt es auch allen Grund".

Unter anderem deswegen, weil Einkommen und Vermögen in Deutschland "weiterhin einem rasch fortschreitenden Prozess der Entwertung unterworfen sein" würden.

Ein Ende des Krieges in der Ukraine als eines zentralen Krisenfaktors sei "derzeit leider nicht in Sicht. Man sollte dennoch keine Möglichkeit verstreichen lassen, diesen Konflikt zu akzeptablen Bedingungen der Ukraine doch noch beizulegen. Die Alternative ist ein jahrelanger Krieg mit der steten Gefahr einer Eskalation und Ausweitung" - an dieser Stelle gab es etwas Beifall offenbar von einigen Abgeordneten.

Keine Zeit für "Framing-Mätzchen"

Lange äußerte in der Rede mehrfach Kritik in Richtung Bundesregierung: Einzelne, "gerne twitternde Mitglieder der Bundesregierung" wähnten sich schon in einem Krieg mit Putin. Das sei allerdings "loses Gerede". Sie kritisierte auch eine ihre Ansicht zufolge nur scheinbar werteorientierte Außenpolitik gegenüber Ländern wie Saudi-Arabien und Katar.

Zusammenfassend konstatierte sie eine "außergewöhnliche Zuspitzung der Krisenlagen" - man habe daher keine Zeit für "Framing-Mätzchen" und "Propagandabeimischung", man sei schließlich nicht "bei der Bundesregierung". Es gehe ihr nicht zuletzt tatsächlich um soziale Gerechtigkeit, um Realismus und Pragmatismus. Es stehe "zu viel auf dem Spiel" in dieser "außerordentlichen Lage".

Bemerkenswert sicher diese Rede für eine SPD-Politikerin in Regierungs-Verantwortung. Im Kern darf dabei ihr kurzes, aber deutliches Plädoyer für eine wie auch immer diplomatische Beilegung des Krieges in der Ukraine gesehen werden. Dabei lässt sie keinen Zweifel daran und sagt das auch ausdrücklich, dass die Ukraine angegriffen wurde.

Das Echo

Noch bemerkenswerter allerdings weite Teile des medialen Echos seitens etablierter Redaktionen. Einige Beispiele aus einer großen Menge von relativ gleichlautenden Artikeln seien hier skizziert:

Der Berliner Tagesspiegel (Medienkonzern Holtzbrinck) schrieb, Lange "teilt gegen Ampel aus", was eine sehr abwertende Beschreibung von Kritik ist für einen Text, der doch informationsbetont sein soll.

Schon die Überschrift verweist auch auf Beifall von der falschen Seite – nämlich von Linken und AfD. Der Autor bewertet in seinem Bericht, merkwürdig genug, Langes Rede klar negativ als "provokanten Auftritt", der - offenbar schlimm genug - "Irritationen ausgelöst" habe bis hinein ins Lager der Landesregierung.

Der in Neubrandenburg erscheinende Nordkurier (Medienkonzern Schwäbischer Verlag) schrieb, Langes Rede sorge ganz allgemein "für Empörung". Man lässt im Artikel dann die FDP-Politikerin Linde Teuteberg auftreten, welche Lange "Kreml-Framing" vorwirft.

Im Artikel, der anscheinend auch kein direkter Kommentar ist, sondern ebenfalls informationsbetont sein soll, heißt es dann, Lange hätte "unter anderem Verhandlungen mit Russland gefordert". Diese Zuspitzung allerdings gibt der Wortlaut der Rede gar nicht her.

Die MAZ, also die Märkische Allgemeine in Potsdam (Medienkonzern Madsack), immerhin schreibt, Lange fordere nur indirekt solche Verhandlungen, dafür allerdings wiederum gleich "mit Putin" (der in der Rede nirgends Erwähnung findet).