Was Scholz verspricht und mit wem er sich (kaum) daran halten könnte

Olaf Scholz muss mit Ärger in seiner eigenen Partei rechnen, wenn er für lau bereit ist, mit der Union zu koalieren. Bild: © Bernhard Ludewig / FinnishGovernment / CC-BY-2.0

Mindestlohn und Rentengarantie: Der SPD-Kanzlerkandidat stellt Bedingungen, die eine neue "Groko" massiv erschweren würden – falls er vorhätte, Wort zu halten

Glaubt man dem derzeit in Umfragen vorn liegenden SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz, was er inhaltlich verspricht, müssten die Unionsparteien zumindest eine dicke Kröte schlucken, um erneut mit der SPD zu koalieren. Denn gegen einen Mindeststundenlohn in Höhe von zwölf Euro haben sie sich als Seniorpartner in der ausgehenden Legislaturperiode erfolgreich gewehrt.

Nun hat der scheidende Finanzminister Scholz, dessen Partei zuletzt mit rund 26 Prozent stärkte Kraft im ARD-DeutschlandTrend war, eine entsprechende Erhöhung des Mindestlohns und eine Rentengarantie zur Bedingung für jeden Koalitionsvertrag gemacht.

"Ich verspreche den Bürgern: Der Mindestlohn wird mit mir als Kanzler im nächsten Jahr auf zwölf Euro angehoben. Und ich garantiere: Das Rentenniveau bleibt stabil und das Renteneintrittsalter wird nicht weiter steigen", sagte Scholz der Bild am Sonntag. Eine "Deutschland-Koaliton" mit der marktradikalen FDP als "Königsmacher", falls es für eine neue "Groko" nicht reichen sollte, wäre somit erst recht unwahrscheinlich, wenn Scholz nicht zum baldigen Wortbruch bereit wäre.

Scholz dürfte sich noch gut an die "Tritt ein, sag Nein"-Kampagne erinnern, mit der die Jusos in der SPD schon nach der letzten Bundestagswahl versucht hatten, eine Neuauflage der "Groko" zu verhindern. 56,4 Prozent der Delegierten hatten sich allerdings 2018 für Koalitionsverhandlungen mit der Union ausgesprochen. Eine nicht gerade überwältigende Mehrheit. Und obwohl Scholz in dieser Koalition Minister wurde, hat ihn der aktuelle Parteivorstand mit einem Vertrauensvorschuss bedacht und zum Kanzlerkandidaten gekürt.

Ob das Widerstandspotenzial innerhalb der SPD mittlerweile vollständig gebrochen ist, lässt sich schwer sagen, denn schon die neoliberalen Reformen der "rot-grünen" Bundesregierung von 1998 bis 2005 hatten sozialdemokratische Substanz zerstört und zu etlichen Parteiaustritten geführt. So war auch mit dem Widerstand gegen die aktuelle "Groko" nicht zwingend zu rechnen gewesen.

Die Linke: Forderungen und Zugeständnisse

Der Ko-Chef der Bundestagsfraktion Die Linke, Dietmar Bartsch, appellierte vergangene Woche an SPD und Grüne, sich zu einer "Gute-Löhne-Regierung" zu bekennen - offenbar als Replik auf deren Forderung nach einem Bekenntnis der Linken zur Nato. Der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte Bartsch, Olaf Scholz und Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sollten ein "Mindestlohn-Bekenntnis für Millionen unterbezahlter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ablegen und ein solches auch von möglichen Regierungspartnern verlangen".

Während dieser Schachzug in der Partei Die Linke breite Zustimmung findet, wird Bartschs Entgegenkommen in Sachen Militäreinsätze von vielen seiner Parteifreunde kritisch gesehen. Er selbst sieht in der Haltung seiner Partei zur Nato ein Hindernis für eine Koalition mit SPD und Grünen. "Nie wird die Situation entstehen, dass wir einen Nato-Austritt zu einer Bedingung eines rot-rot-grünen Bündnisses machen würden", sagte Bartsch vergangene Woche der Augsburger Allgemeinen. "Die Grünen hatten 1998 die Forderung nach einer faktischen Auflösung der Nato in ihrem Programm stehen, sie haben trotzdem regiert."

Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung legte Bartsch nach und erklärte, bei eventuellen Verhandlungen werde man über jeden Auslandseinsatz der Bundeswehr "im Einzelnen entscheiden müssen". Dann müssten in einem Koalitionsvertrag "klare Vereinbarungen" dazu getroffen werden. Auch der Außenpolitiker und frühere Linksfraktionschef Gregor Gysi relativierte das Nein seiner Partei zu Auslandseinsätzen. Über "Blauhelmeinsätze im eigentlichen Sinn", also "ohne Schießbefehl und nur zur Konfliktverhütung", könne man diskutieren, sagte er der Zeitung.

Kompromisse nach links oder nach rechts?

Ko-Parteichefin Janine Wissler, die sich mit Bartsch die Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl teilt, hat sich zu solchen Aussagen bisher nicht hinreißen lassen. "Wenn man etwas will, dann sucht man Wege. Wenn man etwas nicht will, dann findet man Gründe. Deswegen halte ich nichts davon, jetzt irgendwelche Bekenntnisse zu verlangen", sagte sie am Wochenende dem Portal watson.

"Olaf Scholz und Annalena Baerbock müssen sich fragen lassen, ob die Differenzen zu Union und FDP aus ihrer Sicht wirklich leichter zu überwinden sind als die zu uns. Ob sie lieber Kompromisse nach rechts machen als nach links", so Wissler in dem Doppelinterview mit dem Maximilian Schulz, dem Bundessprecher der Linksjugend. Schulz erinnerte daran, dass in der Nato auch die Türkei Mitglied sei, "die in den vergangenen Jahren Angriffskriege geführt hat, etwa gegen die Kurden in Nordsyrien", betonte er. "Worüber reden wir da eigentlich? Das mit dem Bekenntnis zur Nato ist doch wirklich Quatsch."